Wie Nathalie Wappler den Weg für Susanne Wille ebnete – und ihr das zum Verhängnis wurde
Ende Juni gab SRG-Generaldirektorin Susanne Wille bekannt, dass sie den Fernsehsendern die Zuständigkeit für Sport und fiktionale Produktionen entzieht. Der Chef des Westschweizer Fernsehens schien ungerührt ob der Teilentmachtung. Der Direktor des Tessiner Kanals wirkte desinteressiert. Nathalie Wappler aber machte an der Medienkonferenz in Bern einen nachdenklichen Eindruck. Als sie das Wort ergriff, schaute Susanne Wille nicht mehr ruhig, sondern skeptisch in die Runde.
Die Entfremdung zwischen den beiden war offensichtlich. Nun hat Wappler bekannt gegeben, dass sie im April 2026 abritt als Direktorin des Schweizer Radios und Fernsehens. Sie führt den Sender seit März 2019.
Wille und der SRG-Verwaltungsrat erklären nun wortreich, dass sie das Ausscheiden Wapplers bedauern. Beobachter bei der SRG und am Leutschenbach sind aber überzeugt, dass die SRF-Chefin ihre Funktion gerne noch länger ausgeübt hätte. Als sie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Mittwochmorgen über die Vertragsauflösung ins Bild setzte, habe Wappler aufgewühlt, ja traurig gewirkt.
Wappler beförderte Wille trotz deren Flop
Nathalie Wappler und Susanne Wille: Es ist eine ungewöhnliche Geschichte. Wappler unterstützte Wille, wo sie konnte. SRF-Direktorin Wappler setzte Wille als SRF-Kulturchefin ein. Das war nicht selbstverständlich. In der Informationsabteilung hatte Wille die Aufgabe übernommen, den Newsroom zu reorganisieren. Wille richtete ein Chaos an, über das am Leutschenbach lange Schreckensgeschichten erzählt wurden. Es schien klar, dass die Moderatorin von «10 vor 10» fortan für höhere Aufgaben nicht in Betracht kam.
Wappler setzte trotzdem auf Wille und berief sie in die Geschäftsleitung. Als Kulturchefin fiel Wille nicht ab, aber sie tat sich auf dem für sie ungewohnten Terrain auch nicht besonders hervor. Wappler schien jedoch angetan von ihr. An öffentlichen Anlässen liessen sich die beiden Seite an Seite ablichten. Dann gab Gilles Marchand Anfang 2024 bekannt, dass er als SRG-Generaldirektor zurücktrete.
Beobachter sagen: Nathalie Wappler habe erwartet, dass der SRG-Verwaltungsrat sie für die Nachfolge Marchands kontaktiere. Das geschah aber nicht. Susanne Wille bewarb sich sofort für die Spitzenposition – und sie überzeugte im Ausscheidungsverfahren mit ihrem kommunikativen Talent. Wappler musste mitansehen, wie sie von ihrer Protegée überholt wurde. Die SRF-Direktorin gab nach Wochen bekannt: Sie wolle nicht an die Spitze der SRG, sondern führe weiterhin das Schweizer Fernsehen.
Warum beförderte der SRG-Verwaltungsrat Nathalie Wappler nicht? Die Vorbehalte ihr gegenüber waren gewachsen. Wappler wirkt kühl, wenn sie vor Publikum spricht. Es wurde aber Empathie von ihr erwartet, denn sie hatte den SRF-Angestellten mehrmals schlechte Nachrichten zu überbringen: Der Sender muss Mittel einsparen und Stellen abbauen.
Beim Sparen tat sich die SRF-Chefin schwer
Als Sparmanagerin überzeugte Wappler nicht. Sie kündigte einen Stellenabbau an – und blies ihn einige Monate später ab. Sie erweiterte die SRF-Geschäftsleitung, bis 13 Personen dem Gremium angehörten. Dann erklärte die Direktorin, dass die Geschäftsleitung zu gross sei und verschlankt werden müsse.
Die Inbetriebnahme neuer technischer Infrastruktur und neuer Studios verzögerte sich um Jahre und kostete viele Millionen Franken mehr, als dafür vorgesehen waren. Wappler stand nicht hin und erklärte der Öffentlichkeit die Probleme. Vielmehr wurden SRF-Mitarbeiter ermahnt, auf keinen Fall Informationen über die Pannenserie nach aussen zu tragen.
Wappler engagierte teure Beratungsunternehmen, die bei einer Reorganisation des Medienunternehmens hätten helfen sollen. Mehrere Angstellte berichten, dass die Strukturen in der Folge komplizierter statt einfacher geworden seien. Die kleinen Teams, die zum Teil an den gleichen Themen arbeiten, erhöhen den Bedarf an Koordination.
Es war aber nicht alles schlecht: Das Schweizer Fernsehen lancierte erfolgreiche Serien wie «Neumatt» und «Tschugger», und viele Sportübertragungen erreichten ein grosses Publikum. Die Einschaltquoten von SRF brachen nicht ein unter Wapplers Führung.
Zugleich warten die Zuschauer seit Jahren auf neue Sendungen im Informationsbereich. SRF zeigt sich da wenig innovativ. Viele der Formate, die in den sozialen Medien ein jüngeres Publikum hätten anziehen sollen, sind bereits eingestellt worden.
Wappler kündigte Anfang Jahr auch das Ende des Gesellschaftsmagazins «Gesichter und Geschichten» an. Die Kritik an diesem Entscheid fiel heftig aus. Das Schweizer Fernsehen schien darauf nicht vorbereitet. Und Insider erzählen, dass es zu einem Disput zwischen Nathalie Wappler und Susanne Wille gekommen sei.
Es gab aus der «G & G»-Redaktion einen Plan, die Sendung forzuführen – und zwar weitgehend mit privater Finanzierung. Das Schweizer Fernsehen hätte dank des Sponsors wie geplant Geld gespart. Wappler habe das abgelehnt. Wille sei aber dafür gewesen, das Modell eingehend zu prüfen.
Angeschlagen im Kampf gegen die 200-Franken-Initiative
Eine Untergebene wird zur Vorgesetzten – und distanziert sich dann von der Person, die sie gefördert hat. Diese Geschichte erzählen Journalisten des Schweizer Fernsehens. Wappler beeilt sich, davon abzulenken.
Die Fernsehdirektorin sagt, dass sie stolz darauf sei, Susanne Wille gefördert zu haben. Das Schweizer Fernsehen habe neue Talente hervorgebracht und sei in der Digitalisierung einen grossen Schritt vorangekommen.
Eine neue Stelle hat die 57-jährige Thurgauerin noch nicht. Die Stimmberechtigten werden wahrscheinlich im kommenden Frühling über die 200-Franken-Initiative befinden. Es ist für die SRG nicht optimal, dass nun jemand gegen die Vorlage argumentiert, der bald abritt. Aber kommunikativ wird ohnehin Susanne Wille und nicht Wappler die zentrale Rolle übernehmen.
Wille sagt oft, dass man die SRG neu denken müsse. Niemand weiss, was das bedeutet. Und es ist sprachlich falsch, weil «denken» im Deutschen kein transitives Verb ist. Aber es klingt gut und beeindruckt die Zuhörer. (aargauerzeitung.ch)
