Der Eklat im Weissen Haus rüttelt auch die Schweizer Politik auf. «Fuck you, Mr. Trump», schrieb SP-Co-Präsident Cédric Wermuth auf Social Media als Reaktion auf das Wortgefecht zwischen dem US-Präsidenten, seinem Vize und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Der Solothurner Mitte-Nationalrat Stefan Müller-Altermatt bezeichnete die US-Administration auf der Plattform Bluesky als «grenzdebile Kindsköpfe».
Es sind derbe Bezeichnungen. Sie zeigen, wie tief der Schock geht – und wie ratlos Trumps hemmungslose Machtpolitik viele Schweizer Parlamentarierinnen und Parlamentarier zurücklässt.
Derweil hält sich der Bundesrat auffällig zurück – ja, er ist gewissermassen sprachlos. Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter setzte einzig einen kurzen Post auf der Plattform X ab. «Die Schweiz setzt sich weiterhin für einen gerechten und dauerhaften Frieden ein und verurteilt die russische Aggression gegen einen souveränen Staat», schrieb sie auf Englisch. Dazu der Hashtag «#Ukraine». Kein Wort von Trump, den USA, dem, was konkret vorgefallen ist.
Switzerland remains firmly committed to supporting a just and lasting peace, while condemning Russia's aggression against a sovereign state. #Ukraine
— Karin Keller-Sutter (@keller_sutter) March 1, 2025
Recherchen zeigen: In der Bundesverwaltung laufen Diskussionen, wie die Schweiz auf die Eskalation reagieren soll. Aus einigen Departementen werden Stimmen laut, die einen klaren Positionsbezug der Regierung fordern. Und zwar rasch. Doch derzeit zeichnet sich das nicht ab. Man stellt sich auf den Standpunkt, dass sich an der Haltung des Bundesrats nichts geändert hat – und es deshalb auch nichts zu kommunizieren gebe.
Dennoch steht die Schweiz nicht nur an der Seitenlinie der Weltpolitik und schaut zu. Wie CH Media weiss, ist der Bund vertreten an den europäischen Diskussionen, wie der Krieg in der Ukraine beendet werden könnte – auch ohne die USA. Am Sonntag trafen sich auf Einladung des britischen Premiers Keir Starmer Staats- und Regierungschefs aus Europa für einen Ukraine-Gipfel in London. Zwar ist Bern nicht auf höchster politischer Ebene, aber immerhin auf diplomatischer Stufe involviert.
Gleichwohl: Das dröhnende Schweigen des Bundesrats stösst im Parlament zunehmend auf Unverständnis und Kritik.
So sagt Mitte-Präsident Gerhard Pfister: «Was im Weissen Haus vorgefallen ist, hat selbstverständlich auch mit der Schweiz zu tun, denn es hat einen direkten Einfluss auf unsere Sicherheit.» Zwar bestehe noch immer die Möglichkeit, dass die USA nicht endgültig von der Seite der Ukraine und Europas abrückten, «aber das transatlantische Bündnis, die Nato, ist offensichtlich beschädigt», so Pfister.
Der Bundesrat müsse deshalb jetzt aufzeigen, «was diese transatlantische Verstimmung für die Schweiz bedeutet». Namentlich für die militärische Sicherheit, aber auch in Fragen der Rechtssicherheit: «Hält sich die Regierung Trump an Verträge wie jenem zum Kampfjet F-35?». Pfister stellt infolge der bundesrätlichen Sendepause ein «Vakuum an Orientierung» fest, was in der Bevölkerung wie im Parlament zu Verunsicherung führe.
Unbestritten ist laut Pfister, dass die Schweiz einen Beitrag zur Sicherheit Europas leisten muss. Im Unterschied etwa zu FDP-Präsident Thierry Burkart findet er: «Für die dafür nötige Stärkung unserer Armee werden wir nicht um Mehreinnahmen herumkommen.» Pfister spricht sich deshalb für eine Motion seines Parteikollegen, Ständerat Benedikt Würth, aus, der eine Erhöhung der Mehrwertsteuer anstrebt – was nur per Volksabstimmung möglich ist. «Wir müssen die Entscheidung, wie wir unsere Sicherheit gewährleisten wollen und was wir dafür zu zahlen bereit sind, den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern vorlegen», sagt Pfister.
Bereits letzte Woche ist die Sicherheitspolitische Kommission (SIK) aktiv geworden. Sie fordert angesichts der neusten internationalen Entwicklungen sowie der weiter zunehmenden geopolitischen «Spannungen» vom Nationalrat eine Erklärung: Die Schweiz müsse im Bereich der Sicherheitspolitik stärker mit Europa kooperieren.
Eine der treibenden Kräfte dahinter ist SP-Nationalrat Fabian Molina. «Der Bundesrat hat offensichtlich nicht verstanden, dass wir uns an einem Wendepunkt der Geschichte befinden», sagt er. Man müsse die Ukraine jetzt noch viel stärker unterstützen, als man das bisher getan habe. «Für die europäische Sicherheit ist nichts wichtiger, als dass Putin den Krieg nicht gewinnt.»
Molina sowie die beiden Ständerätinnen Tiana Angelina Moser (GLP) und Marianne Binder (Mitte) fordern in gleichlautenden Vorstössen, dass die Schweiz die Hilfsgelder für die Ukraine aufstockt – und diese Ausgaben von der Schuldenbremse ausgenommen werden.