Es ist immer dasselbe: Kaum spricht man von Anpassungen bei der Besteuerung von Superreichen, drohen diese, das Land zu verlassen und ihre Millionen Franken an Steuern anderswo zu bezahlen.
Geschehen ist das erst kürzlich: Weil der 3,5 Milliarden Franken schwere Unternehmer Peter Spuhler Angst hat vor der Annahme der Erbschaftssteuer-Initiative der Jungsozialisten, denkt er laut über den Wegzug aus der Schweiz nach. Seine Begründung: Sollte sein Erbe nach seinem Ableben zu 50 Prozent besteuert werden, wie es die Initiative fordert, müssten seine Nachkommen seine Firma Stadler Rail AG verkaufen. Spuhler ist mit seiner ablehnenden Haltung nicht alleine.
Gemäss einer Umfrage des Beratungsunternehmens PWC geben acht von zehn der betroffenen Unternehmerfamilien an, keine ausreichenden flüssigen Mittel zu haben, um die anfallende Erbschaftssteuer zu bezahlen. Mehr als die Hälfte denkt deshalb über einen Wegzug nach. Doch wie kann man das verhindern?
watson hat mit zwei Ökonomen verschiedene Lösungsansätze angeschaut, wie man Superreiche besteuern kann, ohne dass diese in Massen das Land verlassen. Spoiler: Es ist ein Mix aus verschiedenen Lösungen. Doch zuerst dazu, wie die Erbschaftssteuer-Initiative der Juso anders aussehen müsste.
Die Jungpartei fordert, dass alle Erbschaften über 50 Millionen Franken zu 50 Prozent besteuert werden. Damit vererbte Familienunternehmen nicht gezwungen werden, in diesem Fall die Firma verkaufen zu müssen, bringt Florian Scheuer, Direktor des Instituts für Volkswirtschaftslehre an der Universität Zürich, einen Vorschlag: «In Deutschland gibt es die Stundung, bei der man die Steuerlast über 20 Jahre verteilt abbezahlen kann. Das wäre auch in der Schweiz eine Option und so könnten Familien ihre Unternehmen behalten.»
Scheuer findet eine nationale Erbschaftssteuer grundsätzlich interessant, da sie die Chancengleichheit fördert. Er hinterfragt jedoch, ob der Steueransatz von 50 Prozent nicht zu extrem sei. «In der Finanzwissenschaft gibt es die Laffer-Kurve, die eine Obergrenze definiert, über die man nicht hinausgehen sollte, da sonst die Steuereinnahmen wegbrechen, weil alle wegziehen. Je höher der Steuersatz ist, desto höher sind die Abwanderungseffekte von Superreichen», sagt er.
Kritisch beurteilt die 50-Prozent-Marke auch der Wirtschaftsprofessor Marius Brülhart von der Universität Lausanne. Er sagt zu watson: «Eine interessante Frage ist: Mit welchem Erbschafts-Steuersatz würde die Schweiz am meisten Einnahmen erreichen? Für Frankreich und die USA gibt es wissenschaftliche Berechnungen mit Steuersätzen von über 50 Prozent. Doch auf die Schweiz ist das kaum übertragbar, da wir eine kleine offene Wirtschaft sind und es einfacher ist, hier wegzuziehen als aus den USA.» In der Schweiz müsse man bei einer 50-prozentigen Besteuerung mit einem starken Anstieg an Wegzügen von Superreichen rechnen. Doch die internationale Forschungsliteratur beschreibe diesen Effekt bei einer moderaten Anpassung geringer. Eine Prognose, welcher Steuersatz in der Schweiz angemessen wäre, möchten die beiden Ökonomen nicht wagen.
Einen Vorschlag, wie hoch die Besteuerung sein soll, machte ein Multimillionären-Erbe kürzlich im «Tages-Anzeiger». Tobias Rihs, der Sohn des verstorbenen Sonova-Unternehmers Andy Rihs, hat über 150 Millionen Franken geerbt und spricht sich für einen Erbschafts-Steuersatz zwischen 10 und 15 Prozent aus. «Aber er müsste progressiv sein, bei grösseren Erbschaften könnte der Prozentsatz höher ausfallen», sagte er zur Zeitung.
Mit dieser Zahl wäre man im Bereich von einigen US-Bundesstaaten, deren Erbschafts-Steuersätze zwischen 0 und 16 Prozent variieren. Bei den Staaten mit höheren Sätzen wanderten rund 30 Prozent der Superreichen ab. Dieser Wert wäre bereits kleiner als die Hälfte der Superreichen, die in der PWC-Umfrage angaben, bei der Juso-Erbschaftssteuer-Initiative das Land zu verlassen.
Ein anderer, viel diskutierter Lösungsansatz für die Besteuerung von Superreichen ist die Vermögenssteuer. Die Schweiz ist neben Norwegen und Spanien einer von drei Mitgliedstaaten in der OECD, die eine umfängliche und progressive Vermögenssteuer für Privatpersonen haben. Die Zuständigkeit obliegt den Kantonen, die sehr unterschiedliche Steuersätze kennen: von 0,2 bis 1 Prozent. Am günstigsten kommen Superreiche in den Kantonen Nid- und Obwalden sowie in Zug und Schwyz weg. Im Jahr 2021 wurden über alle Kantone knapp neun Milliarden Franken durch die Vermögenssteuer eingenommen.
Wie die Erbschaftssteuer begünstigt aber auch die Vermögenssteuer den Auswanderungstrend der Superreichen, wie das Beispiel Norwegen zeigt. Im skandinavischen Land wurden 2022 die Spitzensteuersätze auf Vermögen von 0,85 auf 1,1 Prozent erhöht. Seither haben sich über 70 norwegische Millionäre und Milliardäre in die Schweiz abgesetzt. Doch man müsse diese Zahl relativieren, sagt Marius Brülhart. «Die Frage ist: Wie viele zügeln ihr Geld ins Ausland und wie viele bleiben und bezahlen die höheren Steuern?» In Norwegen sei man der Auffassung, dass der Staat die Steuereinnahmen seither erhöhen konnte – trotz der Abwanderung Dutzender Superreichen. Schliesslich leben in Norwegen 236’000 Millionäre. (In der Schweiz leben 374’000 Millionäre, weltweit sind es 58 Millionen Menschen).
«Die Vermögenssteuern in der Schweiz sind nicht extrem hoch im Vergleich zu den Erträgen, die Menschen mit so grossen Vermögen erzielen können», findet Florian Scheuer. Eine progressive, nationale Vermögenssteuer sei eine Option, über die man nachdenken müsse, sagt der Ökonom. Auch Marius Brülhart sieht bei der Vermögenssteuer Luft nach oben, nachdem sie in den letzten Jahren in vielen Kantonen gesenkt wurde. Gleichzeitig macht er darauf aufmerksam, dass die Vermögensbestandteile sehr oft unter ihrem wirklichen Wert besteuert werden. Deshalb würden Pauschalbesteuerte in der Regel ärmer ausfallen, als sie wirklich seien. Auch Immobilienvermögen würden systematisch zu tief bewertet.
Brasilien hat als Mitglied der G20-Staaten einen Vorschlag eingebracht, Milliardäre global zu besteuern. Als Grundlage dienten die Berechnungen des Ökonoms Gabriel Zucmans, der das Vermögen der rund 3000 Milliardäre der Welt zu zwei Prozent besteuern möchte. Global sollten durch diese Steuer jährlich 250 Milliarden US-Dollar zusätzlich eingenommen werden. «Es gibt Vorteile, die Vermögensbesteuerung international zu koordinieren. Wenn ein Land nicht mitmachen will, können die anderen Länder diese Steuern eintreiben, wie das bereits bei der OECD-Mindeststeuer für Grosskonzerne gilt», sagt Florian Scheuer. Ob der Vorschlag realistisch sei, sei schwierig einzuschätzen, weil die USA wenig Interesse daran hätten. «Mit der neuen Labour-Regierung in Grossbritannien könnte aber etwas Bewegung in die Sache kommen», sagt er.
Auch Marius Brülhart schätzt die politischen Chancen als schwierig ein. Doch:
Im Bordeuax mussten z.B. viele Weingüter aus Privatbesitz an reiche Ausländer (sehr häufig Chinesen) verkauft werden, weil die Steuern nicht bezahlt werden konnten !
Wie schon oft angetönt, es braucht keine neuen Steuern, wir müssen die Schlupflöcher stopfen, sodass alle ihren fairen Anteil zahlen !