Fall Behring: Was vom grössten Betrugsfall der Schweiz bleibt
Wäre Dieter Behring im März 2019 nicht an einer Leberzirrhose verstorben, wäre er heute wieder ein freier Mann. Das Bundesstrafgericht hatte ihn nach einem über zehnjährigen Strafverfahren wegen Betrugs und anderer Delikte zu fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt. Mit 1300 Geschädigten und einer mutmasslichen Schadenssumme von rund 800 Millionen Franken war Behring für den grössten Anlagebetrug der Schweiz verantwortlich. Doch kurz vor Antritt seiner Gefängnisstrafe starb der Verurteilte.
Zu den Akten ist der Fall jedoch weiterhin nicht gelegt. Das Bundesstrafgericht hat nun in einem Nachverfahren entschieden, wie geprellte Anleger entschädigt werden. Sofern gegen das Urteil nicht Rechtsmittel eingelegt werden, erhalten 630 Gläubiger insgesamt 67,6 Millionen Franken ausbezahlt. Insgesamt hatten sie eine Forderungssumme in Höhe von 220 Millionen Franken geltend gemacht; die Konkursdividende beträgt demnach 30,7 Prozent.
Die Quote ist höher als zuletzt erwartet worden ist. Dies in erster Linie, weil viele der Geprellten nicht mehr daran erinnert werden wollen, dass sie einem kriminellen Schneeballsystem aufgesessen sind; sie haben ihre Verluste abgeschrieben. Und nicht wenige sind – wie Behring selbst – mittlerweile verstorben. Denn die Betrugsmaschine, die Mitte der 1990er-Jahre angelaufen war, flog bereits im Oktober 2004 auf.
Die Justizbehörden haben die Hürden für die Gläubiger allerdings auch maximal hochgelegt: 2021 haben sie von allen verlangt, dass sie ihre rund 20 Jahre alten Forderungen nochmals dokumentiert einreichen. Nur rund die Hälfte jener, die einst mit dem «System Behring» grosse Renditen einfahren wollten, sind dieser Aufforderung gefolgt.
Noch immer sind nicht alle Gelder gesichert
Die Quote ist allerdings auch höher, da erst in den vergangenen drei Jahren die Konkursmasse richtig geäuffnet werden konnte. Die ermittelnde Bundesanwaltschaft hatte zwar bereits bei der Anklageerhebung geschätzt, dass noch rund 70 Millionen Franken als Wertsachen, Immobilien oder auf verschiedenen blockierten Konti im In- und Ausland vorhanden sein müssten. Doch als es darum ging, die Anlagen zu verkaufen und sich der flüssigen Mittel zu bemächtigen, schrumpfte dieser Betrag auf enttäuschende 12,7 Millionen Franken.
Woher die zusätzlichen Mittel stammen, ist aus den derzeit vorliegenden Unterlagen nicht zu erkennen. Bekannt ist lediglich, dass weiteres Vermögen in unbekannter Höhe verstreut vorhanden ist, das den Gläubigern zusteht. So ist die Bundesanwaltschaft noch immer damit beschäftigt, mittels Rechtshilfegesuche Gelder in die Schweiz zu holen, die auf ausländischen Konten liegen.
Eine Schlussabrechnung, wie viele Millionen das Strafverfahren den Staat gekostet hat, was er sich aus der Konkursmasse abgelten liess und was an die Gläubiger fliessen wird, lässt sich gemäss Bundesstrafgericht deshalb noch immer nicht erstellen.
Das Erbschaftsamt ist mit über 700 Gläubigern konfrontiert
Das Bundesstrafgericht ist allerdings auch nicht die einzige Instanz, die mit der Geldverteilung beschäftigt ist. So wurden etwa die auf den Bahamas liegenden Behring-Fonds von der dortigen Behörde liquidiert. Im vergangenen Jahr ist es zu Auszahlungen gekommen. Bekannt ist, dass auf eine Gläubigerforderung von einer Million Dollar gerade 16'000 Dollar zurückflossen.
Behrings Ableben hat die Aufarbeitung weiter erschwert. Aufgrund des letzten Wohnorts ist das Erbschaftsamt von Brugg (AG) damit beschäftigt, das von den Angehörigen ausgeschlagene Erbe zu sichern – und an die zahlreichen Gläubiger zu verteilen, die ihre Zivilforderungen direkt bei Behring einforderten. Die beauftragte Firma Transliq hatte dafür aber zuerst mit der Justiz auszuhandeln, was überhaupt als Privatvermögen gilt und was als arretierter Betrugsgewinn zur Konkursmasse des Strafverfahrens zählt.
Das Verfahren ist noch im Gang. 736 Gläubiger haben Forderungen in Höhe von 790 Millionen Franken angemeldet, berichtete SRF vor drei Jahren. Auch wenn diese Konkursdividende bescheiden ausfallen wird: Der Fall beschäftigt die Instanzen noch 21 Jahre nach dem Betrug, 10 Jahre nach dem Schuldspruch und sechs Jahre nach dem Tod des Verantwortlichen Dieter Behring.