An Wochenenden kommt es in der Schweiz zu deutlich mehr sexuellen Übergriffen als unter der Woche. Dies zeigt eine neue Untersuchung der Opfer, die in den Universitätsspitälern Genf und Lausanne behandelt wurden. In der Schweiz mangle es an Daten zu solchen Übergriffen, hiess es von den Autorinnen und Autoren.
Während des vierjährigen Studienzeitraums zwischen 2018 und 2021 wurden in den Notaufnahmen der Geburtshilfe und Gynäkologie der beiden Spitäler 962 Meldungen zu sexuellen Übergriffen erstellt, wie es in einer gemeinsamen Mitteilung der Spitäler vom Mittwoch hiess. 740 der Fälle wurden in die Analyse eingeschlossen.
Das mittlere Alter der Opfer betrug 24 Jahre. Untersucht wurden Opfer ab 14 Jahren, die älteste in der Analyse eingeschlossene Person war 93 Jahre alt.
45 Prozent aller gemeldeten Übergriffe fanden demnach am Samstag oder Sonntag statt. Auch im Sommer kam es zu mehr Übergriffen: In den Sommermonaten war die Zahl der gemeldeten Übergriffe rund anderthalbmal so hoch wie im Rest des Jahres.
Fast sechs von zehn Opfern (58 Prozent) gaben an, ihren Angreifer oder ihre Angreiferin zu kennen. Ebenso viele Übergriffe (56 Prozent) fanden in den eigenen vier Wänden der Opfer oder Täter statt.
Von denjenigen, die ihren Angreifer oder ihre Angreiferin kannten, handelte es sich bei mehr als der Hälfte (53 Prozent) um einen Freund, Kollegen oder Bekannten. Gegenwärtige (17 Prozent) und frühere (9 Prozent) Intimpartner stellten ebenfalls einen erheblichen Anteil der bekannten Angreiferinnen und Angreifer dar. Familienmitglieder und Autoritätspersonen wurden in der untersuchten Bevölkerungsgruppe über 14 Jahren seltener als Täter genannt.
Rund eine von vier Personen konnte sich nach dem sexuellen Übergriff laut der Studie nicht daran erinnern, welcher Art von Penetration sie ausgesetzt war.
Dies ist laut den Autorinnen und Autoren Folge des Konsums von Alkohol oder Drogen, der in solchen Situationen sowohl bei den Tätern als auch bei den Opfern weitverbreitet ist. 63 Prozent der Opfer gaben in der Studie irgendeine Art von Substanzkonsum vor dem sexuellen Übergriff an. Das Vergessen könnte laut den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aber auch an psychologischen Schutzmechanismen des Gehirns liegen.
Bei rund der Hälfte der sexuellen Übergriffe (48 Prozent) wurde der Studie zufolge Gewalt angewendet. Weitere 22 Prozent waren sich nicht sicher.
Die Datenlage über sexuelle Übergriffe und Vergewaltigungen sei in der Schweiz ungenügend, betonten die Autorinnen und Autoren in der Studie. Solche Daten könnten dazu beitragen, wirksame Massnahmen zu gestalten. Darüber hinaus seien Daten zu sexuellen Übergriffen von entscheidender Bedeutung, um die Auswirkungen möglicher Präventionsstrategien zur Verhinderung von Mythen über Vergewaltigung und sexuelle Nötigung zu bewerten. (saw/sda)