Ein Millionen-Geschenk für die Agglobauern. Ausgerechnet für jene, die es am wenigsten brauchen. So lautete der Tenor im Blätterwald nach dem Entscheid des Nationalrats, dass Bauern beim Verkauf von Bauland keine Bundessteuer mehr bezahlen sollen.
Beim Bund und bei der AHV führt das zu geschätzten Ausfällen von 400 Millionen Franken pro Jahr. Nachdem sich der erste Rauch verzogen hat, lichtet sich das Bild: Der Entscheid fiel mit 100 zu 84 Stimmen bei 3 Enthaltungen. Die SVP stimmte geschlossen dafür, die CVP mit überwiegender Mehrheit. Gespalten war hingegen die für ihre Fraktionsdisziplin bekannte FDP: 19 ihrer Nationalräte stimmten dagegen, elf dafür.
Auffällig ist: Fünf der elf freisinnigen Befürworter stammen aus dem Kanton Waadt. Damit sind sie nicht alleine. Selbst im Lager der Grünliberalen und Grünen wichen die Waadtländer von der offiziellen Parteilinie ab.
Die Grünliberale Isabelle Chevalley sowie die grünen Nationalräte Adèle Thorens Goumaz und Daniel Brélaz traten für das millionenschwere Bauerngeschenk ein. Von den 18 Nationalräten, die der Kanton Waadt nach Bern schickt, schickten nur die beiden Sozialdemokraten die Vorlage bachab.
Offenbar herrscht am Genfersee von links bis rechts Konsens, dass den Bauern Steuern in Millionenhöhe erlassen werden sollen. Warum wohl?
Grund dafür ist das Bundesgerichtsurteil von 2011. Es hielt die Praxis für verfassungswidrig, wonach Grundstückgewinne für Landwirte beim Bund steuerfrei bleiben. Die Gewinne aus dem Verkauf von Baulandreserven des Anlagevermögens von Landwirtschaftsbetrieben sind seither voll steuerbar.
«Der Kanton Waadt ist der erste Kanton, der das Urteil umsetzt», sagt Isabelle Chevalley. Im Gegensatz zu den anderen Kantonen kenne man am Genfersee die Konsequenzen – und die seien gravierend: «Bauern, die ihren Betrieb aufgeben, flattert vom Kanton auf einmal eine horrende Steuerrechnung ins Haus.» Dies, obschon das Grundstück noch gar nicht verkauft worden ist. Einige Landwirte wären deshalb nicht in der Lage, ihre Schuld zu begleichen, und müssten Haus und Hof verlassen.
Das Urteil habe den Bauern eine halbe Milliarde neue Steuern auferlegt, findet Daniel Gay, Jurist bei der Waadtländer Bauernorganisation Prometerre. Bauland im Privatvermögen werde anders besteuert als Bauland im Geschäftsvermögen. Das sei ungerecht. Der Nationalratsentscheid, die alte Besteuerungspraxis wieder herzustellen, sei kein Geschenk an die Bauern, sondern die Rückkehr zu einer gerechten Situation.
Verständnis für die Verunsicherung der Waadtländer Bauern zeigt GLP-Nationalrätin Kathrin Bertschy. «Der Kanton Waadt setzt das Bundesgerichtsurteil falsch um», sagt die Landwirtschaftspolitikerin. Dieses habe eine aufschiebende Wirkung. Ein Bauer müsse seine Steuerschuld erst begleichen, wenn er sein Grundstück verkauft hat und das Geld auch tatsächlich geflossen sei.
Sie will das Vollzugsproblem noch vor der Beratung im Ständerat ausräumen. Hält die kleine Kammer am Steuergeschenk fest, macht sich Bertschy für ein Referendum stark. Es könne nicht sein, dass wir pro Jahr auf 400 Millionen Franken bei Steuern und Sozialversicherungen verzichten, und das ohne jeglichen volkswirtschaftlichen Nutzen, sagt sie gegenüber der «Schweiz am Sonntag». «Dieser Entscheid widerspricht auch dem Kulturlandschutz und der Revision des Raumplanungsgesetzes.»
Zustimmung erhält sie vom Zürcher FDP-Nationalrat Beat Walti. Für ihn wurde mit dem Entscheid eine rote Linie überschritten: «Das Steuerprivileg ritzt an der Gerechtigkeit. Zudem profitieren ausgerechnet die, die es am wenigsten nötig haben. Das ist barer Unsinn.» Er könne sich deshalb mit einem Referendum anfreunden.
Ob die FDP und GLP zusammenspannen, ist noch unklar. «Wir haben darüber noch keine Gespräche geführt», sagt FDP-Präsidentin Petra Gössi. Der Entscheid darüber liege bei der Parteipräsidentenkonferenz.