Schweizer Automobilisten stehen immer länger im Stau. 2017 wurden fast 26'000 Staustunden registriert. Der Bund befürchtet, dass sich die Situation ohne Massnahmen weiter verschlimmern könnte.
Deshalb strebt der Bundesrat einen Grossausbau des Schweizer Autobahnnetzes an. Eine neue «Langfristperspektive Nationalstrassen» zielt auf eine markante Verbreiterung der Strassenkapazität, schreibt die NZZ am Sonntag.
Gemäss dem Konzept sollen die Nationalstrassen «innerhalb und zwischen» den grossstädtischen Gebieten «konsequent auf mindestens zweimal drei Spuren» ausgebaut werden. Zu diesem Autobahnnetz der Zukunft gehören auch neue Strecken.
So denkt der Bund daran, die bestehenden Autobahnen etwa um Genf, Lausanne oder Basel «zu einem Ringsystem» auszubauen. Und er stellt in Aussicht, dass zwischen den Grossräumen Bern und Luzern sowie zur Umfahrung der Agglomeration Zürich gänzlich neue Autobahnabschnitte nötig werden. Auch im Tessin soll die Autobahnstrecke zwischen Bellinzona und Chiasso ausgebaut werden.
Die Kapazitätserweiterung würde allerdings einen enormen Aufwand darstellen. Heute sind gerade mal 97 Kilometer der insgesamt 1855 Kilometer Nationalstrasse sechsspurig. Mehr als 70 Prozent der Autobahnen sind vierspurig ausgelegt.
Auf Zuspruch stösst das neue Zukunftsbild bei der Wirtschaft und bei bürgerlichen Verkehrspolitikern. «Ich kann diese Perspektiven nur befürworten, weil es das Ziel sein muss, das Nationalstrassennetz leistungsfähig zu erhalten», sagt Thierry Burkart, FDP-Nationalrat und Vizepräsident des TCS, der NZZ am Sonntag.
Diese Vision sorgt schon jetzt für heftige Kontroversen. «Das ist das grösste Autobahn-Ausbauprogramm der Geschichte, ein Rückfall in die 1970er Jahre, als man ohne Rücksicht auf Luft- und Lärmbelastung Strassen baute», kritisiert Grünen-Präsidentin Regula Rytz.
Der grüne Nationalrat Michael Töngi befürchtet, dass der Ausbau mehr Autoverkehr generieren könnte. Er setzt sich deshalb für eine Verlagerung des Verkehrs auf die Schiene ein. Ähnlich sieht das auch Daniel Costantino, Kampagnenleiter bei Umverkehr: «Bevor man neue Strassen baut, gilt es, die vorhandene Kapazität durch Carpooling oder öffentlichen Verkehr besser zu nutzen.»
Die linken Parteien setzen ihre Hoffnungen nun auf Simonetta Sommaruga. Die neue Vorsteherin des Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) könnte den Ausbau stoppen.
Beim Branchenverband Auto-Schweiz ist man über Sommarugas Departementswechsel besorgt, denn die Bundesrätin ist Mitglied beim Verein Umverkehr, der eine Reduktion des Autoverkehrs anstrebt. SVP-Nationalrat Ueli Giezendanner – ein Befürworter des Individualverkehrs – bezeichnete den Wechsel als «Kathastrophe».
Zunächst wird sich aber der Nationalrat mit der Strasseninfrastruktur beschäftigen. Im März wird über einen Ausbau der Autobahnen für rund 4,6 Milliarden Franken abgestimmt. Laut der NZZ am Sonntag wäre dies der «erste Schritt zur Umsetzung des neuen Leitbildes». Bürgerliche wollen den Kredit sogar noch weiter aufstocken, während die Grünen die Vorlage an den Bundesrat zurückweisen wollen. (vom)