Eine Arbeitskollegin hat von einem Freund einen Tipp erhalten. Das «Projekt Ensemble», wie die auf dem Hardturm-Areal geplante Überbauung inklusive Fussballstadion heisst, habe ein heikles Bild auf seiner Website publiziert. Auf der Visualisierung des neuen Stadions seien Pyros zu sehen.
Sicher, das ist kein Riesenskandal, keine Staatsaffäre. Aber, sollte sich der Hinweis bewahrheiten: Eine wahrlich ungeschickte Bildwahl mitten in einem schwierigen Abstimmungskampf, in einer Stadt, wo Fangewalt immer wieder Thema ist. Man kann der Sache auf jeden Fall mal nachgehen.
Ein Besuch auf der Website des «Projekts Ensemble» zeigt: Tatsächlich gibt es eine Visualisierung des Innenraums des zukünftigen Stadions, auf dem hinter dem einen Tor eine Fankurve zu sehen ist, die pyrotechnisches Material abbrennt. Stimmungsvoll sehen sie aus, die Rauchwolken im neuen Zürcher Fussballtempel. Das Problem: Das Abbrennen von Pyros in Schweizer Fussballstadien ist nicht erlaubt.
Auf der Website des «Projekts Ensemble» ist als Ansprechpartnerin für die Medien eine Firma mit Sitz in unmittelbarer Nähe des Zürcher Paradeplatzes angegeben. Laut Website ist das Unternehmen «eine Beratungsgemeinschaft aus unabhängigen Partnern». Zu den Partnern gehören: Eine alt Bundesrätin, zwei ehemalige bundesrätliche Kommunikationschefs, der frühere Chefredaktor einer führenden Schweizer Zeitung, ein Ex-Sonderbotschafter. Allesamt Profis im Umgang mit den Medien, auch bei heiklen Themen.
Eine Mitarbeiterin nimmt das Telefon ab und hört sich das Anliegen des Journalisten an. Sie bittet zunächst um eine Beschreibung, wo genau auf der Homepage das betreffende Bild zu finden ist. Daraufhin erklärt sie, die Anfrage für «ein bisschen gesucht» zu halten. Dennoch verspricht sie, dass sich der zuständige Partner am Nachmittag melden werde.
Noch ist keine Antwort eingetroffen. Der Journalist ruft erneut an, um sich zum Stand der Abklärungen zu informieren. Die Mitarbeiterin erklärt, heute könne man keine Antwort mehr liefern. Man müsse erst beim Unternehmen, das die Visualisierungen erstellt habe, die «Originaldaten der Bilder» abklären.
Der Journalist ist perplex: Er möchte nur wissen, warum auf einem Bild der Stadionbefürworter Pyros zu sehen sind. Die Mitarbeiterin sagt, ohne die Originaldaten könne man das nicht mit Sicherheit sagen: «Es könnte auch verpixelter Lichteinfall sein oder verpixelte Köpfe. Bis jetzt sehen wir ja einfach mal Pixel.» Die Diskussion entgleitet etwas.
Der Journalist ist leicht überfordert damit, dass eine andere Person bei der Betrachtung des gleichen, eindeutigen Bildes von Pyrotechnik etwas anderes zu sehen glaubt. Er fragt noch einmal, ob die Beantwortung der einfachen Frage, wieso die Stadionbefürworter ein Bild mit Pyros verwenden, noch im Laufe des Nachmittags möglich ist. Die Mitarbeiterin zeigt kein Verständnis für das Bestehen auf dieser Frist. Für eine «kompetente Beantwortung» müsse man erst die Originale der verwendeten Fotos kennen. Dafür brauche es zunächst eine Rücksprache mit den Urhebern. Es sei unklar, bis wann das möglich ist, aber sicher erst am nächsten Tag.
Wenn der Journalist diese Frist nicht akzeptiere, verlange sie, mit einem Vorgesetzten zu sprechen. Der Journalist zeigt sich verwundert über diesen Schritt. Zur Deeskalation der Situation schlägt er vor, die Anfrage nochmals schriftlich per Mail zu schicken und verbleibt mit der Erwartung, dass bis am nächsten Morgen um 10 Uhr eine Rückmeldung vorliegt. Die Mitarbeiterin versichert, alles dafür zu tun, sie könne aber nichts versprechen. Die Vorgesetzten bleiben vorerst unbehelligt.
Die angekündigte «kompetente Beantwortung» trifft früher als erwartet ein. Um 16:38 Uhr landet ein E-Mail im Posteingang des Journalisten. Zunächst wird ihm für seine Geduld gedankt.
Dann kommt das Eingeständnis: «Wir haben inzwischen die Aufnahmen mit dem Lieferanten der Renderings geprüft. Diese werden u.a. mit echten Stockbildern animiert. Auf zwei dieser Aufnahmen sind im Rendering in der Tat Rauchschwaden zu sehen, die mutmasslich durch das Abbrennen von Pyros entstanden sind.» Die auf den Visualisierungs-Pixel zu sehenden Pyros sind also offenbar auch auf den Original-Pixeln zu finden. Es handle sich um «einen Fauxpas bei der handwerklichen Umsetzung einer bildlichen Animation». Das sei ärgerlich, könne aber passieren.
Man verspricht Besserung: «Wir haben das entsprechend beim Lieferanten moniert und werden die Fotos natürlich austauschen. Danke für Ihren Hinweis.» Die beim «Projekt Ensemble» involvierten Partner – insbesondere die Fussballvereine GC und FCZ distanzieren sich «in aller Form von jeglicher Gewalt inner- und ausserhalb des Stadions».
Der fehlbare Lieferant der Renderings hat sein Missgeschick wieder gutgemacht. Auf der Website des «Projekts Ensemble» sind neu überarbeitete Bilder zu sehen. Die Rauchschwaden sind verschwunden.