Die erste SRG-Umfrage zu den Abstimmungen zeigt: 59 Prozent der Befragten sagen Ja zu den neuen Regeln bei der Untermiete, aber nur 49 Prozent stimmen den Änderungen bei der Kündigung wegen Eigenbedarfs zu. Können die Argumente bei der zweiten Vorlage nicht überzeugen?
Guy Parmelin: Wir befinden uns ganz am Anfang der Abstimmungskampagnen. Die Meinungen sind noch nicht gemacht. Die nächsten Wochen werden entscheidend sein.
58 Prozent der Schweizer Bevölkerung lebt zur Miete. Warum soll das Stimmvolk Vorlagen zustimmen, mit denen ihm einfacher die Wohnung gekündigt werden kann?
Ich glaube nicht, dass es wegen dieser Anpassungen im Mietrecht zu mehr Kündigungen kommt. Es geht darum, dass zwei Einzelfragen klarer geregelt werden. Aber es ist keine umfassende Reform des Mietrechts, auch wenn in bestimmten Fällen die Situation für die Mieter vielleicht etwas schwieriger werden dürfte.
Die Vermieter und Hauseigentümer würden eindeutig von den Mietrecht-Reformen profitieren.
Ich glaube nicht, dass die Änderungen viele Verbesserungen für die Hauseigentümer bringen. Darum war der Bundesrat gegenüber beiden Vorlagen skeptisch. Er war der Meinung, dass die aktuellen Regelungen genügen. Die Mehrheit des Parlaments wollte, dass die Untermiete im Gesetz klarer geregelt wird. Dies soll Missbräuche vermeiden und mehr Rechtssicherheit bringen. Bei der zweiten Vorlage hat sich gezeigt, dass es schwierig sein kann, eine vermietete Wohnung rasch selber nutzen zu können. Darum soll nach Gesetz nicht mehr ein «dringender» Eigenbedarf nötig sein, sondern soll ein «bedeutender» und «aktueller» Eigenbedarf genügen. Ziel dieser Gesetzesanpassung ist, dass der Eigenbedarf leichter nachgewiesen werden kann.
Bringt das tatsächlich mehr Rechtssicherheit? Anstatt darüber zu urteilen, was als «dringender» Eigenbedarf gilt, müssten die Gerichte neu einfach darüber entscheiden, wann ein «aktueller» und «bedeutender» Eigenbedarf vorliegt.
Ja, was das heisst, wird die Praxis zeigen.
Das Parlament plant bereits zwei weitere Änderungen im Mietrecht. Beide sehen vor, dass es Mieterinnen und Mieter schwerer haben, zu hohe Mietzinsen anzufechten. Der Mieterverband hat angekündigt, das Referendum einzulegen. Versucht das Parlament Schritt für Schritt die Rechte und den Kündigungsschutz von Mietenden zu schwächen?
Unser Mietrecht ist 30 Jahre alt und ist in manchen Fragen schwierig anzuwenden. Darum wäre es meiner Meinung nach sinnvoll, es im Rahmen einer allgemeinen Revision zu aktualisieren, statt durch einzelne Änderungen.
Warum gibt es dann keine allgemeine Revision?
Ich habe das bis jetzt leider vergeblich versucht. Die beiden Seiten – Mieterverband und Hauseigentümerverband – wollten das bisher nicht. Es gab auch parlamentarische Vorstösse, die eine umfassende Reform forderten. Diese hat der Bundesrat unterstützt. Sie fanden aber keine Mehrheiten. Nun sind noch mehrere parlamentarische Initiativen hängig. Ich habe den Eindruck, dass beide Seiten deren Ausgang abwarten. Wir werden sehen, was am 24. November passiert.
Das heisst, der Ausgang der Abstimmungen am 24. November wird richtungsweisend sein?
Das wird sich zeigen. Momentan ist die Situation widersprüchlich. Die Verbände nehmen starken Einfluss auf das Parlament. Wenn klar ist, wie es mit den hängigen Vorlagen weitergeht, wird man weitersehen.
Wie ist Ihre eigene Wohnsituation?
Zu Hause in Bursins im Kanton Waadt lebe ich zusammen mit meiner Frau im Haus meiner Eltern. Dort habe ich ein Wohnrecht. Ich bin nicht mehr Besitzer. Als ich Bundesrat geworden bin, habe ich meinen Anteil an meinen Bruder verkauft.
Und wie wohnen Sie hier in Bern?
Zur Miete. Es ist eine 2,5-Zimmer-Wohnung im dritten Stock ohne Lift. Relativ ruhig, aber nicht so billig.
Was heisst «nicht so billig»?
Im Verhältnis gesehen nicht so billig. Die Wohnung befindet sich mitten in der Stadt. Ich habe zehn Minuten zu Fuss zum Büro. Aber es gibt keinen Balkon und im Sommer wird es sehr heiss. Und ich habe natürlich keine Sicht auf den Genfersee. (lacht)
Sie gehören also auch zur Schweizer Mehrheit, die mietet. Was hat der Bundesrat in den letzten Jahren für die Mieterinnen und Mieter gemacht?
Wir haben versucht, das Mietrecht an die heutige Zeit anzupassen und es einfacher anwendbar zu machen. Dazu haben wir vor über zwei Jahren einen runden Tisch zum Mietrecht durchgeführt. Und wir befassen uns intensiv mit der Herausforderung, dass an vielen Orten zu wenig Wohnraum für eine wachsende Bevölkerung vorhanden ist. Zu diesem Thema haben wir im letzten und in diesem Jahr zwei runde Tische durchgeführt, um die Interessenvertreter zusammenzubringen.
Das Resultat davon war der «Aktionsplan Wohnungsknappheit», den Sie Anfang Jahr vorgestellt haben. Dieser beinhaltet jedoch keinerlei Aktionen. Lediglich Empfehlungen. Was ist da schiefgelaufen?
Es ist äusserst schwierig, konkrete Massnahmen durchzusetzen. Das sieht man an den Diskussionen im Parlament. Sobald der Bund in den Wohnungsmarkt eingreifen will, pfeift uns das Parlament zurück. Zudem ist die Schweiz ein föderalistisches Land. Der Bundesrat hat seine Kompetenzen und die Kantone ihre. So legt das Raumplanungsgesetz des Bundes gewisse Grundsätze und Rahmenbedingungen fest. Die Umsetzung obliegt jedoch den Kantonen, Gemeinden und Städten.
Liegt das Problem nicht eher am Lobbyismus statt am Föderalismus? Die watson-Recherche hat gezeigt, dass die Bau- und Immobilienlobby beim «Aktionsplan Wohnungsknappheit» bewirken konnte, dass das Wort «Pflicht» im Aktionsplan verschwindet und es bei Empfehlungen bleibt.
Alle lobbyieren für ihre Anliegen. Auch der Mieterverband. Nach einem Jahr werden wir eine Zwischenbilanz ziehen und sehen, welche Massnahmen des Aktionsplans umgesetzt wurden und ob sie einen Effekt hatten. Alles, was in der Kompetenz des Bundes liegt, um die Situation für Mieter zu verbessern, tun wir schon jetzt.
Etwas, was in der Kompetenz des Bundes liegen würde, wäre doch, das Bundesgesetz durchzusetzen. Nach diesem darf die Rendite von Vermieterinnen und Vermietern nicht höher als zwei Prozent über dem Referenzzinssatz liegen. Eine vom Mieterverband in Auftrag gegebene Studie zeigte jedoch: 2023 haben die Schweizerinnen und Schweizer rund 10,6 Milliarden Franken mehr Miete bezahlt als gesetzlich erlaubt. Das sind 34 Prozent zu viel.
Das ist das, was der Mieterverband sagt. Die Studie, die Sie zitieren, geht von einer theoretischen Mietzinsberechnung aufgrund bestimmter Kostenfaktoren aus und nicht von einem mietrechtlich erlaubten Mietzins.
Die Tatsache aber bleibt: Es gibt zahlreiche Vermietende, die mehr Miete verlangen, als sie gemäss Gesetz dürften. Braucht es nicht staatliche Kontrollen?
Wenn wir staatliche Kontrollen einführen möchten, würde es eine Änderung des Gesetzes brauchen. Bisher hat das Parlament das abgelehnt. Gleichzeitig ist nicht klar, ob staatliche Kontrollen tatsächlich etwas bringen. Der Kanton Genf betreibt sehr viel Aufwand, um gegen die steigenden Mieten vorzugehen. Trotzdem ist die Wohnungsknappheit in diesem Kanton so hoch wie fast in keinem anderen, und auch die Mieten konnten nicht gesenkt werden.
Vor einem Jahr kündigten Sie in einem Interview mit CH Media an, dass Sie gegen die steigenden Preise von Mietwohnungen vorgehen wollen, indem Sie Vermieter dazu verpflichten, den Vormietzins anzugeben. Umgesetzt haben Sie dieses Versprechen seither nicht. Weshalb nicht?
Das ist das perfekte Beispiel dafür, dass der Bundesrat vom Parlament blockiert wird. Der Bundesrat hat eine Motion zur Annahme empfohlen, die eine nationale Pflicht für die Angabe des Vormietzins gefordert hatte. Der Nationalrat hat den Vorschlag abgelehnt. Der Ständerat konnte ihn deshalb nicht einmal diskutieren. Der Bundesrat kann niemanden zu einer Lösung zwingen. Auf Französisch sagt man: «Die Frucht ist noch nicht reif.» Der politische Wille ist noch nicht da.
Sie klingen unzufrieden.
Niemand ist zufrieden. Aber niemand will den ersten Schritt machen, um die Situation zu verbessern.
Sie sagen immer wieder, dass das Parlament den Bundesrat blockiert. Das Parlament besitzt allerdings eine bürgerliche Mehrheit. Die SVP hat die meisten Sitze im Nationalrat. Geht Ihre Kritik also gegen Ihre eigene Partei?
Nein, es zeigt, dass ich zuerst Lösungen finden muss, von denen sich der Bundesrat überzeugen lässt. Und danach befasst sich das Parlament damit. So ist unser System.
Kommen wir zu einer weiteren Abstimmungsvorlage. Der Bundesrat will die Autobahnen ausbauen. Dafür müsste der Bund Landwirte im Berner Mittelland enteignen. Die Bauern werden keine Freude haben.
Natürlich ist es nicht schön für die Bauern, dass sie einen Teil ihres Ackerlands hergeben müssen. Es geht dabei nicht nur um Existenzfragen. Für viele ist das auch eine emotionale Sache. Ich weiss das, weil mein Elternhaus 1964 der Autobahn weichen musste. Es befand sich genau da, wo die A1 gebaut werden sollte. Unser Land ist jetzt durch die Autobahn zweigeteilt. Aber wir sind entschädigt worden und meine Eltern konnten das Haus bauen, in dem ich heute mit meiner Frau lebe.
Sie stehen also hinter dem Autobahnausbau?
Ja. Der Bundesrat hat sich sehr darum bemüht, dass den Bauern so wenig Flächen wie möglich genommen wird. Zudem ist geplant, dass der Bund die Bauern entsprechend entschädigt. Ganz ohne Enteignungen geht es leider nicht. Unser Boden wird immer knapper. Wir haben immer weniger Flächen, die für Grossprojekte wie den Autobahnausbau genutzt werden können.
Vor dem Bundeshaus war diese Woche eine aussergewöhnliche Allianz anzutreffen: Gewerkschaften, SVP und SP demonstrierten Seite an Seite mit den Angestellten des Stahlwerk Gerlafingen. Sie wollen, dass der Bund das Stahlwerk mit Sitz in Solothurn rettet. Es steht kurz vor seinem Aus. Was halten Sie von diesen Forderungen?
Der Bund und damit wir Steuerzahler können im gesetzlichen Rahmen via Kurzarbeit und Massnahmen im Energiebereich unterstützen. Ob das genügt, werden wir sehen. Tatsache ist, dass wir weltweit viel zu viel Stahl auf dem Markt haben. Die Produktion rentiert vielerorts nicht mehr. Mehrere Stahlwerke in Europa haben die gleichen Schwierigkeiten. Es ist ein Strukturwandel im Gang. Damit stellt sich die Frage, wie nachhaltig ein Eingreifen der Politik ist.
Ist das Werk systemrelevant, so wie das die Demonstrierenden behaupten?
Aus volkswirtschaftlicher Sicht ist das leider nicht der Fall. Bei den Produkten von Stahl Gerlafingen handelt es sich um ersetzbare Massengüter, die weltweit gehandelt werden. Bei einem Ausfall eines Schweizer Stahllieferanten könnte es zwar auf Baustellen zu Verzögerungen kommen, schwerwiegende Probleme für die Volkswirtschaft wären aber nicht zu erwarten, weil auf andere Lieferanten oder Produkte ausgewichen werden kann.
Schauen wir noch in die Zukunft: In zwei Wochen werden Sie 65 Jahre alt. Wie lange möchten Sie Bundesrat bleiben?
Ich bin bis zum Ende der Legislatur 2027 gewählt. Ich habe mehrere Projekte, die ich fertig machen möchte. 2026 werde ich voraussichtlich Bundespräsident sein. Ob ich das machen kann, hängt natürlich auch von der Gesundheit ab.
Sie haben sich im August den Arm gebrochen. Sind Sie wieder fit?
Ja, es geht mir wieder sehr gut. Aber wenn ich morgen aufstehen und merken würde, es geht nicht mehr, dann ist das so. Wir leben in Krisenzeiten. Die internationale Situation bereitet mir Sorgen.
Kurz vor Ihrem Geburtstag wird sich die US-Präsidentschaftswahl entscheiden. Welcher der beiden Kandidaten wäre besser für die Schweizer Wirtschaft?
Das ist eine schwierige Frage. Das ist eine demokratische Entscheidung der amerikanischen Bevölkerung. Ich muss sagen, wir haben sehr gut mit der Trump-Regierung zusammengearbeitet. Aber auch mit der Biden-Regierung war die Zusammenarbeit gut. Wichtig ist, dass es nach der Wahl zu einer Stabilisierung kommt.
Für Stabilität würde eher Kamala Harris sprechen?
Niemand kann das im Moment schlüssig beurteilen.
versucht,
führt Runde Tische durch,
schiebt die Verantwortung als BR ab….
Das geht gar nicht!
NICHT MEIN BUNDESRAT!
Mir scheint, dass der Hauseigentümerverband (in den Händen Ihrer Partei, Herr Bundesrat!) immer noch den Löwenanteil an den "Verhandlungen" hat.