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Ukraine-Krieg: Diese Schweizer Firmen wollen Russland-Geschäft retten

Auf Schmäh-Liste: Diese Schweizer Firmen wollen ihr Russland-Geschäft retten

Welche westliche Firmen haben sich aus Russland zurückgezogen und welche nicht? Die US-Eliteuniversität Yale führt die am meisten beachtete Liste und stellt Schweizer Firmen an den Pranger.
23.03.2022, 21:0023.03.2022, 21:37
Niklaus Vontobel und Stefan Ehrbar / ch media
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Der Hauptsitz der Firma Glencore in Baar, ZG, am Dienstag, 7. Februar 2012. Glencore und Xstrata fusionieren zu einem Megakonzern.(KEYSTONE/Sigi Tischler)
Glencore hält 10,5 Prozent der russischen En+ Group.Bild: keystone

Ihre Liste werde in den Chefetagen von Unternehmen diskutiert, von Regierungsvertretern und weltweit in den Medien, heisst es auf der Website der amerikanische Elite-Universität «Yale School of Management». Damit habe sie dazu beigetragen, den massenhaften Exodus von Unternehmen aus Russland zu beschleunigen.

Innert weniger Tage hätten Hunderte von Unternehmen ihre Rückzug bekannt gegeben. Und weiter schreibt die Universität: «Wir sind stolz darauf, dass unsere Liste dazu beigetragen hat, Millionen von Menschen auf der ganzen Welt zu sensibilisieren und zum Handeln zu bewegen.»

Grosser Druck auf die Gebliebenen

Am Mittwoch hat die Universität ihre Liste aktualisiert. Zuvor gab es nur zwei Kategorien: Unternehmen, die sich zurückgezogen haben, und solche, die bleiben. Solche die bleiben, standen laut dem Yale-Wirtschaftsprofessor Jeffrey Sonnenfeld, der die Liste mit einem Team zusammenstellt, in einer «Halle der Schande».

Neu gibt es fünf Kategorien. Es gibt Unternehmen, die ihre Geschäfte vollständig gestoppt haben oder das Land verlassen haben. Sie haben gemäss Yale einen «sauberen Schnitt» gemacht. In dieser Kategorie finden sich 166 Unternehmen oder Verbände. Der Fussballverband Uefa ist aufgeführt, der Schweizer Uhrenkonzern Rolex oder der amerikanische Streamingdienst Netflix.

Rolex und Swatch haben sich zurückgezogen

In der zweiten Kategorie sind 186 Unternehmen aufgelistet, die ihre Geschäfte ausgesetzt haben, aber sich die Möglichkeit einer Rückkehr offen halten. Adidas zählt zu dieser Kategorie oder Amazon und Apple, Coca-Cola und Burger King oder Citi Bank und Deutsche Bank und aus der Schweiz der Uhrenkonzern Swatch Group.

Nick Hayek, CEO Swatch Group AG, anlaesslich der Bilanzmedienkonferenz ueber das Geschaeftsjahr 2021, am Donnerstag 17. Maerz 2022, in Biel. (KEYSTONE/Marcel Bieri)
Nick Hayeks Swatch Group hat sich aus Russland zurückgezogen – zumindest für den Moment.Bild: keystone

In der dritten Kategorie stehen 28 Unternehmen, die ihre Tätigkeit in Russland zwar beibehalten, aber diese reduzieren, darunter viele Banken: Goldman Sachs, HSBC oder JP Morgan.

In der vierten Kategorie sind 54 Unternehmen zu finden, die mehr oder weniger weitermachen wollen, wie bisher, aber keine neuen Investitionen tätigen wollen und ihr Geschäft auch sonst nicht ausbauen. Unternehmen in dieser Kategorie würden gemäss Yale nun «Zeit schinden», wohl in der Hoffnung auf ein baldiges Kriegsende.

Die Credit Suisse hat noch keine Entscheidung getroffen

Die letzte Kategorie von Yale ist überschrieben mit: «Graben sich ein». Diese 33 Unternehmen würden, so die Universität, Widerstand leisten gegen Forderungen nach Ausstieg oder Reduzierung der Aktivitäten in Russland. Sie erhalten die Note «F», was in den USA für «failed» steht, also «durchgefallen».

Unter diesen lediglich 33 Unternehmen aus aller Welt finden sich drei Unternehmen aus der Schweiz: Die Grossbank Credit Suisse, der Sanitärtechnik-Konzern Geberit, weil er 2 Prozent seines Umsatzes in Russland verdiene; und der Rohstoffkonzern Glencore, der noch immer seine Beteiligung habe am Mineralölunternehmen Rosneft.

Das Gebaeude der Credit Suisse spiegelt sich in einem Fenster am Zuercher Paradeplatz am Freitag, 25. Februar 2022. (KEYSTONE/Walter Bieri)
Das Gebäude der Credit Suisse spiegelt sich in einem Fenster am Zürcher Paradeplatz am Freitag, 25. Februar 2022.Bild: keystone

Was sagt die Credit Suisse zu ihrer unvorteilhaften Nennung in dieser Schmähliste? Auf Anfrage verweist die Bank auf ein früheres Statement ihres Chefs, Thomas Gottstein:

«Wir prüfen jetzt die Situation. Es ist eine sehr ernste Situation. Wir werden in den nächsten Monaten sehen, was das für unsere Arbeit bedeutet. Ich habe noch keine Entscheidung getroffen.»

Ein Sprecher der «Yale School of Management» sagt gegenüber CH Media, warum sie die Credit Suisse unter «durchgefallen» einordnet: «Die Bank unterhält erhebliche operative Verbindungen zu Russland - ohne eine Erklärung über den Rückzug oder die Aussetzung der Geschäftstätigkeit abgegeben zu haben, im Gegensatz zu anderen Banken wie JPMorgan, Goldman Sachs, Morgan Stanley.» Auch habe die Bank ein 125-köpfiges Team in Moskau mit einem Nettoengagement in Höhe von 1.1 Milliarden Dollar in Russland. «Sie hat aber keine weiteren Schritte unternommen, als zu erklären, dass sie den Krieg ?zutiefst bedauert?.»

Zu Geberit erklärte der Sprecher der Yale-Universität: Der Sanitärtechnik-Konzern habe ausdrücklich erklärt, dass er weiterhin in Russland tätig ist, und habe zugleich rätselhafterweise den Rückzug aus der Ukraine propagiert. Und weiter:

«Der Schritt des Unternehmens, die ukrainische Wirtschaft zu untergraben und gleichzeitig die russische Wirtschaft zu unterstützen, ist bedenklich.»

Geberit wehrt sich gegen diese Einschätzung. «Wir haben bei der Yale Universität interveniert», sagt Sprecher Roman Sidler. Die Einstufung in die Kategorie von Unternehmen, die sich gegen eine Reduzierung der Umsätze in Russland wehrten, sei «definitiv falsch». Geberit habe die Aktivitäten in Russland deutlich reduziert. Das Geschäft mit Premiumprodukten wie Dusch-WCs und im Luxussegment wie etwa in der gehobenen Hotellerie sei ausgesetzt worden.

«Auch von Neugeschäften, zum Beispiel mit Neukunden im Gross- oder Einzelhandel, sehen wir bis auf weiteres ab», sagt Sidler. Die Marketingaktivitäten würden sistiert. «Geberit verurteilt das kriegerische Handeln in der Ukraine durch Russland absolut. Wir möchten aber auch unsere Mitarbeitenden schützen, weshalb wir uns auf dieses Vorgehen geeinigt haben».

Nestlé musste reagieren

Welche Folgen öffentlicher Druck haben kann, zeigte sich zuvor an Nestlé. Der Nahrungsmittelkonzern wurde vom ukrainischen Präsidenten Wlodomir Selenski angegriffen, Premierminister Denys Shmyhal schrieb auf Twitter: «Steuern an einen Terrorstaat zu bezahlen bedeutet schutzlose Kinder und Mütter zu töten.»

Nestlé hat am Mittwoch reagiert: Die Firma stellt den Verkauf von Marken wie Kitkat und Nesquik in Russland ein und beschränkt sich auf die Bereitstellung von Grundnahrungsmitteln wie Säuglingsnahrung und medizinische Nahrung. Nestlé rechne nicht damit, in absehbarer Zeit Gewinne in Russland zu schreiben - und wenn, würden diese vollumfänglich an die Internationale Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften (IFRC) gespendet (CH Media berichtete). (aargauerzeitung.ch)

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85 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Darkside
23.03.2022 21:27registriert April 2014
Kommt's nur mit so vor oder ist die Credit Suisse mittlerweile nur noch eine bessere Gangsterbude.
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Linus Luchs
23.03.2022 21:35registriert Juli 2014
Wie CS-Chef Gottstein offensichtlich auf Zeit spielt, ist einfach nur widerlich. Es passt aber nahtlos zu allem, was in letzter Zeit über diese Bank bekannt geworden ist.
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s'Paddiesli
23.03.2022 22:58registriert Mai 2017
Glencore mal wieder. Die drehen mir regelmässig den Magen um.
Ich trauere noch heute der knappen Ablehnung der Konzernverantwortungsinitiative nach.
Einfach abstossend.
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