Jonas Projer dürfte es zumute gewesen sein, als plane er seine eigene Beerdigung. Und müsste beim Totenmahl erst noch die Hälfte der Tische für seine Feinde reservieren. Die «Arena» zu einer Initiative zu moderieren, die wohl nicht nur das Aus dieser Sendung, sondern gleich der kompletten SRG bedeuten würde, muss als undankbare Aufgabe bezeichnet werden. Doch dazu gleich mehr.
Man werde über No Billag diskutieren «wie über jede andere Vorlage auch», versprach der Moderator zu Beginn. Um dann während der Sendung immer wieder zu den Statistikern in der Regie zu schalten – peinlich darauf bedacht, beiden Seiten gleich viel Redezeit einzuräumen. Fast erinnerte das penible Prozedere an jenes in der Samstagabend-Show «Benissimo», als sich Beni Thurnheer jeweils von einem Notar mit strengem Blick die Echtheit seiner Lose bestätigen liess.
In einem Punkt kannte Projer aber kein Pardon. «Es gibt Pro, es gibt Kontra, und es gibt Fakten», hielt er rund 20 Minuten nach Sendestart fest. Dass es ohne Billag keine SRG mehr gäbe – das sei ein Fakt. Der Vertreter des Schweizerischen Gewerbeverbands, Dieter Spiess, hatte das davor in Abrede gestellt. Dann mache das Parlament bei einer Annahme der Initiative eben ein neues Mediengesetz, meinte er nonchalant.
Laut der Initiative, die in vier Monaten zur Abstimmung kommt, wäre es dem Bund verboten, «in Friedenszeiten» eigene Radio- und Fernsehstationen zu betreiben. Doch auch Mitinitiant Olivier Kessler zeigte sich überzeugt, dass die SRG ohne «Zwangsgebühren» in einer anderen Form weiterbestehen könnte. Die «vielen Menschen», die Schweizer Radio und Fernsehen schauten, würden künftig gewiss auch freiwillig dafür zahlen – «wie bei Netflix oder Pay-on-Demand».
SP-Nationalrätin Edith Graf ermahnte Kessler daraufhin, den Zuschauern «reinen Wein einzuschenken». In der kleinräumigen, viersprachigen Schweiz lohne es sich für Private schlicht nicht, ein solches Angebot zu finanzieren. Der einzige Wirtschaftsraum, der dafür gross genug sei, sei Zürich: «Ich kann mir vorstellen, dass da die Credit Suisse die Sendung ‹Eco› sponsern würde.» Über Abstimmungen im Thurgau, in Solothurn, im Tessin oder in der Romandie berichte dann aber niemand mehr.
Für Graf-Litscher ist klar, dass die SVP von einer solchen Situation profitieren würde. An den Platz der heutigen SRG-Sender träten wohl private Medien, die von einem «Unternehmer von der Goldküste» finanziert seien, meinte die Thurgauerin vielsagend. Diesen Kräften gehe es darum, «mit dem eigenen Parteibuch und gegen die vierte Gewalt» anzutreten.
Der SVP-Vertreter im Studio, Gregor Rutz, stieg nicht darauf ein. Stattdessen versuchte er, sich als gemässigte Kraft zu verkaufen. Die SRG mache «durchaus vieles sehr gut», nur sei sie in den letzten Jahren übermässig stark gewachsen, meinte er. Darum habe er im Parlament für eine Halbierung der Gebühren geworben. Schwarz-Weiss-Denken sei ihm fremd, so Rutz. Den Einwand Projers, dass es am 4. März eben gerade «um alles oder nichts» gehe, ignorierte er dabei geflissentlich.
Kurt Fluri (FDP), der sich bei der Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative einen Namen als SVP-Schreck gemacht hatte, betonte, der Solidaritätsgedanke sei wichtig in der Willensnation Schweiz. Man zahle in der Schweiz eben nicht nur, was man selber konsumiere.
Doch punkto Pathos standen die Initianten ihm um nichts nach. Die Schweiz sei aus einem «freiwilligen Zusammenschluss unabhängiger, freiheitsstrebender Bürger» entstanden, erklärte Olivier Kessler. Um dann flink den Bogen von den damaligen Steuervögten zu den heutigen Billageintreibern zu schlagen.
Kessler hatte an diesem Abend einen gewichtigen Vorteil auf seiner Seite: Er war unter den geladenen Gästen mit Abstand der jüngste. So konnte er das Argument, dass die Generation der Digital Natives kaum mehr klassisches Fernsehen schaut, gefahrlos ausschlachten. Wer am Publikum vorbei sende, verschwinde eben früher oder später vom Markt, analysierte er. Die Einwände von verschiedenen Seiten, dass YouTube keinen gleichwertigen Ersatz darstelle, wirkten in dem Zusammenhang eher hilflos.
So hatte Kessler das Monopol auf die Meinung der Jugend – bis sich ein Student aus dem Publikum in die Diskussion einschaltete. Es sei richtig, dass in dieser «Arena» Gegner und Befürworter miteinander stritten, lobte er. «In Amerika gibt es privat finanzierte Sender, die sind links oder rechts. Die Zuschauer müssen eine Seite auswählen», so der junge Mann aus Fribourg, der sich als Christian Schöpfer vorgestellt hatte. Seine Haltung sei klar: «Wir brauchen einen Sender, der uns gleichzeitig beide Meinungen zeigt. Wenn wir uns für linke oder rechte Sender entscheiden müssen, dann spaltet das unsere Gesellschaft.»
Damit erntete er nicht nur einen Szenenapplaus. Dem Studenten gelang auch, was den Politikern davor über weite Strecken misslungen war: die abstrakte Debatte nicht nur auf den Boden, sondern auch ins 21. Jahrhundert zurückzuholen.