Dieser Mann machte die US-Konservativen cool – und bereitete Donald Trump den Weg
Er war ständig in Bewegung. Exzentrisch. Omnipräsent. Schlagfertig. Charmant. Sein Biograf Sam Tanenhaus greift im Gespräch mit der «Schweiz am Wochenende» gar auf einen lateinischen Begriff zurück, um ihn zu beschreiben: «Sui generis», schlicht einmalig.
Die Rede ist von William F. Buckley Junior, geboren vor 100 Jahren am 24. November 1925. Er prägte bis zu seinem Tod im Februar 2008 die konservative Bewegung der USA. Zuerst als Revolutionär und Gründer der Zeitschrift «National Review» im Jahr 1955 — später als Kolumnist, TV-Moderator und Vordenker des rechten, staatskritischen Flügels der Republikaner.
Diese Strömung dominierte nach der Wahl von Präsident Ronald Reagan im Jahr 1980 die Partei. Das war auch ein Verdienst von Buckley, vielleicht sein grösster. Er sorgte dafür, dass die Konservativen ideologisch auf Kurs blieben und sich durch antisemitische oder rechtsradikale Extremisten in den eigenen Reihen nicht ablenken liessen.
Indirekt bereitete Buckley damit nicht nur Donald Trump den Boden. Der Medienpionier ist auch dafür verantwortlich, dass es im rechten Amerika von Polemikern nur so wimmelt. Charlie Kirk beispielsweise, der vor zwei Monaten ermordete Aktivist, wäre ohne die Vorarbeit Buckleys nie so schnell zum Star aufgestiegen.
Der geborene Gastgeber und Unruhestifter
Buckley erkannte bereits in den Fünfzigerjahren, dass amerikanische Universitäten eine einmalige Bühne für rechte Provokateure bieten. Er tingelte über die Campus, und lieferte sich mit linken Professoren heftige Debatten über die angebliche Indoktrination der amerikanischen Jugend. Charlie Kirk, der einem Attentat zum Opfer fiel, passte dieses Erfolgsrezept leicht an, und stellte sich stattdessen den Fragen von Studentinnen und Studenten. Der Effekt aber war der gleiche: Der Unruhestifter wurde berühmt.
Wie Kirk auch war Buckley ein Mann voller Widersprüche. Auf der Bühne gab er den «performativen Ideologen», wie Biograf Tanenhaus es formuliert. Buckley wollte provozieren.
Der Begriff «intellektueller Entertainer», mit dem er häufig bezeichnet wird, verlor in den Jahren seither an Glanz – in den sozialen Medien gelten heutzutage auch ein Tucker Carlson oder ein Steve Bannon bereits als Vordenker. Aber auf Buckley passt der Begriff wie die Faust aufs Auge. Er ging in dieser Rolle auf, und schien jede Minute zu geniessen, die er im Rampenlicht verbrachte.
Dabei überschritt Buckley auch regelmässig Grenzen. So vertrat der Katholik viel zu lange Positionsbezüge, die bigott oder rassistisch waren – obwohl er privat keine grossen Berührungsängste gegenüber Andersgläubigen oder Andersdenkenden kannte.
Vielmehr war er, der in seiner Jugend viele Jahre in Mexiko und Europa verbracht hatte, weltoffen. Und ein Bonvivant, von dessen Partys die Gäste, die noch leben, bis jetzt schwärmen. So sagt Sam Tanenhaus: Kein Prominenter, mit dem er in seiner langen Karriere zu tun gehabt habe, sei eine derart «natürliche und angenehme Gesellschaft wie Bill Buckley» gewesen.
Feste feiern mit David Niven und Marc Chagall
Der Schauplatz dieser Feste, das war häufig die Schweiz. Denn mit der Eidgenossenschaft verband Buckley eine intensive Liebe. Vierzig Jahre lang verbrachte er, zusammen mit seiner Frau Patricia, ihrem gemeinsamen Sohn Christopher und einer Schar von Dienstboten einige Winterwochen in der Schweiz.
Seit den späten Fünfzigerjahren reisten die Buckleys immer im Februar und März ins Saanenland; zuerst nach Saanenmöser im Kanton Bern, später jahrzehntelang ins benachbarte Rougemont im waadtländischen Bezirk Pays-d'Enhaut.
Dort mietete das glamouröse Ehepaar das Château im Dorfzentrum, das amerikanischen Landsleuten gehörte. Dann hielten Pat und Bill jeden Abend Hof und feierten rauschende Feste mit berühmten Gästen wie dem Schauspieler David Niven, der Fürstin Gracia Patricia von Monaco, dem Senator Ted Kennedy oder dem Künstler Marc Chagall – wenn Buckley nicht gerade in seinem Arbeitszimmer (schon wieder) ein neues Buch schrieb, auf der Videmanette Ski fuhr oder ein Bild malte. («Die arme Farbe» soll Chagall gesagt haben, als ihm Buckley eines seiner Bilder zeigte.)
Christopher Buckley schrieb später, in seinem berührenden Erinnerungsbuch «Losing Mum and Pup», dass seine Eltern an keinem anderen Ort der Welt derart glücklich gewesen seien. Umgeben von Bergen und Freunden waren die Buckleys im Element.
«Das vielleicht am stärksten militarisierte Land der Welt»
Bill Buckley machte aus seiner Liebe für sein Gastland nie ein Geheimnis. «Ich war stets der Meinung, dass die Schweiz eine Zwischenstation auf dem Weg ins Paradies ist», schrieb er bereits 1970 in einer Kolumne. Als überzeugter Anti-Kommunist schätzte er vor allem die bewaffnete Neutralität. Noch im Herbst 1989 bezeichnete Buckley die Schweiz als «das vielleicht am stärksten militarisierte Land der Welt», obwohl die Schweizer doch seit 150 Jahren keine Kriege mehr geführt hätten.
Am meisten beeindruckte Buckley aber das Regierungssystem der Schweiz, auch wenn er häufig den Eindruck erweckte, mit dem Staatsaufbau der Eidgenossenschaft nicht wirklich vertraut zu sein. Dies zeigt eine Anekdote, die sich wie ein roter Faden durch das Werk von Buckley zieht – weil er, wie es vor der Erfindung des Internets geläufig war, besonders originelle Gedanken immer wieder rezyklierte.
Also behauptete Buckley: Bereits im Alter von 5 oder 6 Jahren habe er sich einen Spass daraus gemacht, «alte Schweizer» zu fragen, ob ihnen der Name des Schweizer Bundespräsidenten bekannt sei. Niemand aber habe ihm je die richtige Antwort geben können.
Schon die erste «National Review»-Kolumne, die Buckley 1957 über die Schweiz verfasste, trug deshalb den Titel: «Wer ist der Präsident der Schweiz?» Selbst sein Schulkollege Alistair Horne, der später als Historiker weltberühmt wurde, sei während eines gemeinsamen Lunches in Zürich überfragt gewesen. Und in der Zeitung sei der Name des Magistraten mit keinem Wort erwähnt worden. (Die richtige Antwort hätte gelautet: Hans Streuli, FDP-Bundesrat aus dem Kanton Zürich.)
1970 schwadronierte Buckley über das gleiche Thema: «Die Schweiz ist so gut regiert, die Verantwortlichkeiten sind so breit gestreut, das nationale Zielbewusstsein ist so ausgeprägt, dass dem Präsidenten schlichtweg nicht viel mehr zu tun bleibt, ausser sehr wütend zu werden, wenn ein Terrorist eines seiner Flugzeuge in die Luft sprengt.» Diese Aussage bezog sich angeblich auf die Reaktion von Bundespräsident Hans-Peter Tschudi auf den Swissair-Absturz von Würenlingen. Dass die Fluggesellschaft, die Buckley als Kunde sehr schätzte, sich nicht in Staatsbesitz befand, schien er nicht zu wissen.
Selbst über den «Kantönligeist» wollte Buckley diskutieren
Nun ist es schwer vorstellbar, dass ein neugieriger Mann wie Buckley auch nach vielen Jahren in der Schweiz nicht begriffen hatte, dass der Bundespräsident gar nicht das Staatsoberhaupt der Schweiz ist. In einer Episode seiner Fernsehsendung «Firing Line» jedenfalls, die er 1990 in Rougemont aufnahm, zeigte sich Buckley vertraut mit den Auswüchsen des Schweizer Föderalismus. (Selbst das Wort «Kantönligeist» kam in der Sendung vor.)
Die einfachere Erklärung für diesen «Running Gag» ist also: Buckley, ein geborener Entertainer, kannte die Wahrheit. Aber er wusste, dass eine schöne Anekdote manchmal besser klingt als die banale Wahrheit.
Auch in diesem Punkt kopieren die Nachfolger des ersten rechten Thesen-Klopfers, die heute die rechten amerikanischen Medien dominieren, den wohl einflussreichsten konservativen Vordenker der USA. (aargauerzeitung.ch)
