Ende des Jahres 2024 will die EU eine neue Regel einführen: Bei sieben Rohstoffen – Soja, Kautschuk, Kaffee, Kakao, Rind, Palmöl und Holz – soll der Import nur noch möglich sein, wenn dafür kein Wald abgeholzt wurde. Das Gesetz ist Mitte 2023 in Kraft getreten und wird für grosse EU-Unternehmen ab Ende des Jahres gelten. KMU werden noch ein halbes Jahr länger Zeit haben, die EU-Entwaldungsverordnung (EUDR) zu implementieren.
Die Schweiz steht nun vor einem Problem: Wenn das Gesetz hierzulande nicht ebenfalls eingeführt wird, wird der Schokoladen-Export in die EU erheblich erschwert. Das wäre fatal, denn zu den wichtigsten Exportmärkten für Schokolade aus der Schweiz gehören die EU-Länder Deutschland und Frankreich.
Deshalb setzt sich ein ungewöhnliches Duo dafür ein, dass die Schweiz die neue EU-Regelung übernimmt: Der Lebensmittelkonzern Nestlé und die Umweltorganisation WWF haben laut Angaben des Tagesanzeigers ein gemeinsames Rechtsgutachten zu diesem Fall erstellt. Die Interessen mögen zwar unterschiedlich sein, doch beide Parteien kämpfen für das gleiche Ergebnis – Nestlé geht es um ungestörten Import und Export, der WWF setzt sich gegen die Zerstörung von Wäldern ein. Aus diesen Gründen plädieren sie dafür, dass die EU-Regeln übernommen werden.
Das Fazit des Gutachtens lautet, dass der Export der betroffenen Schweizer Produkte in die EU deutlich erschwert werden würde, falls die Schweiz die Verordnung nur teilweise oder gar nicht übernimmt. Dazu gehört, dass die Kosten in die Höhe schiessen würden – sofern eine Nachfrage noch vorhanden wäre.
In jedem Fall müssten sich Schweizer Unternehmen in Zukunft mehr oder weniger an die Anforderungen halten, wenn sie in die EU exportieren. Denn sie müssen dem EU-Abnehmer diejenigen Informationen liefern, die dieser braucht, um seine eigenen Sorgfaltspflichten zu erfüllen.
Die Anforderung an Unternehmen besteht unter anderem darin, mithilfe einer Geolokalisation nachzuweisen, dass für die eigenen Produkte nach 2020 kein Wald gerodet wurde. Das gilt für alle, die betroffene Rohstoffe und Erzeugnisse auf dem EU-Markt bereitstellen oder exportieren.
Zudem wird im Gutachten auf eine «erhöhte Dringlichlichkeit» hingewiesen. Als Vergleich wird die EU-Holzhandelsversorgung von 2013 herangezogen, die verbietet, Holz(erzeugnisse) aus illegalem Einschlag in Verkehr zu bringen. Die Schweiz ist dieser Verordnung bis 2022 nicht nachgekommen, wodurch die Schweizer Holzwirtschaft jahrelang benachteiligt wurde. Nun gehe es um noch mehr, da deutlich mehr Rohstoffe, Produkte und Unternehmen als damals betroffen seien.
Der WWF setzt einen anderen Fokus als die wirtschaftliche Benachteiligung der Schweiz: Dem Verein geht es darum, die Abholzung weltweit möglichst zu verringern, um die Artenvielfalt zu bewahren. Auf seiner Website schreibt die Organisation, dass durch Abholzung jährlich um die 13 Millionen Hektar Wald weltweit verschwinden – durch Waldbrände, die durch den Klimawandel zunehmen, und durch die Umwandlung in Nutzflächen für die Landwirtschaft.
Doch warum tut sich der WWF im Kampf gegen den Klimawandel gerade mit Nestlé zusammen – ein Unternehmen, das bei Aspekten des Klimaschutzes immer wieder in die Kritik gerät?
Der WWF hat sich auf Nachfrage von watson zur Zusammenarbeit mit Nestlé geäussert:
Der WWF suche verstärkt den Austausch mit «Unternehmen mit grossem Einfluss auf die Umwelt, Wirtschaft und Politik», damit «noch mehr Wirkung im Naturschutz» erzielt werden könne. Darunter falle dieser «Austausch mit Nestlé und der gemeinsame Einsatz für ein wirksames Entwaldungsgesetz». Eine Partnerschaft bestehe aber explizit nicht.
2023 haben bereits einige Parlamentsmitglieder beim Bundesrat nachgefragt, wie die Schweiz beim EU-Entwaldungsgesetz vorgehen wird – so auch die FDP-Ständerätin Petra Gössi. Der Bundesrat antwortetete ihr in einer Stellungnahme, dass er die Entwicklung verfolge.
Nestlé habe das Bundesamt für Umwelt (Bafu) schon vor einem Jahr im Februar 2023 auf das Gesetz aufmerksam gemacht. Damals habe das Bafu angemerkt, dass es noch zu früh sei, sich damit zu beschäftigen.
Am Mittwoch, den 14. Februar 2024, will der Bundesrat wohl weiter über das Vorgehen bestimmen. Zuständig für diese Angelegenheit ist Umweltminister Albert Rösti (SVP). Er veranlasste eine Prüfung, um festzustellen, wie das Schweizer Recht angepasst werden könnte, und legt dem Bundesrat anschliessend Vorschläge vor.
2. Absatz gelesen, alles klar.
Alles Andere hätte mich stark erstaunt.