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Pfister oder Ritter: Geopolitik macht die Bundesratswahl spannend

Die beiden Bundesratskandidaten Markus Ritter, Nationalrat Mitte-SG, Mitte, und Martin Pfister, Regierungsrat Kanton Zug, links, beim Hearing der Bundesratskandidaten bei der Jungen Mitte, am Samstag, ...
Martin Pfister (l.) und Markus Ritter am Bundesrats-Hearing der Jungen Mitte.Bild: keystone
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Pfister oder Ritter: Jetzt wird die Bundesrats- zur Richtungswahl

Das vermeintlich dröge Bundesratsrennen zwischen Martin Pfister und Markus Ritter wird spannend. Dafür sorgen die Unruhe im VBS und vor allem die geopolitischen Turbulenzen.
03.03.2025, 17:2603.03.2025, 17:45
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Die Mitte-Partei musste in den letzten Wochen Prügel einstecken. Ihre Suche nach einer Nachfolgerin oder einem Nachfolger für Bundesrätin Viola Amherd verlief holprig. Am Ende musste sie froh sein, mit dem St.Galler Nationalrat Markus Ritter und Regierungsrat Martin Pfister aus Zug ein Zweierticket für die Wahl am 12. März aufstellen zu können.

Nun aber sieht die Welt für die Mitte freundlicher aus. Am Sonntag konnte sie bei den Wahlen in ihrer Hochburg Wallis doppelt jubeln. Franziska Biner wurde mit Glanzresultat in die Kantonsregierung gewählt. Sie liess auch den Fast-Möchtegern-Bundesrat Christophe Darbellay klar hinter sich. Im Kantonsparlament gewann die Partei ausserdem zwei Sitze hinzu.

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Das Wortgefecht im Oval Office zwischen Wolodymyr Selenskyj und Donald Trump hat Auswirkungen auf die Sicherheit Europas, inklusive Schweiz.Bild: keystone

Und die vermeintlich dröge Bundesratswahl wird auf einmal spannend. Dafür sorgen die Unruhen im VBS. Sie machen es wahrscheinlicher denn je, dass der neue Mitte-Bundesrat das Verteidigungsdepartement «erben» wird. Dort wartet sehr viel Arbeit, etwa die Suche nach neuem Personal, die Aufrüstung der Armee und die Behebung gravierender Mängel.

Bemerkenswerte Differenzen

Hinzu kommen die geopolitischen Verwerfungen, die seit dem denkwürdigen Eklat im Weissen Haus vom letzten Freitag an Intensität zugenommen haben. Die Europäer suchten am Sonntag in London nach einer Antwort auf den drohenden Rückzug der USA. Die Auswirkungen auf die Sicherheitslage betreffen auch die neutrale Schweiz.

Auf den neuen VBS-Chef, ob er Pfister oder Ritter heisst, wartet eine gewaltige Aufgabe. Er muss das Departement «auf Vordermann» bringen und eine Antwort auf die sicherheitspolitische Herausforderung finden. Die bisherigen Äusserungen der beiden Kandidaten zeigen in dieser Hinsicht einige bemerkenswerte Differenzen.

Ein ungleicher Kampf?

In den Fraktions-Hearings, die am Dienstag beginnen und eine Woche später fortgesetzt werden, wird dies eine Rolle spielen. Als Erstes müssen die beiden Kandidaten bei SVP, FDP und GLP «antraben», ehe am Tag vor der Wahl die Auftritte bei SP und Grünen folgen.

Auf den ersten Blick ist es ein ungleicher Kampf: Der 57-jährige Markus Ritter ist als Präsident des Bauernverbands einer der mächtigsten Politiker der Schweiz. Kaum einer ist in Bundesbern so gut vernetzt. Der 61-jährige Martin Pfister ist als Zuger Gesundheitsdirektor in der Bundesversammlung hingegen ein weitgehend unbeschriebenes Blatt.

Mehr und weniger Kante

Militärisch allerdings ist Oberst Pfister gegenüber dem Gefreiten Ritter im Vorteil. Und nach durchzogenem Start hat seine Kandidatur Fahrt aufgenommen. War Pfisters erstes Interview mit Tamedia an Profillosigkeit kaum zu überbieten, so hat er zuletzt mehr Kante gezeigt. Im NZZ-Interview schloss er Mehreinnahmen zugunsten der Armee nicht aus.

Das ist mutig, ist er doch auf Stimmen aus der «sparwütigen» FDP angewiesen. Den umgekehrten Weg ging Markus Ritter. Er hat seine Rhetorik «auf Anraten seines Spin-Doctor Lorenz Furrer» angepasst, schreibt die NZZ. Anfangs lästerte er auf eine Weise über die Zustände im VBS, die als Affront gegenüber Viola Amherd gewertet werden konnte.

Mehr oder weniger Ausland

Jetzt äussert sich Ritter dezenter. Das betrifft auch die Beziehungen mit dem Ausland, etwa der EU. Markus Ritter bezeichnete den bilateralen Weg in der NZZ zwar als «alternativlos», gegenüber den neuen Verträgen aber ist er skeptisch. Martin Pfister ist grundsätzlich dafür. Ähnlich sieht es im militärischen Bereich aus, bei einer Annäherung an die NATO.

Switzerland's Defense Minister Federal Councillor Viola Amherd, right, shakes hands with NATO Secretary General Mark Rutte, left, prior to a bilateral meeting on the sideline of the 55th annual m ...
Viola Amherd mit NATO-Generalsekretär Mark Rutte am WEF in Davos.Bild: keystone

Der Kontrast zeigt sich auch im persönlichen Bereich. Markus Ritter ist seit zwölf Jahren nicht mehr geflogen, wie er im Interview mit CH Media bestätigte. Aus ökologischer Sicht müsste man ihm dafür laut applaudieren, doch man kann darin auch einen typischen Nabelschau-Schweizer erkennen, der sich kaum für den Rest der Welt interessiert.

Schwierige Prognose

Als knallharter Bauernlobbyist setzt Ritter ohnehin auf Abschottung von den Weltmärkten. Sein Englisch reicht, um ein Bier zu bestellen. Auch Martin Pfister ist in dieser Hinsicht keine Koryphäe, doch als Historiker und Vertreter des globalisierten «Expat-Kantons» Zug ist ihm eine grössere Weltoffenheit zuzutrauen als dem Rheintaler Biobauern.

Solche Unterschiede werden in den Hearings und bei der Wahl in zehn Tagen eine Rolle spielen. Das Rennen ist offener, als man meinen könnte. Eine Prognose ist schwierig. Die SVP dürfte fast geschlossen für Ritter stimmen. Für SP, Grüne und GLP ist Pfister wohl das kleinere Übel, trotz Vorbehalten gegenüber dem Tiefsteuerkanton Zug.

Keine Kompetenzwahl?

Es kommt auf die FDP und die eigene Mitte an. Vor allem Wirtschaftsliberale tun sich schwer mit einem weiteren Bauernvertreter im Bundesrat, auch wenn wenige das so offen sagen wie der Berner Freisinnige Christian Wasserfallen. Ritter reagiert darauf mit dem Bekenntnis, als Bundesrat im VBS bleiben und nicht ins Wirtschaftsdepartement wechseln zu wollen.

Ob er damit durchkommt, wird sich zeigen. Viel hängt auch davon ab, wer sich im Hearing besser «verkaufen» kann (worüber Eva Herzog ein Liedlein singen könnte). Man darf den Sympathiefaktor nie unterschätzen. Kein geringerer als Markus Ritter hatte nach dem Erfolg von Elisabeth Baume-Schneider 2022 gesagt, eine Bundesratswahl sei «keine Kompetenzwahl».

Keine Lust auf Experimente

Das muss dieses Mal anders sein. Zu gross sind die Herausforderungen in der Sicherheitspolitik. Das macht den Showdown am 12. März zu einer Richtungswahl. Will man primär einen «Aufräumer» im VBS, wäre Markus Ritter im Vorteil. Liegen die Akzente auf der internationalen Zusammenarbeit, ist Martin Pfister in der Poleposition.

Kaum noch eine Option ist hingegen eine Sprengkandidatur. Das Mitte-Duo mag niemanden vom Hocker reissen, doch in einer instabilen «Trump-Welt» dürften die Parteien noch weniger Lust auf Experimente bei der Bundesratswahl haben als in «guten» Zeiten.

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Ein Rückblick auf Viola Amherds Karriere
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Hat er das «Rizz»? – Interview mit Bundesratskandidat Martin Pfister
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101 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Colibri
03.03.2025 17:53registriert Februar 2017
Am Wochenende war im St. Galler Tagblatt ein ausführliches Interview mit Ritter abgedruckt. Er ist für mich ein Bünzli vom Scheitel bis zur Sohle. Seine Floskeln wirken selbstüberschätzt, inhaltlos und verstaubt. Alles dreht sich ständig um den "Chef". Mit Englisch lernen will er erst beginnen, falls er gewählt wird. Nein danke!
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Alnothur
03.03.2025 17:36registriert April 2014
"Kein geringerer als Markus Ritter hatte nach dem Erfolg von Elisabeth Baume-Schneider 2022 gesagt, eine Bundesratswahl sei «keine Kompetenzwahl»"

Und genau das ist nochmal ein wichtiger Grund mehr, warum der nicht in den Bundesrat gehört.
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Tejas_
03.03.2025 17:34registriert Juli 2022
Ich hoffe sehr auf die Wahl von Martin Pfister 🍀!
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