Schweiz
Sport

Befürworter des Zürcher Stadions werben mit Pyro-Bildern

Die weissen Formen hinter dem Tor könnten natürlich auch verpixelte Gesichter oder Lichteinfall sein.
Die weissen Formen hinter dem Tor könnten natürlich auch verpixelte Gesichter oder Lichteinfall sein.Bild: projekt-ensemble.ch

Die Befürworter des Zürcher Stadions werben mit Pyro-Bildern

Im November stimmt Zürich über ein neues Fussballstadion ab. Auf der offiziellen Website des Projekt wird das Stadion mithilfe einer Fankurve visualisiert, in der Pyros gezündet werden. Auf eine Anfrage von watson reagierte die verantwortliche PR-Agentur eigenwillig.
31.08.2018, 06:4331.08.2018, 16:00
Mehr «Schweiz»

Mittwoch 29.8.
8:45 Uhr – HINWEIS

Eine Arbeitskollegin hat von einem Freund einen Tipp erhalten. Das «Projekt Ensemble», wie die auf dem Hardturm-Areal geplante Überbauung inklusive Fussballstadion heisst, habe ein heikles Bild auf seiner Website publiziert. Auf der Visualisierung des neuen Stadions seien Pyros zu sehen.

Sicher, das ist kein Riesenskandal, keine Staatsaffäre. Aber, sollte sich der Hinweis bewahrheiten: Eine wahrlich ungeschickte Bildwahl mitten in einem schwierigen Abstimmungskampf, in einer Stadt, wo Fangewalt immer wieder Thema ist. Man kann der Sache auf jeden Fall mal nachgehen.

10:00 Uhr – ÜBERPRÜFEN

Ein Besuch auf der Website des «Projekts Ensemble» zeigt: Tatsächlich gibt es eine Visualisierung des Innenraums des zukünftigen Stadions, auf dem hinter dem einen Tor eine Fankurve zu sehen ist, die pyrotechnisches Material abbrennt. Stimmungsvoll sehen sie aus, die Rauchwolken im neuen Zürcher Fussballtempel. Das Problem: Das Abbrennen von Pyros in Schweizer Fussballstadien ist nicht erlaubt.

11:00 Uhr – NACHFRAGE

Auf der Website des «Projekts Ensemble» ist als Ansprechpartnerin für die Medien eine Firma mit Sitz in unmittelbarer Nähe des Zürcher Paradeplatzes angegeben. Laut Website ist das Unternehmen «eine Beratungsgemeinschaft aus unabhängigen Partnern». Zu den Partnern gehören: Eine alt Bundesrätin, zwei ehemalige bundesrätliche Kommunikationschefs, der frühere Chefredaktor einer führenden Schweizer Zeitung, ein Ex-Sonderbotschafter. Allesamt Profis im Umgang mit den Medien, auch bei heiklen Themen.

Eine Mitarbeiterin nimmt das Telefon ab und hört sich das Anliegen des Journalisten an. Sie bittet zunächst um eine Beschreibung, wo genau auf der Homepage das betreffende Bild zu finden ist. Daraufhin erklärt sie, die Anfrage für «ein bisschen gesucht» zu halten. Dennoch verspricht sie, dass sich der zuständige Partner am Nachmittag melden werde.

So soll der neue Hardturm aussehen: Das «Projekt Ensemble»

1 / 9
So soll der neue Hardturm aussehen: Das Projekt Ensemble
Das Zürcher Stimmvolk hat mit 53,8 Prozent Ja zum neuen Stadion gesagt: Beim Projekt Ensemble von HRS Investment AG, Immobilienanlagegefässe der Credit Suisse und die Allgemeine Baugenossenschaft Zürich (ABZ) werden ein Fussballstadion für 18'500 Zuschauer, zwei Wohn- und Geschäftstürme sowie 174 Genossenschaftswohnungen gebaut.
Auf Facebook teilenAuf X teilen

15:30 Uhr – DESINFORMATION

Noch ist keine Antwort eingetroffen. Der Journalist ruft erneut an, um sich zum Stand der Abklärungen zu informieren. Die Mitarbeiterin erklärt, heute könne man keine Antwort mehr liefern. Man müsse erst beim Unternehmen, das die Visualisierungen erstellt habe, die «Originaldaten der Bilder» abklären.

Der Journalist ist perplex: Er möchte nur wissen, warum auf einem Bild der Stadionbefürworter Pyros zu sehen sind. Die Mitarbeiterin sagt, ohne die Originaldaten könne man das nicht mit Sicherheit sagen: «Es könnte auch verpixelter Lichteinfall sein oder verpixelte Köpfe. Bis jetzt sehen wir ja einfach mal Pixel.» Die Diskussion entgleitet etwas.

15:45 Uhr – ESKALATION

Der Journalist ist leicht überfordert damit, dass eine andere Person bei der Betrachtung des gleichen, eindeutigen Bildes von Pyrotechnik etwas anderes zu sehen glaubt. Er fragt noch einmal, ob die Beantwortung der einfachen Frage, wieso die Stadionbefürworter ein Bild mit Pyros verwenden, noch im Laufe des Nachmittags möglich ist. Die Mitarbeiterin zeigt kein Verständnis für das Bestehen auf dieser Frist. Für eine «kompetente Beantwortung» müsse man erst die Originale der verwendeten Fotos kennen. Dafür brauche es zunächst eine Rücksprache mit den Urhebern. Es sei unklar, bis wann das möglich ist, aber sicher erst am nächsten Tag.

Wenn der Journalist diese Frist nicht akzeptiere, verlange sie, mit einem Vorgesetzten zu sprechen. Der Journalist zeigt sich verwundert über diesen Schritt. Zur Deeskalation der Situation schlägt er vor, die Anfrage nochmals schriftlich per Mail zu schicken und verbleibt mit der Erwartung, dass bis am nächsten Morgen um 10 Uhr eine Rückmeldung vorliegt. Die Mitarbeiterin versichert, alles dafür zu tun, sie könne aber nichts versprechen. Die Vorgesetzten bleiben vorerst unbehelligt.

Wehmütige Bilder aus dem Hardturm

1 / 19
Wehmütige Bilder aus dem Hardturm
Das Hardturmstadion im Jahr 1925.
(Fotograf: Mittelholzer, Walter)
Auf Facebook teilenAuf X teilen

16:38 Uhr – AUFLÖSUNG

Die angekündigte «kompetente Beantwortung» trifft früher als erwartet ein. Um 16:38 Uhr landet ein E-Mail im Posteingang des Journalisten. Zunächst wird ihm für seine Geduld gedankt.

Dann kommt das Eingeständnis: «Wir haben inzwischen die Aufnahmen mit dem Lieferanten der Renderings geprüft. Diese werden u.a. mit echten Stockbildern animiert. Auf zwei dieser Aufnahmen sind im Rendering in der Tat Rauchschwaden zu sehen, die mutmasslich durch das Abbrennen von Pyros entstanden sind.» Die auf den Visualisierungs-Pixel zu sehenden Pyros sind also offenbar auch auf den Original-Pixeln zu finden. Es handle sich um «einen Fauxpas bei der handwerklichen Umsetzung einer bildlichen Animation». Das sei ärgerlich, könne aber passieren.

Man verspricht Besserung: «Wir haben das entsprechend beim Lieferanten moniert und werden die Fotos natürlich austauschen. Danke für Ihren Hinweis.» Die beim «Projekt Ensemble» involvierten Partner – insbesondere die Fussballvereine GC und FCZ distanzieren sich «in aller Form von jeglicher Gewalt inner- und ausserhalb des Stadions».

Donnerstag 30.8.
10:00 Uhr – KORREKTUR

Das neue Bild: Keine Rauchschwaden mehr.
Das neue Bild: Keine Rauchschwaden mehr.Bild: projekt-ensemble.ch

Der fehlbare Lieferant der Renderings hat sein Missgeschick wieder gutgemacht. Auf der Website des «Projekts Ensemble» sind neu überarbeitete Bilder zu sehen. Die Rauchschwaden sind verschwunden.

Was siehst du auf dem Bild unten?
Das alte Bild und die rätselhaften weissen Pixel.
Das alte Bild und die rätselhaften weissen Pixel.Bild: projekt-ensemble.ch
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
71 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
ManuJot
31.08.2018 07:15registriert Februar 2014
Hallo lieber Christoph. Spannender Artikel. Aber: Warum setzt du das Abbrennen von Pyro mit Gewalt gleich? Danke für eine Beantwortung bis 10 Uhr 😉
67372
Melden
Zum Kommentar
avatar
elco
31.08.2018 07:05registriert Februar 2016
Sonst habt ihr aber keine Probleme...? dann ist es ja gut.
51662
Melden
Zum Kommentar
avatar
felixJongleur
31.08.2018 07:11registriert Dezember 2014
Auf die Gefahr hin das ich wegen eines kritischen Kommentars erneut nicht freigegeben werde: Das ist jetzt etwas bünzlig und eines Mediums, dass sich u.a. dem Fussball und den damit verbundenen Emotionen verschrieben hat, unwürdig.
44069
Melden
Zum Kommentar
71
Hirscher über sein Comeback: «Ich will nicht, dass man für mich Ausnahmeregeln macht»
Heute Morgen ging die Nachricht eines spektakulären Comebacks durch die Sportwelt. Marcel Hirscher, 67-facher Weltcupsieger, kehrt in den Ski-Weltcup zurück, wobei er künftig für den niederländischen Verband antreten wird. Nun meldete sich der Österreicher zu Wort.

Fünf Jahre sind vergangen, seit Marcel Hirscher 2019 seine Skischuhe an den Nagel gehängt hatte. Am Mittwochmorgen wurde bekannt, dass der Österreicher ein Comeback auf die nächste Saison hin plant. Nun äusserte sich der achtfache Gesamtweltcup-Sieger über seine Rückkehr in den Skizirkus.

Zur Story