1983 geriet der Financier Florent Ley-Ravello, Vizepräsident und «grosszügiger Mäzen» (NZZ) des Fussballklubs Lausanne-Sports, ins Visier der Römer Staatsanwaltschaft. Diese war auf Verbindungen des Italo-Schweizers zu Domenico Balducci gestossen. Der Mafioso Balducci wurde 1981 in Rom erschossen, weil er Geld abzweigte, das der sizilianischen Cosa Nostra gehörte und von Boss Giuseppe «Pippo» Calò verwaltet wurde.
Laut italienischen Ermittlern gab es «zwischen Giuseppe Calò und Fiorenzo Ley-Ravello Beziehungen wirtschaftlicher Art», die schwergewichtig über Balducci liefen. Ley-Ravello, der in Rom wegen Mafia-Komplizenschaft angeklagt wurde, behauptete, er sei selbst von der Mafia betrogen worden. Balducci habe ihm immer gesagt, er handle im Auftrag von Dritten, «deren Identität mir komplett unbekannt ist». Fiorenzo Ravello, wie er ursprünglich eigentlich hiess, wurde freigesprochen.
Dass über Ravello viel Geld in den Fussball floss, war ein offenes Geheimnis. So sagte der ehemalige Spitzenfussballer Andy Egli 1992 in der Wirtschaftszeitung «Cash» im Zusammenhang mit dem Bauunternehmer Gilbert Facchinetti, dem Präsidenten von Neuenburg Xamax: «Facchinetti hatte nicht nur Erfolg, weil er ein Besessener des Fussballs ist, sondern auch, weil er potente Geldgeber wie zum Beispiel vor einigen Jahren Florent Ley-Ravello im Rücken hatte.»
Xamax wurde 1987 und 1988 Schweizer Meister. Das war die Zeit, in der Fussballer in der Schweiz mehr verdienen konnten als in Deutschland, wie sich ein ehemaliger Profi erinnert. Viel Geld kam von Bauunternehmern, aus dem Immobiliengeschäft. Damalige Stars wie Uli Stielike, der von Real Madrid kam, wechselten zu Xamax. «Fussball ist das Tummelfeld für Leute mit viel Geld», sagte Egli schon 1992.
Heute sind noch viel mehr Leute mit viel mehr Geld im Spiel. Kriminelle Clans, dubiose Geschäftsleute und Regimes stopfen Unsummen in den Sport, um Geld zu waschen, das illegale Geschäft zu befördern und gleichzeitig den Ruf aufzupolieren.
Im letzten April sagte Andreas Stenger, Chef des Landeskriminalamts von Baden-Württemberg, der Deutschen Presseagentur: «Sie müssen nur den Sportverein sponsern, schon sind Sie bestens verdrahtet in der Gemeinschaft.» Die Mafia unterwandere die Gesellschaft «wie ein Krake», sagte Stenger, nehme Einfluss auf das wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische Leben.
Willige Helfer finden die Geldwäscher und Betrüger immer wieder in der hiesigen Sportszene, die nur zu gerne die Augen verschliesst: Spielerberater und Manager, Präsidenten und ehemalige Spieler. Geld und Geltung ist ihnen Antrieb.
Die EU sieht Handlungsbedarf und will jetzt entschlossener gegen Sport-Geldwäsche vorgehen: Ab 2029 müssen Profivereine und Spielervermittler verdächtige Transaktionen melden. Die grössten Risiken liegen laut Einschätzung der EU bei Geschäften mit Sponsoren und Investoren, aber auch bei Spielertransfers. Überall, wo grosse Geldsummen fliessen.
Tief blicken lässt der Fall des Türken Ertan Y. (Name geändert), 36, der in Basel zu gut 12 Jahren Haft verurteilt wurde. Unter anderem wegen Anlagebetrug und illegalem Glücksspiel, illegalem Waffenbesitz, Geldwäscherei, Bestechung, Vergewaltigung einer Minderjährigen.
Der Ex-Hells Angel war nicht nur mit der Türken-Mafia verdrahtet, sondern auch mit der helvetischen Fussball-Szene. Er trat als Spielerberater in der Agentur eines Schweizer Agenten auf und verfügte über Kontakte zu Grössen wie Breel Embolo, Granit Xhaka oder Nati-Trainer Murat Yakin. Embolo und Yakin händigten dem Schwerkriminellen sogar Luxusuhren der Marke Rolex aus, damit dieser sie verkaufe.
Bezeichnend ist, dass Ertan Y. auch bei der Zahlkarte Antepay mitverdiente, hinter der eine türkisch-schweizerische Bande steht und die für illegales Geldspiel verwendet wurde. Die Zahlkarte wurde national bekannt, weil sie 2019 und 2020 als Hauptsponsor des FC Zürich auftrat. Der Ex-Hells war «Reseller», also zuständig für eine Reihe von Shops und Verkaufsstellen im kriminellen Netz.
Die Bande hinter Antepay erzielte ab Januar 2019 laut Zürcher Staatsanwaltschaft mit illegalem Geldspiel «Einnahmen in der Höhe von CHF 324 Millionen». 171 Millionen waren Reingewinn. Knapp 2 Millionen Franken gingen als geschäftsförderndes Sponsoring an den FCZ ab.
Ein erster von fünf angeklagten türkischstämmigen Führungsleuten wurde Anfang Juli in Zürich verurteilt. Er war IT-Chef des Clans und kam gnädig davon: Drei Jahre Haft, nur sechs Monate davon unbedingt, und die hat er mit 231 Tagen Untersuchungshaft mehr als abgesessen.
Weitere Verfahren folgen, auch das gegen den mutmasslichen Hauptdrahtzieher. Er liess sich in einem anderen Verfahren einst von einem der dubiosen Anwälte vertreten, die im Clan-Report immer wieder vorkommen.
Weder FCZ-Präsident Ancillo Canepa noch die Sportvermarktungsfirma InfrontRingier, die den Sponsor-Deal einfädelte, wollen im Fall Antepay Verdacht geschöpft haben. Dies machten sie gegenüber SRF investigativ und der Plattform reflekt.ch deutlich, die zuerst über die Affäre berichtet hatten. Aber insgesamt scheint eine Szene am Werk, die sich seit Jahren kennt.
Im Fall Antepay tauchen weitere Personen auf. Etwa Giancarlo Tottoli, Gründer und Verwaltungsrat der DSCnet AG, die als Herausgeberin der Karte fungierte. Er war es, der 2019 öffentlich als Vertreter des Sponsors Antepay auftrat.
Aus dieser Zeit, von Anfang 2020, stammt auch das Selfie von Murat Yakin, damals Trainer des FC Schaffhausen, das ihn mit dem Ex-Hells, dem besagtem Spielerberater, dem Schaffhausen-Präsidenten Roland Klein und Tottoli von Antepay zeigt.
2023 ging der FC Schaffhausen selber einem kriminellen Hauptsponsor auf den Leim: der Berformance Group des Deutschen Christian Lux. Im Mai 2024 wurden Lux und Konsorten in einer internationalen Polizeiaktion festgenommen. Das Verfahren wegen banden- und gewerbsmässigem Betrug führt die Staatsanwaltschaft in Thüringen (D). Es geht um die Vermittlung von «Schein-Anlageprodukten in Kryptowährungen». Deliktsumme: Über 100 Millionen. Wie CH Media Anfang 2024 schrieb, kam die dubiose Partnerschaft «im Sommer 2023 über das Umfeld des früheren FCS-Coaches Murat Yakin zustande».
In Schaffhausen ist heute Jimmy Berisha als Präsident am Ruder. Er war im April auf Investor- oder Käufersuche bei einem saudischen Prinzen. Zuvor war Berisha bei den Grasshoppers Zürich bereits daran beteiligt, den Klub an Chinesen zu verkaufen. Dem «Blick» sagte Berisha: «Es ist Realität, dass sich in Europa kaum mehr ein Investor finden lässt, denn es ist bei uns im Moment kein Return of Investment zu erwarten.»
Zur Szene um Antepay gehört der Fall des Besitzers einer türkischen Imbissstube im Langstrassenquartier, der im April in Zürich als Drogen- und Mafia-Geldwäscher verurteilt wurde. Innerhalb von drei Jahren habe er gegen Provision über 10 Millionen Franken gewaschen. Einer seiner grossen Kunden, die das Geld in Tragtaschen bei ihm abgaben, war der türkische Boss der Antepay-Connection.
In einem Manifest im Internet wurde dem Imbiss-Besitzer kürzlich vorgeworfen, er spiele eine «tragende Rolle in den Finanzgeschäften der AKP in der Schweiz». Dass er also für die Partei des türkischen Präsidenten Erdogan Geld wasche. Die Szene tue dies nicht nur mit legalem Verkauf von Lebensmitteln, sondern auch «mit dubiosen Spiel- und Wettgeschäften».
Der mit Antepay verhängte Ex-Hells-Angel Ertan Y. ist über Bekannte auch verbunden mit dem türkischen Waffen- und Drogen-Mafioso Baris Boyun, der in Italien in Haft sitzt. Mehrere von Boyuns Handlangern wurden in der Schweiz verhaftet; sie sind hier sehr aktiv, unter anderem in der Gastro-, Lebensmittel- und Immobilienszene.
Über den Fussball vernetzt sich auch jene Struktur, die hinter einem rumänischen Strohmann steht, der kürzlich in St. Gallen per Strafbefehl verurteilt wurde. Im Sponsoring in unteren Schweizer Ligen ist eine Treuhand-Firma aktiv, die unter anderem in systematischen Sozialbetrug auf dem Bau verwickelt ist. Akteure mit Balkanhintergrund arbeiten hier Hand in Hand mit Schweizern. Das Netzwerk ist auch in Geschäftsfeldern wie Investmentbetrug, illegales Glücksspiel, Geldwäscherei, Menschenhandel aktiv.
Das zeigte sich 2021, als die italienische Finanzpolizei in fünf Ländern, darunter der Schweiz, elf Personen verhaftete. Es ging um bandenmässigen Millionenbetrug und Geldwäscherei. Aus Zürich heraus operierten zwei Sizilianer. Support gab es von dubiosen Schweizer Firmengründern, die auch in der Zürcher Fussballszene auftauchten.
Ein Sprecher des Landeskriminalamts Stuttgart, das der Sport-Geldwäsche verstärkt den Kampf ansagt, spricht von «kriminellen Netzwerken, die in diversen Deliktsfeldern in Erscheinung treten». Sie passten «ihre Methoden flexibel an die unterschiedlichen rechtlichen und wirtschaftlichen Gegebenheiten der betroffenen Länder an». Dabei würden «häufig legale Geschäftsstrukturen, mitunter Sportvereine, genutzt, um illegale Aktivitäten zu verschleiern und inkriminierte Gewinne aus Straftaten vermeintlich zu legalisieren».
Als Sponsor im Schweizer Fussball fallen auch mindestens zwei Unternehmen auf, deren Chefs Balkanhintergrund haben. Sie sind im Immobilien- und Bausektor sowie im Finanz- und Gastrogeschäft. Vor einigen Jahren aus dem Nichts entstanden, wuchsen solche Firmen sehr schnell, vernetzten sich auch in der heimischen Politik und der Sportszene. Unter anderem gibt es auch Bezüge zur Szene, die hinter Antepay stand.
Immer dabei: Schweizer Anwälte und Treuhänder, die permanent im Zusammenhang mit dubiosen Strukturen oder mafiösen Akteuren auffallen.
Auffallend ist bei einigen dubiosen Sponsoren die Nähe zu politischen Akteuren in ihrer früheren Heimat. Bei Akteuren mit Balkan-Hintergrund fällt die Nähe zu umstrittenen Politikern wie beispielsweise Ramush Haradinaj auf. Der Ex-Premier des Kosovo ist mit Ablegern seiner nationalistischen Gruppierung AAK aktiv in der Schweiz, wo er ab 1989 lebte. Im Kosovo-Krieg war er einer der Kommandanten der nationalistischen Befreiungsorganisation UCK. Später kam er wegen Kriegsverbrechen zweimal vor das Haager Tribunal, wurde aber zweimal freigesprochen.
Chefanklägerin Carla del Ponte sagte 2007 dem «Spiegel»: «Im Prozess gegen Haradinaj laufen mir die Zeugen davon. Sie werden massiv bedroht.» Einige kamen bei «Unfällen» zu Tode. 2007 schrieb die «Berliner Zeitung»: Haradinaj sei laut dem Bundesnachrichtendienst BND und der Nato-geführten Schutztruppe Kfor einer «der wichtigsten Paten der albanischen Mafia im Kosovo». Laut BND betätige sich die Gruppe «im Drogen- und Waffenschmuggel und im illegalen Handel mit zollpflichtigen Waren». Offiziell belegt wurden die Vorwürfe nie. Heute hält sich Haradinaj, der eine Art Heldenstatus geniesst, immer wieder in der Schweiz auf, wo er sein weites Netzwerk pflegt.
Bisher interessierte sich die Schweizer Politik nicht sonderlich für Themen wie Geldwäscherei über Transfers und Sponsoring. Noch 2019 lehnte der Bundesrat eine Motion des damaligen SVP-Nationalrats Sebastian Frehner (BS) ab, die gesetzgeberische Massnahmen verlangte, damit «der Transferhandel im Fussball der organisierten Kriminalität entzogen werden kann». Aber der Bundesrat befand: Das bestehende rechtliche Instrumentarium reiche aus. Das Wort «Geldwäscherei» taucht in seiner Antwort gar nicht erst auf. Frehner wurde abgewählt, die Motion (sie war von Mitgliedern der SP, der Grünen und der Mitte mitunterzeichnet worden) zurückgezogen.
Es gilt die Unschuldsvermutung. (aargauerzeitung.ch)
Für Amis, Chinesen, Saudis: ist ein Investmen ohne a Return kein Problem? Wohl kaum, das ROI ist eben was Anderes. Fragt sich nur was?