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Schwingen

Bratwurst, Bier und «Richi» – was in der Nacht am ESAF wirklich passiert

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Nach dem Schwingen ist vor der Party: Als die Abenddämmerung einsetzt, beginnt am ESAF das zweite Fest.Bild: watson

Bratwurst, Bier und «Richi» – was in der Nacht am ESAF wirklich passiert

Nach dem Schwingen kommt das Schunkeln. Am Eidgenössischen Schwing- und Älplerfest beginnt die Party, sobald die Arena geschlossen ist. Was in einer Nacht am ESAF wirklich passiert.
31.08.2025, 18:3801.09.2025, 12:35

Wenn der letzte Schwinger aus dem Sägemehlring steigt, beginnt am ESAF das zweite Fest. Dann erwacht das Glarnerland noch einmal anders.

Auf der Festmeile versammeln sich die Massen. Die grossen Zelte tragen Namen wie Kerenzer, Ricken, Sattelegg und Pragel – benannt nach den Pässen, die die Trägerregionen verbinden. Doch eigentlich könnten sie auch Kafischnaps, Vodkaredbull und Suursöpfeli heissen. Weil es vor allem darum geht.

Drinnen spielen zwar die Stromstoss-Örgeler, Monique oder auch Francine Jordi. Für viele ist es Musik, die sie als Fahrstuhl-Sound bezeichnen, andere jedoch schunkeln gerne dazu mit. Oder zumindest versuchen sie es. Francine Jordi bittet das Publikum mehrmals, bei ihrem Lied mitzumachen, «rechts, links, rechts». Die Reaktion ist verhalten.

Francine jordi
Im Pragel-Zelt: Francine Jordis Auftritt.Bild: ESAF 2025 Glarnerland+ / TARIA HÖSLI

Lieber trinken die Besucherinnen und Besucher ihr Bier und reden. Oder sie tragen sich kurzerhand eine Festbank ins Zelt, weil es drinnen keine Sitzplätze mehr hat. Andere bringen gleich den ganzen Tisch.

Alle singen «Richi»

Und das, obwohl es drinnen bereits eng ist. Zwischen Edelweisshemden und Swissgenetics-Caps stehen die Menschen dicht beieinander. Getanzt wird praktisch nicht, gesungen selten. Erst wenn jemand Göläs «Schwan» bringt, brechen die Dämme. Oder wenn «Richi» läuft – dieser Satz, den Auswanderer Hermann Schönbächler vor über 13 Jahren in der SRF-Sendung «Auf und davon» zu seinem Sohn gesagt hat. «Richi, i ha gseit, du seusch di häbä!»

Stubete Gäng hat daraus einen Hit mit Millionen Klicks gemacht. Kein Wunder, sind sie am Samstagabend Haupt-Act auf der grössten ESAF-Bühne. Aber auch bei ihren Songs «Petra Sturzenegger» oder «Göschene Airolo» wird gekreischt, getanzt, gesungen.

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Hier fanden die grossen Konzerte statt: die ESAF-Hauptbühne.Bild: ESAF 2025 Glarnerland+ / NICOLE STUCKI

Nach dem Konzert strömen Tausende zurück in Richtung Festmeile. Sie tragen Salomon-Schuhe, Edelweisshemden, kurze Hosen. In den Händen klirren Bierflaschen. Manche tragen gleich einen ganzen Harass. Andere balancieren Tabletts mit Jägermeister, zwei Kafischnaps und einem Wasser. Es riecht nach Bratwurst, Bier, Rauch von Original-Krumme. Eine Gruppe macht sich am Boden Raclette mit einem Teelicht-Set.

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Morgens um 2.30 Uhr: Eine neue Packung Bratwürste kommt auf den Grill.Bild: watson

Schwingturniere in der Nacht

In den Zelten grölt die Menge «Vogellisi». Später folgt «Scharlachrot», dann «W. Nuss vo Bümpliz». Eine Gruppe tanzt Polonaise. Dazwischen: ein Schnupf, ein Spruch, ein Lacher. Doch je später es wird, desto spezieller werden die Gespräche. Die Sprüche beim Schnupfen werden rassistischer, sexistischer. Einer meint, das Frauenstimmrecht sei «dä grössti Seich, wo’s je gäh het». Zwei andere lachen, nur einer sagt immerhin: «Bisch en Dubel.» Es bleibt bei einem Wortwechsel. Ein Typ im Edelweisshemd geht auf eine Gruppe junger Leute am Boden zu. «Was isch das? En Jugo-Kreis?» Niemand reagiert. Es bleibt ein versuchter Witz, der keiner war. Und ein Moment, der zeigt: Wo Bier fliesst, kommen nicht nur Heimatgefühle hoch.

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Wo Bier fliesst, kommen nicht nur Heimatgefühle hoch: ESAF.Bild: watson

Doch solche Aussetzer bleiben die Ausnahme. Die meisten feiern einfach. So, wie sie es für richtig halten. Im Zelt vom Kafi-Nord. In der Schwingerbar. Oder einfach draussen. Auf dem Sägemehl. Entlang der Meile stehen Mini-Sägemehlringe. Hier messen sich Freunde, Fremde, halbbetrunkene Hobby-Schwinger. Einer macht einen Handstand. Zwei andere ringen, bis ein Security eingreift, weil er dachte, es sei ernst. War es nicht. War ESAF.

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Sägemehlring: wird in der Nacht auch für anderes verwendet.Bild: watson

Später in der Nacht schlafen einige Leute in diesen Sägemehlringen. Andere schlafen in ihren Autos. Manche auf der Wiese. Es wird sowieso nur eine kurze Nacht in Mollis. Um 7.45 Uhr geht’s wieder weiter in der Schwingarena.

Bis dahin schläft Mollis. Und träumt vermutlich von Petra Sturzenegger.

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quelle: keystone / gian ehrenzeller
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67 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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fastfurious
31.08.2025 20:02registriert März 2020
Dem einen ist es das Schwingen, dem anderen der Fussballmatch, oder das Opernhaus oder die vegane Küche, oder der Liersturclub. Hauptsache wir können das noch leben. In vielen Länder ist das nicht möglich. Auch die freie Meinungsäusserung nach ein paar Kisten Bier ist nicht gefährdet. Hebe wir dazu Sorge.
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mycredo
31.08.2025 19:51registriert Mai 2014
Was eine Nacht am ESAF auch ausmacht (war gestern dort unterwegs): Trotz hohem Männeranteil ist es sehr angenehm nicht aggressiv.
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HartinderHard
31.08.2025 21:50registriert Mai 2019
Am ESAF gibt es heute noch die Freiheit, die es früher an Openairs gab. Jeder kann mitbringen was er will, am Boden Raclette zubereiten, irgendwo auf dem Gelände schlafen usw. während an Openairs mittlerweile alle möglichen Gegenstände verboten sind und streng kontrolliert wird.
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