Die Schweizer Bevölkerung soll mehr arbeiten. Das fordert der Arbeitgeberverband (SAV) in einem Massnahmenplan, der am Montag veröffentlicht wurde. Der SAV stellt in seinem Papier acht Punkte vor, mit denen der Fachkräftemangel verringert werden soll. So sollen unter anderem das Arbeitsvolumen und das Rentenalter erhöht und Kitas gestärkt werden. Mit diesen Massnahmen soll der Wohlstand gehalten werden können, schreibt der SAV.
Der SAV stellt acht Massnahmen gegen den #Fachkräftemangel vor. Mit einer Erhöhung des #Arbeitsvolumens, zusätzlichen Arbeitsanreizen und einer Steuerung der #Bildung könnten zehntausende Stellen mit inländischem Fachpersonal besetzt werden.https://t.co/NtdO6OhgyP
— Arbeitgeberverband (@arbeitgeber_ch) April 24, 2023
Für SP-Co-Präsident Cédric Wermuth sind einige Vorschläge jedoch «völlig falsch». Der Nationalrat stört sich unter anderem daran, dass das Arbeitsvolumen erhöht werden soll.
«Dieser Plan zielt in jeglichem Hinblick an den Realitäten vorbei», sagt der SP-Mann gegenüber watson. «Fachkräfte fehlen heute oft in Branchen, in denen die Arbeitsbedingungen nicht besonders attraktiv sind. Ich denke da zum Beispiel an den Bau oder auch an Pflegerinnen und Pfleger oder Angestellte in der Gastronomie. Es ist völlig falsch, dass nun der Arbeitgeberverband die Angestellten noch mehr unter Druck setzen will, obwohl die Produktivität gestiegen ist.»
Für Wermuth müsste es in die entgegengesetzte Richtung gehen. In den vergangenen Jahren habe die Vermögenskonzentration stark zugenommen. Die Unternehmensgewinne im Rohstoffhandel und in der Pharmaindustrie seien massiv gestiegen. «Es ist überfällig, dass das auch bei den Menschen ankommt. Entweder über höhere Löhne oder mit einer Verkürzung der Arbeitszeit.»
Im Papier des Arbeitgeberverbandes geht es auch um eine Verbesserung bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Es steht dort: «Kitas und Tagesschulen müssen stärker gefördert werden. Jeder staatliche Franken, der die Kinderbetreuung subventioniert, muss in zusätzliche Arbeit fliessen, nicht in mehr Freizeit.»
Wermuth setzt auch hier zur Kritik an: «Dass der Arbeitgeberverband die Kitas fördern will, freut mich. Die SP fordert schon lange bezahlbare Kitaplätze, wir haben deshalb auch die Kita-Initiative lanciert. Doch der Arbeitgeberverband ist widersprüchlich. Im gleichen Papier fordert er, dass Angestellte mehr und länger arbeiten sollen. Doch das geht an den Realitäten der Familien vorbei und ist nicht fertig überlegt.»
Unterstützung erhält der Massnahmenplan von Andri Silberschmidt. «Durch die Pensionierungswelle haben wir das Problem, dass die Anzahl Arbeitskräfte durch die demografische Entwicklung jedes Jahr abnimmt», sagt der FDP-Nationalrat gegenüber watson. «Man kann dieses Problem entweder mit der Zuwanderung lösen oder man setzt im Inland Anreize, dass die Menschen mehr arbeiten.»
Es gehe nicht darum, dass Menschen mit einem 100-Prozent-Pensum noch mehr arbeiten, sagt Silberschmidt. «Wir müssen schauen, dass diejenigen, die gar nicht oder nur wenig arbeiten, mehr arbeiten können.» Neben der Einführung der Individualbesteuerung fordert Silberschmidt eine Glättung der Steuerprogression. Dazu hat der FDP-Nationalrat kürzlich eine Interpellation eingereicht.
«Wir haben Fehlanreize im System. Wenn man Vollzeit arbeitet, bezahlt man einen viel höheren Steuersatz», sagt der FDP-Mann. Wenn man hingegen im Teilzeitpensum arbeite, könne man von vergünstigten Kitas und günstigem Wohnraum profitieren. «Es kann nicht sein, dass derjenige, der Vollzeit arbeitet, den Lifestyle der anderen finanziert, wenn sie auch mehr arbeiten könnten», sagt Silberschmidt.
Beim SAV nimmt man die Kritik von Wermuth zur Kenntnis. Daniella Lützelschwab, Leiterin Ressort Arbeitsmarkt, entgegnet: «Es geht nicht darum, die allgemeine Wochenarbeitszeit zu erhöhen. An der 42-Stunden-Woche wollen wir nicht rütteln.» Der Arbeitgeberverband wolle Anreize setzen, damit die Bevölkerung insgesamt mehr Arbeitsstunden leiste, erklärt Lützelschwab. «Es gibt viele Personen, die eigentlich mehr arbeiten wollen, aber wegen der Rahmenbedingungen nicht können. Dieser Missstand muss behoben werden.»
In allen Punkten widerspricht Wermuth dem Arbeitgeberverband und Silberschmidt jedoch nicht. So will auch der SP-Nationalrat, dass die Individualbesteuerung eingeführt wird. Darüber freut sich Silberschmidt: «Ist doch schön, wenn man nicht nur Differenzen hat», sagt der FDP-Mann und hofft, dass es in dieser Angelegenheit nun schnell vorwärtsgeht.
Einverstanden ist Wermuth auch mit der Förderung der Berufsbildung. Der wichtigste Hebel ist aus seiner Sicht die Anhebung der Löhne für Menschen mit Lehrabschlüssen auf monatlich 5000 Franken, gerade weil das Leben immer teurer wird und so die Kaufkraft und damit die Wirtschaft gestärkt wird.
Die Arbeitgeber haben massiv Rekrutierungsprobleme und der Köder ist:
Arbeitsvolumen erhöhen.
Da fehlt mir gerade der logische Zusammenhang.
Es ist zum heulen, was wir mittlerweile für Rückschritte machen.