Die Nummer 164 war die Dampfeisenbahn des Medienzeitalters. 1955 ist diese Institution gegründet worden. Zu einer Zeit, als Telefon und Post unter dem Kürzel PTT noch staatliche Institutionen waren. Auf einem meist dreiminütigen Band waren per Telefonanruf – Nummer 164 – die neusten Resultate rund um die Uhr abrufbar. Und zwar weltweit. Die Nummer 164 war bis zur Erfindung des Internets die einzige Möglichkeit, Sportresultate praktisch in Echtzeit zu erfahren. Im Inland und im Ausland. In Amerika oder Afrika oder China.
Die Fachzeitung «Sport» schrieb einst, die Nummer 164 sei eine Tätowierung im Langzeitgedächtnis jedes Sportinteressierten. Die «Sport» gibt es seit mehr als 20 Jahren nicht mehr. Die Filmikone Maximilian Schell sagte über die Kurzwahl 164 einmal: «Das ist die gescheiteste Nummer, die es gibt.» Der 2014 verstorbene Schauspieler war ein sportinteressierter Kosmopolit. Er wählte die 164 regelmässig, es war seine Verbindung zum Universum unseres Sportes, wenn er in Hollywood war. Wo er 1962 mit dem Oscar als bester Hauptdarsteller im Film «Urteil von Nürnberg» ausgezeichnet wurde.
Der Service bescherte der PTT und später der Nachrichtenagentur Sportinformation während Jahren Traumrenditen. In den 1970er und 1980er Jahren – in Zeiten ohne Internet und Hosentelefone – lagen die Zugriffszahlen bei über zehn Millionen Anrufen pro Jahr. Entsprechend entschieden kämpfte die Sportinformation um den Erhalt der Kurzwahlnummer. Schon Mitte der 1990er Jahre sollte die 164 abgeschaltet werden. Eine Intervention beim sportfreundlichen Bundesrat Adolf Ogi – damals Kommunikationsminister – brachte die Wende.
Die Traumwerte aus den 1970er und 1980er Jahren erreichte die Nummer 164 im 21. Jahrhundert in Konkurrenz mit den neuen Informationsquellen bei Weitem nicht mehr. 2008 waren es noch 1,8 Millionen Anrufe und 2022 etwas mehr als 200'000, zu 1 Franken 40 pro Minute. Die Nummer war also für den Betreiber Keystone-SDA (die Sportinformation ist von Keystone-SDA übernommen worden) trotz des massiven Rückganges noch immer sehr rentabel. Das ist erstaunlich in einem Land, in dem 2021 laut dem Bundesamt für Statistik 98 Prozent der Bevölkerung auf einem Mobiltelefon das Internet nutzten. Die Nummer 164 war ein Anachronismus, sozusagen die Dampfeisenbahn der Medienwelt. Aber eben: immer noch rentabel. Und wäre mit ziemlicher Sicherheit noch ein paar Jahre rentabel geblieben. Dampfeisenbahn und Goldesel.
Aber am 1. Januar 2023 ist aus der Nummer 164 die Nummer 0900 164 164 geworden. Nach der Revision des Fernmeldegesetzes ist es nicht mehr erlaubt, Informationsdienste via Kurznummern zu verbreiten. Sie sind heute für Notfalldienste reserviert. Sandro Mühlebach, der innovative Leiter Content-Development bei Keystone-SDA, hatte diese Umstellung noch nicht beunruhigt. Ende Dezember 2022 sagte er dazu gegenüber der NZZ: «Wir verfügen über eine sehr treue Kundschaft. Die Anzahl Anrufe ist noch immer beachtlich, deshalb haben wir uns dafür entschieden, das Angebot in unveränderter Form weiterzuführen. Der Nummernwechsel ist eine grosse Herausforderung. Aber wir hoffen, dass die Kunden dies mitkommen.» Seine Zuversicht war ein Irrtum. Ende Mai verschwindet die Nummer 0900 164 164.
Valentin Oetterli, Teamleiter Sport bei Keystone-SDA, bestätigt auf Anfrage: «Ja, es ist richtig, die Nummer 0900 164 164 wird es bald nicht mehr geben.» Das Datum nennt er nicht. Aber der Zeitpunkt steht fest: Ende Mai ist Schluss. Aus wirtschaftlichen Gründen. Die Kurznummer 164 hatte Keystone-SDA 2022 noch immer über eine halbe Million in die Kasse gespült.
Durch die Umstellung auf die 0900 164 164 sind die Zugriffszahlen nun in den ersten gut drei Monaten dieses Jahres so dramatisch gesunken, dass aus diesem Service ein Verlust resultiert. Denn die Sportabteilung von Keystone-SDA ist für die Aufbereitung des Resultatdienstes zuständig. Trotz Automatisierung ist der Aufwand erheblich. An Tagen mit sportlichem Hochbetrieb ist eine Person voll und ganz mit diesem Service ausgelastet.
Eishochey gab es nur für ein paar Minuten am Samstagabend im Sportpanorama.