Es war eine kleine Revolution: Nach 30 Männern trat am 1. Juli 2015 mit Andréa Maechler erstmals in der Geschichte der 1907 gegründeten Nationalbank eine Frau in das Direktorium ein. Sieben Jahre später ist die Revolution abgesagt, die Frau zurückgestuft.
Denn eigentlich hätte Maechler nach dem Ausscheiden von Fritz Zurbrügg als Nummer 2 aufrücken sollen. So will es die Tradition. Es ist Usus, dass Direktoriumsmitglieder bei Vakanzen nachrutschen und sich externe Neuzugänge «hinten» einreihen müssen. Bis anhin wurde in der 115-jährigen Geschichte der Nationalbank dieses ungeschriebene Gesetz erst zweimal gebrochen - und das ist schon lange her: 1947 und 1966. Damals wurden Paul Keller respektive Edwin Stopper von aussen direkt auf den Stuhl des Nationalbankpräsidenten gesetzt, in beiden Fällen hatten die amtierenden Direktoriumsmitglieder das Nachsehen.
Nun hat es Maechler getroffen. Folglich hat die Nationalbank statt der ersten Vizepräsidentin wieder einen Vizepräsidenten, wählte doch der Bundesrat am Mittwoch Martin Schlegel in die zweithöchste Position hinter dem Präsidenten Thomas Jordan - und zu dessen designiertem Nachfolger.
Es war eine Rückstufung mit Ansage, eine selbsterfüllende Prophezeiung. Kaum hatte Maechler ihren Direktoriumsposten bei der Nationalbank angetreten, wurden ihr hinter vorgehaltener Hand die nötigen Qualifikationen abgesprochen. Sie sei der Aufgabe nicht gewachsen, hiess es immer wieder. Die beanstandeten Leistungsmängel wurden so ziemlich mit allen besprochen, nur mit ihr nicht. Die Wiederholung der immer gleichen Aussage schaffte Tatsachen, deren Wahrheitsgehalt niemand mehr nachprüfen wollte. Und so wurde sie bereits im Vorfeld der Wahl kaum als Kandidatin für Vizepräsidium genannt. Sie habe keine Ambitionen auf höhere Weihen oder gar auf Jordans Spitzenposition zu erkennen gegeben, sagt jetzt ein Insider. Aber vielleicht hat sie auch eingesehen, dass sie keine Chancen hatte. Sie war abgeschrieben, war aus dem Rennen, bevor es gestartet hatte.
Viele Beobachter hatten damit gerechnet, dass die Entmachtung einer Frau nur über die Ernennung einer anderen Frau möglich wäre. Umso mehr, als die hiesige Notenbank mit einem Frauenanteil von knapp 18 Prozent auf Stufe Direktion im internationalen Vergleich in puncto Diversität weit zurückfällt. In der Bank of England oder in der Europäischen Zentralbank bewegt sich der vergleichbare Frauenanteil bei je über 30 Prozent. Die Nationalbank betont zwar, dass die Zusammensetzung und Entwicklung des «Personalköpers» auch bezüglich Diversität «seit längerer Zeit systematisch ausgewertet und analysiert» werde, aber bereits die Wortwahl lässt doch grosses Unverständnis für die Thematik durchblicken.
Jedenfalls gelobte die Nationalbank Besserung, ein «internes Diversitätscontrolling» wurde eingeführt, ebenso wie ein regelmässiges «Benchmarking». Führungspersonen müssen in Sensibilisierungskurse, vakante Stellen werden neu mit Pensen von 80 bis 100 Prozent ausgeschrieben und nicht mehr nur Vollzeit wie früher. Bei so vielen guten Vorsätzen konnte eigentlich als Nachfolgerin von Zurbrügg nur eine Frau in Frage kommen. Zu den Favoritinnen für den wichtigen Posten gehörten etwa die Präsidentin der Finanzmarktaufsicht (Finma) Marlene Amstad oder die frühere deutsche Wirtschaftsweise und Ökonomieprofessorin Beatrice Weder di Mauro.
Aber es kam bekanntlich anders. Gewählt wurde der 46-jährige Ökonom Schlegel, der in der Nationalbank eine steile Karriere gemacht hat und als Zögling Jordans gilt, als «Jordan-Boy», in Analogie zu den «Ogi-Boys» des früheren SVP-Bundesrats Adolf Ogi. Attribute, die Schlegel vor wenigen Jahren mit Aussagen in der NZZ selbst befördert hatte. Dort sagte er 2019:
Schlegel sei zwar ein Ziehsohn Jordans, aber nicht dessen Klon, sagt ein profunder Kenner des Noteninstituts. Er pflege einen moderneren Stil als sein Förderer. Inhaltlich sind sich die beiden aber offenbar sehr nahe. Die Nationalbank spricht im Zusammenhang mit seiner Wahl von «Kontinuität», die «im aktuellen, geldpolitisch herausfordernden Umfeld von zentraler Bedeutung» sei.
Kontinuität ist ein grosser Wert am Hofe der Nationalbank. Lange gehörte das Direktorium den Herren der CVP und FDP. Ambitionen nicht genehmer Kreise, wie etwa 1984 jene von Kurt Schildknecht, dem früheren SNB-Chefökonomen mit SP-Parteibuch, wurden abgewehrt. Chancenlos war 2003 auch der damalige Chef der Eidg. Finanzverwaltung, Peter Siegenthaler, der von seinen Genossen portiert wurde. Das Rennen machte der parteilose Philipp Hildebrand. Dessen Wahl markiert das Ende des CVP-FDP-Kartells. Das zeigte 2000 erste Risse, als der FDP-nahe Jean-Pierre Roth in den Präsidentenstuhl gehievt wurde anstelle des vom Bankrat vorgeschlagenen CVP-Mannes Bruno Gehrig. Heute sind alle Direktoriumsmitglieder parteilos, jedenfalls offiziell.
Mit Schlegels Wahl hat Jordan seine Macht zementiert - und sein Erbe auf Jahre hinaus gesichert, ganz nach dem Motto: «Le Franc c'est moi.» Sollte er nach Ablauf der Amtsperiode 2026 zurücktreten, dürfte Schlegel mit nur rund 50 Jahren das Zepter übernehmen - und könnte folglich noch lange wirken. Künftigen Direktoriumsmitgliedern bliebe der Weg nach ganz oben versperrt. Und sollte Maechler nach der jetzt erlebten Desavouierung bald mal ihren Rücktritt einreichen, dürfte sich die Suche nach Ersatz als äusserst schwierig gestalten: Das Feld der Kandidatinnen jedenfalls wird nicht sehr gross sein. Gesucht wäre eine Frau und zudem eine aus der Westschweiz oder allenfalls aus dem Tessin.
Formell wählt zwar der Bundesrat die Mitglieder des dreiköpfigen Direktoriums sowie deren Stellvertreter an der Spitze der drei Departemente. Geleitet wird das Geschäft vom Bankrat respektive dessen Nominationsausschuss, zu dem nebst der Bankratspräsidentin Barbara Janom Steiner der Wirtschaftsprofessor Cédric Tille sowie der Julius-Bär-Präsident Romeo Lacher angehören. Doch auch das sei nur Theorie, heisst es von allen Seiten. Letztlich bestimme Jordan, wohin die Reise gehe. Janom Steiner wollte sich auf Anfrage von CH Media nicht zur Wahlfrage äussern.
Und Maechler? Auch sie schweigt - und macht gegen aussen gute Miene zum bösen Spiel. So gratuliert sie auf Linked-in dem gewählten Schlegel. «Ich freue mich über unsere künftige Zusammenarbeit!»
Dass man sich da die Posten "zuschachert" ist ja kaum ganzen Artikel wert. Das ist der Alltag.
Wichtig sind die Begründungen und da erwarte ich entschieden mehr von einem Artikel.