Expertinnen und Experten rufen in einem neuen Bericht zu schnellem Handeln gegen die invasiven Quaggamuscheln auf. Für die beste Wirkung sollten Massnahmen so rasch und flächendeckend wie möglich umgesetzt werden, betonte die Eidgenössische Wasserforschungsanstalt Eawag.
Jedes Jahr, in dem in einem See keine dieser Muscheln gefunden werde, sei ein gewonnenes Jahr, schrieb die Eawag in einer Mitteilung vom Dienstag.
«Da die zu erwartenden ökologischen und ökonomischen Schäden bei einem Befall mit Quaggamuscheln sehr hoch sind, muss alles unternommen werden, um eine Ausbreitung der Quaggamuscheln in die noch nicht betroffenen Schweizer Mittellandseen zu verhindern», schrieben die Fachleute der Eawag und des Cercle Exotique, einer Arbeitsgruppe der Konferenz der kantonalen Umweltämter (KVU), im Bericht. Den Bericht hatten sie im Auftrag des Bundesamts für Umwelt (Bafu) und der Eidgenössischen Fachkommission für biologische Sicherheit (EFBS) erstellt.
In der Schweiz wiesen Forschende das Erbgut von Quaggamuscheln erstmals im Jahr 2014 nach. Zwei Jahre später wurden erstmals Exemplare der Muscheln im Bodensee gefunden. Innert kürzester Zeit breiteten sich die invasiven Muscheln in diversen Schweizer Seen aus. Betroffen sind zum Beispiel auch der Genfersee und der Neuenburgersee.
Im Sommer 2024 wurden erstmals Quagga-Muscheln in Zuger-, Alpnacher- und Zürichsee beobachtet. Wenn sich die Quaggamuschel einmal in einem Gewässer etabliert hat, ist sie nicht mehr loszuwerden. In den nächsten 20 bis 30 Jahren erwarten Fachleute in betroffenen Seen einen Anstieg der Muscheln in der Schweiz um bis das Zwanzigfache.
Die Muscheln verändern laut der Eawag Ökosysteme grundlegend. Sie beeinflusst sowohl die Lichtverhältnisse im Wasser als auch das Nahrungsnetz, was unter anderem dazu führt, dass Fische weniger Nahrung finden.
Zudem beeinträchtigt die Quaggamuschel die Nutzung der Gewässer durch die Menschen. Das grösste Problem ist dabei die Verstopfung der Rohre von Wasserversorgungen oder Kühlwassersystemen.
Weil eine Übersicht von betroffenen Anlagen und Schäden fehle, sei es für die Schweiz kaum möglich, die wirtschaftlichen Schäden der Quaggamuschel-Invasion zu quantifizieren. «Sicher ist, dass es sich allein in der Schweiz um Hunderte von Millionen Franken handeln muss», schrieben die Fachleute aber im Bericht.
Giftig sind die Muscheln jedoch nicht. Bis auf die Verletzungsgefahr die Muschelschalen für die Füsse in Badebereichen darstellen, sind sie dem Bericht zufolge nicht gesundheitsschädlich.
Der Bericht zeigt auf, dass sich die Quaggamuschel in der Schweiz hauptsächlich durch den Transport von Freizeitbooten verbreitet. Hier orten die Autorinnen und Autoren daher den grössten Hebel: Um zu verhindern, dass die Quaggamuschel in bisher nicht betroffenen Gewässern Fuss fasst, eignen sich demnach Massnahmen wie Schiffsmelde- und -reinigungspflicht. Solche Vorgaben wurden bereits rund um den Vierwaldstättersee, im Kanton Bern und in ähnlicher Art und Weise im Kanton Aargau am Hallwilersee eingeführt. Die Kantone St. Gallen, Graubünden und Zürich haben sich per April 2025 angeschlossen. Weitere Kantone, wie beispielsweise der Kanton Glarus werden folgen.
In nicht befallenen Seen sollte gemäss den Fachleuten ausserdem mindestens einmal pro Jahr nach Erbgut der Muscheln gesucht werden. Dadurch lasse sich eine eventuelle Invasion frühzeitig erkennen. Dies ermögliche es den zuständigen Behörden, schnell darauf zu reagieren und zudem zu überprüfen, ob die getroffenen Schutzmassnahmen ausreichend seien, hiess es von der Eawag. Auch Meldungen aus der Bevölkerung seien dafür ein wichtiges zusätzliches Element.
Die Massnahmen müssten zudem innerhalb der Schweiz und mit den Nachbarländern koordiniert werden, schrieb die Eawag. Derzeit gibt es keine landesweit koordinierten Massnahmen zur Überwachung des Vorkommens der Quaggamuschel und zur Verhinderung ihrer Ausbreitung, wie es im Bericht heisst.
Viele Kantone setzten zwar Massnahmen um. «Der Effekt wäre aber grösser, wenn diese Massnahmen landesweit umgesetzt und koordiniert würden», schrieben die Expertinnen und Experten.
Ausserdem braucht es laut den Fachleuten auch mehr Forschung zu Auswirkungen der Muscheln. Um die langfristigen Folgen für die Ökosysteme zu verstehen, orientiert sich die bisherige Forschung an den Erfahrungen mit den nordamerikanischen Seen, wo die Quaggamuschel schon 20 Jahre früher als in Europa eingeschleppt wurde. (sda)