Die 3D-Drucktechnologie hat sich in den letzten Jahren rapide entwickelt. Sie ist mittlerweile so gut, dass man sich zu Hause Einzelteile ausdrucken und zu einer funktionierenden Waffe zusammenbauen kann. Auf diese Weise hergestellte Waffen sind als «Ghost Guns» – also Geisterwaffen – bekannt. Denn: Sie besitzen keine Seriennummer, sind nirgends registriert und somit praktisch nicht nachzuverfolgen. Möchte man sich die Einzelteile nicht selbst ausdrucken, kann man sich in den USA auch einfach einen Baukasten mit allen benötigten Komponenten bestellen – und das komplett legal.
Der Vorteil einer solchen Waffe liegt auf der Hand. US-Präsident Joe Biden erklärte die Problematik Anfang April:
Er setzt sich für eine Verschärfung des Gesetzes ein, wonach die Online-Besorgung von Waffen für verurteilte Straftäter oder Personen, welche die Sicherheitsprüfung nicht bestehen, verboten werden soll.
Wie eine Recherche von «Sky News» zeigt, muss man die benötigten Bauanleitungen nicht im Dark Web suchen. Mit wenigen Klicks gelangt man über Social-Media-Plattformen zu den gewünschten Daten.
Sie führen zu Online-Communitys von Waffen-Enthusiasten, die sich über die Herstellung von eigenen Waffen austauschen. So stellen sie selber Designs her, teilen diese und zeigen sich auf Fotos oder Videos beim Ausprobieren der Waffen.
Die erste 3D-gedruckte Feuerwaffe wurde 2013 von der Organisation «Defense Distributed» ins Leben gerufen. Diese bezeichnet sich als «das erste private Verteidigungsunternehmen im Dienste der Allgemeinheit» und veröffentlichte die Baupläne einer Pistole, die sie «The Libero» taufte. Obwohl sich mit der Veröffentlichung der Baupläne sofort die US-Justiz einschaltete, sind die Pläne bis heute verfügbar und bereits Millionen Mal heruntergeladen worden.
Eine weitere bekannte Organisation ist «Deterrence Dispensed». Aus ihrer Feder stammt das populäre Modell FGC-9. Der Waffendesigner, bekannt unter dem Pseudonym «jstark1809», setzte sich die Bedingung, dass die Waffe ohne ein einziges potenziell reguliertes Waffenteil hergestellt werden könne. Im Gegensatz zum «The Liberator», ist die Bauanleitung der FGC-9 verfügbar, ohne je mit rechtlichen Problemen konfrontiert worden zu sein.
«jstark1809» hat damit sein Ziel erreicht, steht ja die Abkürzung von FGC für «Fuck Gun Control», die Zahl 9 für 9-Milimeter-Munition. Von der Community wird er dafür gefeiert, leben tut er allerdings nicht mehr. Zwei Tage nachdem die Polizei nach einem Tipp sein Zuhause durchsucht hatte, wurde er tot im Auto vor seinem Elternhaus gefunden. Die Polizei hatte bei der Durchsuchung nichts strafrechtlich relevantes gefunden. Sein Tod konnte nicht abschliessend geklärt werden.
«Sky News» hat mit einem Mitglied einer solchen Online-Community gesprochen. Hinter der Bewegung stecke keine zentralisierte Bewegung, erklärt dieses. Was jedoch alle 3D-Waffen-Enthusiasten verbinde, sei das Bedürfnis, die eigene Freiheit zu beschützen und dies auch anderen zu ermöglichen.
Eine der bekanntesten Gruppen, der auch «jstark1809» angehörte, ist «Deterrence Dispensed». Die Gruppe fördert und vertreibt 3D-gedruckte Feuerwaffen, Bauanleitungen, Waffenteile, sowie handgeladene Patronen.
Eine weitere Community, welche Bauanleitungen anbietet, ist «AWCY» (kurz für: «Are We Cool Yet»). Auf ihrer Website bezeichnen sie sich nicht als Waffen-Hersteller, sondern als Künstler, womit sie sich selbst einen legalen Deckmantel kreieren. Denn sie argumentieren:
Das eigenständige Herstellen von Feuerwaffen stelle eine «moderne künstlerische Ausdrucksform» dar. Aus diesem Grund biete AWCY interessierten Einzelpersonen Anleitungen, Inspirationen und eine Community zum Austausch von Ideen.
Im Rahmen dieser Kernüberzeugung betreut AWCY auch einen YouTube-Kanal, auf dem die neusten verfügbaren und druckbaren Waffen vorgestellt werden:
So einfach gestaltet sich die Herstellung einer eigenen Waffe dann doch nicht, sagt Rajan Basra, Senior Research Fellow am International Centre for the Study of Radicalisation am King's College London gegenüber «Sky News». Jeder Schritt im Herstellungsprozess beinhalte ein mögliches Hindernis – beginnend bei den Kosten für einen 3D-Drucker. Während man die billigsten bereits für 180 Franken erhält, muss man für die besseren mehrere Tausend Franken hinblättern.
Ein weiterer Irrglaube sei, dass 3D-Waffen komplett hinter verschlossenen Türen hergestellt werden können, so Basra weiter. In vielen Fällen reichen die vom 3D-Drucker gedruckten Plastikteile nämlich nicht aus. Aufgrund der entstehenden Hitze wird beispielsweise für den Lauf der Waffe ein Metallteil empfohlen. Solche Waffen – wie beispielsweise die FGC-9 – werden dann als «Hybrid-Waffen» bezeichnet. Sie sind um einiges robuster als reine Plastikwaffen wie «The Liberator».
Während die FGC-9 ohne regulierte Metallteile auskommt, werden für andere Modelle Komponenten benötigt, die je nach Land nicht legal zu beschaffen sind.
Ja. Am bekanntesten ist wohl der Amokläufer, der 2019 im deutschen Halle zwei Menschen getötet und zwei schwer verletzt hatte. Über Jahre hinweg hatte der rechtsextreme Stephan B. sein Arsenal an Waffen ausgebaut und unter seinem Bett versteckt. Bei der Attacke hatte er sieben selbstgebaute Feuerwaffen bei sich. Die Waffen baute er mehr oder weniger anhand selbst erstellter Pläne, liess sich aber von bekannten Waffenplänen, wie dessen von «jstark1809», inspirieren. Alle dafür benötigten Waffenteile bestellte er sich legal aus dem Internet oder in Baumärkten. Eine Waffe stellte er aus selbst gedruckten Teilen her, nachdem er sich für 100 Euro einen 3D-Drucker aus China bestellt hatte.
Sein Angriff hatte eigentlich Juden in einer Synagoge gegolten, allerdings gelang es ihm nicht, ins Gebäude einzudringen. So suchte er sich die Opfer schliesslich wahllos auf der Strasse aus. Ein Mann hatte Glück: Die selbstgebaute Waffe, mit der Stephan B. schiessen wollte, klemmte genau in diesem Moment mehrmals. Ein Nachteil von selbstgebauten Waffen, die dem Mann in diesem Moment das Leben retteten.
Im Dezember 2020 wurde Stephan B. wegen zweifachen Mordes, vielfachen Mordversuchs und Volksverhetzung zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe mit anschliessender Sicherungsverwahrung verurteilt.
In Grossbritannien sind seit 2019 sechs Personen strafrechtlich verfolgt worden, bei denen eine 3D-gedruckte Waffe involviert war.
First conviction for firearms manufacture using a 3D printer https://t.co/Wo3HnnAFkX pic.twitter.com/puaK8mfdK0
— Metropolitan Police (@metpoliceuk) June 19, 2019
Zudem wurden in den letzten zwei Jahren sowohl in den USA, in Spanien und in Finnland 3D-Waffendruckwerkstätten entdeckt. Derweil wurden in Australien mehrmals Waffen nach dem Prototyp von «jstark1809» gefunden. Dies, obwohl in einigen Bundesstaaten bereits der Besitz von Bauanleitungen zu 3D-Waffen illegal ist.
Wie die Kantonspolizei Zürich auf Anfrage von watson mitteilt, ist die Herstellung von «Ghost Guns» verboten, was im Waffengesetz unter Art. 19 Abs. 1 festgehalten ist:
Gemäss Waffengesetz (Art. 19, Abs. 3) können die Kantone allerdings Ausnahmen betreffend dem nichtgewerbsmässigen Herstellen von Waffen bewilligen. Das heimliche Herstellen von «Ghost Guns» ist aber legal nicht möglich.
Der Besitz von Zeichnungen oder Konstruktionsplänen hingegen ist nicht verboten. Besorgt über selbst hergestellte Waffen ist man derzeit nicht, schreibt der Mediendienst der Kantonspolizei Zürich weiter:
UNd dafür, dass in der CH so viele Handfeuerwaffen in Umlauf sind, passiert erstaunlich wenig. Zum Glück.
Ich glaube nicht, dass jemand an so einer ausgedruckten Waffe Freude hat.
Ich für meinen Teil hätte eher Angst, dass was nicht funktioniert und es mir die Hand zerfetzt.