Ein 65-jähriger ehemaliger Priester muss sich seit Mittwoch vor dem Kantonsstrafgericht in Lugano wegen sexueller Nötigung und sexuellen Handlungen mit Minderjährigen verantworten. Er soll eine heute 29-Jährige während ihrer Kindheit wiederholt missbraucht haben.
Während seiner Aktivität als Priester und Religionslehrer im Tessin soll der Angeklagte darüber hinaus seine Schüler unsittlich berührt haben, wie aus der Anklageschrift hervorgeht. Um sich ihnen zu nähern, habe er sie eingeladen, zu ihm nach Hause zu kommen, um den Computer zu nutzen.
Besonders schwer wiegen die Vorwürfe der wiederholten sexuellen Nötigung eines damals 12-jährigen Mädchens, das er bereits aus seiner Zeit als Religionslehrer kannte.
Ab 2001 konnte der Beschuldigte das Vertrauen der Mutter gewinnen und in der Folgezeit mit dem Kind in die Ferien fahren oder alleine den Abend verbringen. Der Mann gab vor Gericht zu, dass es in dieser Zeit wiederholt zu sexuellen Kontakten mit dem damals 12-jährigen Mädchen kam. Gemäss der Anklageschrift geschah dies allein zwischen 2001 und 2003 in insgesamt 1208 Fällen.
Auf Nachfrage der Richterin gab der Beschuldigte alle Taten zu – er habe aber nie geglaubt, dass er die Handlungen erzwungen habe.
Das Kind hatte bereits vor den Übergriffen Entwicklungsschwierigkeiten – laut der Richterin hat der Angeklagte diesen Umstand ausgenutzt und ein «exklusives Verhältnis» zu dem Mädchen aufgebaut: Er ging mit ihr in Schnellrestaurants essen, in den Freizeitpark oder ins Kino. Geriet sie mit ihren Spielkameraden in Streit, verteidigte er sie.
Die so aufgebaute Vertrauensbasis habe der Angeklagte dann genutzt, um das Mädchen für seine sexuellen Vorlieben gefügig zu machen – auch als das Opfer bereits weiter herangewachsen war, nutze der Ex-Priester ihre psychische Instabilität und ihre geistige Entwicklungsschwäche aus, um sich bis 2014 weiter an ihr zu vergehen. Dies geschah gemäss Anklageschrift zwei bis drei Mal pro Monat bei gemeinsamen Ausfahrten zu Einkaufszentren.
Am Donnerstag soll das heute 29-jährige Opfer vom Gericht befragt werden – wann ein Urteil in dem Prozess gesprochen wird, ist noch unklar. Der Angeklagte sass bereits 127 Tage in Untersuchungshaft und trat im Januar 2016 vorzeitig seine Haftstrafe an. (whr/sda)