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Dieter Behring: Was vom grössten Betrugsfall der Schweiz bleibt

ARCHIV -- ZUM TOD DES EHEMALIGEN FINANCIER DIETER BEHRING ANFANGS WOCHE, STELLEN WIR IHNEN FOLGENDES BILDMATERIAL ZUR VERFUEGUNG -- Dieter Behring steht vor dem Bundesstrafgericht in Bellinzona am Die ...
Dieter Behring ist vor sechs Jahren verstorben. Sein Erbe als Betreiber eines Schneeballsystems ist aber noch immer nicht bereinigtBild: KEYSTONE/TI-PRESS

Fall Behring: Was vom grössten Betrugsfall der Schweiz bleibt

Seit 21 Jahren warten geprellte Anleger auf ihr Geld. Nun erhalten 630 von ihnen immerhin 67,7 Millionen Franken. Das ist mehr als erwartet.
08.10.2025, 21:5908.10.2025, 21:59
Christian Mensch / ch media

Wäre Dieter Behring im März 2019 nicht an einer Leberzirrhose  verstorben, wäre er heute wieder ein freier Mann. Das Bundesstrafgericht hatte ihn nach einem über zehnjährigen Strafverfahren wegen Betrugs und anderer Delikte zu fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt. Mit 1300 Geschädigten und einer mutmasslichen Schadenssumme von rund 800 Millionen Franken war Behring für den grössten Anlagebetrug der Schweiz verantwortlich. Doch kurz vor Antritt seiner Gefängnisstrafe starb der Verurteilte.

Zu den Akten ist der Fall jedoch weiterhin nicht gelegt. Das Bundesstrafgericht hat nun in einem Nachverfahren entschieden, wie geprellte Anleger entschädigt werden. Sofern gegen das Urteil nicht Rechtsmittel eingelegt werden, erhalten 630 Gläubiger insgesamt 67,6 Millionen Franken ausbezahlt. Insgesamt hatten sie eine Forderungssumme in Höhe von 220 Millionen Franken geltend gemacht; die Konkursdividende beträgt demnach 30,7 Prozent.

Die Quote ist höher als zuletzt erwartet worden ist. Dies in erster Linie, weil viele der Geprellten nicht mehr daran erinnert werden wollen, dass sie einem kriminellen Schneeballsystem aufgesessen sind; sie haben ihre Verluste abgeschrieben. Und nicht wenige sind – wie Behring selbst – mittlerweile verstorben. Denn die Betrugsmaschine, die Mitte der 1990er-Jahre angelaufen war, flog bereits im Oktober 2004 auf.

Die Justizbehörden haben die Hürden für die Gläubiger allerdings auch maximal hochgelegt: 2021 haben sie von allen verlangt, dass sie ihre rund 20 Jahre alten Forderungen nochmals dokumentiert einreichen. Nur rund die Hälfte jener, die einst mit dem «System Behring» grosse Renditen einfahren wollten, sind dieser Aufforderung gefolgt.

Dieter Behring, der mutmassliche Millionenbetrueger, links, und seine Ehefrau Ruth, rechts, verlassen das Bundesstrafgericht in Bellinzona am Montag, 30. Mai 2016. Der 61-jaehrigen Behring soll gemaes ...
Dieter Behring und seine Ehefrau Ruth verlassen 2016 das Bundesstrafgericht in Bellinzona.Bild: KEYSTONE/TI-PRESS

Noch immer sind nicht alle Gelder gesichert

Die Quote ist allerdings auch höher, da erst in den vergangenen drei Jahren die Konkursmasse richtig geäuffnet werden konnte. Die ermittelnde Bundesanwaltschaft hatte zwar bereits bei der Anklageerhebung geschätzt, dass noch rund 70 Millionen Franken als Wertsachen, Immobilien oder auf verschiedenen blockierten Konti im In- und Ausland vorhanden sein müssten. Doch als es darum ging, die Anlagen zu verkaufen und sich der flüssigen Mittel zu bemächtigen, schrumpfte dieser Betrag auf enttäuschende 12,7 Millionen Franken.

Woher die zusätzlichen Mittel stammen, ist aus den derzeit vorliegenden Unterlagen nicht zu erkennen. Bekannt ist lediglich, dass weiteres Vermögen in unbekannter Höhe verstreut vorhanden ist, das den Gläubigern zusteht. So ist die Bundesanwaltschaft noch immer damit beschäftigt, mittels Rechtshilfegesuche Gelder in die Schweiz zu holen, die auf ausländischen Konten liegen.

Eine Schlussabrechnung, wie viele Millionen das Strafverfahren den Staat gekostet hat, was er sich aus der Konkursmasse abgelten liess und was an die Gläubiger fliessen wird, lässt sich gemäss Bundesstrafgericht deshalb noch immer nicht erstellen.

Das Erbschaftsamt ist mit über 700 Gläubigern konfrontiert

Das Bundesstrafgericht ist allerdings auch nicht die einzige Instanz, die mit der Geldverteilung beschäftigt ist. So wurden etwa die auf den Bahamas liegenden Behring-Fonds von der dortigen Behörde liquidiert. Im vergangenen Jahr ist es zu Auszahlungen gekommen. Bekannt ist, dass auf eine Gläubigerforderung von einer Million Dollar gerade 16'000 Dollar zurückflossen.

Behrings Ableben hat die Aufarbeitung weiter erschwert. Aufgrund des letzten Wohnorts ist das Erbschaftsamt von Brugg (AG) damit beschäftigt, das von den Angehörigen ausgeschlagene Erbe zu sichern – und an die zahlreichen Gläubiger zu verteilen, die ihre Zivilforderungen direkt bei Behring einforderten. Die beauftragte Firma Transliq hatte dafür aber zuerst mit der Justiz auszuhandeln, was überhaupt als Privatvermögen gilt und was als arretierter Betrugsgewinn zur Konkursmasse des Strafverfahrens zählt.

Das Verfahren ist noch im Gang. 736 Gläubiger haben Forderungen in Höhe von 790 Millionen Franken angemeldet, berichtete SRF vor drei Jahren. Auch wenn diese Konkursdividende bescheiden ausfallen wird: Der Fall beschäftigt die Instanzen noch 21 Jahre nach dem Betrug, 10 Jahre nach dem Schuldspruch und sechs Jahre nach dem Tod des Verantwortlichen Dieter Behring.

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10 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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MartinZH
08.10.2025 23:06registriert Mai 2019
Der Fall von Dieter Behring, und dass er in der CH mit seinem Schneeballsystem ('Ponzi scheme') so lange wirken konnte – Hinweise und Warnungen gab es in seiner aktiven Zeit schliesslich immer wieder [!] –, ist ein Skandal und absolut kein Ruhmesblatt für die zuständigen CH-Behörden.

Aber dass die Schweizer Justizbehörden die Hürden für die Gläubiger auch noch maximal hochgelegt haben („2021 haben sie von allen verlangt, dass sie ihre rund 20 Jahre alten Forderungen nochmals dokumentiert einreichen“) ist hinsichtlich der Arbeit von CH-Strafverfolgungs- u. -Justizbehörden ein weiterer Skandal.
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PetNat
09.10.2025 01:34registriert März 2014
Es erstaunt mich immer wieder, wie viele Schweizer Anleger solchen “Systemen” vertrauen.

Behring erinnert an den EKC-Sandal in den 1990er Jahren. Zur Auffrischung für jüngere Leser:

“Der European Kings Club (EKC) war ein 1991 lanciertes betrügerisches Ponzi-Schema mit sektenartigen Zügen, welches im Herbst 1994 zusammenbrach. 80.000 Anleger, davon 20.000 aus der Schweiz und ebenso viele aus Österreich, verloren insgesamt 1,6 Milliarden Franken.”

Bei SRF gibt es gute Online-Dokus zum EKC-Fall. Dort erwischte es vor allem den Mittelstand.

Bei Behring tappten auch (Ultra-)Reiche in die Falle.
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