Herr Zwicky, haben Sie als Headhunter auf der Suche nach einem passenden Arbeitnehmer auch schon informelle Quellen angezapft und ungefragt Ex-Chefs angerufen?
Frank Zwicky: Wir holen nur bei den Personen Referenzauskünfte ein, die offiziell angegeben sind. Um auch noch inoffizielle Drittpersonen zu befragen, hätten wir gar keine Zeit.
Eine aktuelle Studie zeigt: 60 Prozent der Arbeitgeber holen persönliche Referenzen auch ohne explizites Einverständnis von Bewerbern ein. Haben die Arbeitgeber ihren Anstand verloren?
Ich bin sehr überrascht von dieser hohen Zahl. Ich erlebe es in der Praxis mit Kunden anders. Falls dies aber tatsächlich stimmt, wäre es erschreckend.
Die Arbeitgeber machen sich mit diesem Handeln strafbar und verstossen gegen das Datenschutzgesetz. Hängt diese Dreistigkeit womöglich auch mit den sozialen Medien und dem gläsernen Bürger zusammen?
Das kann gut sein. Hinzu kommt, dass die Schweiz ein sehr kleines Land ist. Hier kennt praktisch jeder jeden. Da ist schnell einmal eine inoffizielle Referenz eingeholt. Im Ausland und besonders im EU-Raum geht man wegen der neuen Datenschutzverordnung wesentlich sensibler mit den persönlichen Daten der Bewerber um. Völlig legitim hingegen ist, den zukünftigen Arbeitnehmer zu googlen oder dessen Profile in den sozialen Medien zu sichten.
Aber auf den sozialen Kanälen zeige ich mich als Privatperson. Was geht es meinen Arbeitgeber an, welche Bilder ich von mir online stelle?
Privates und Geschäftliches sollte man eigentlich auseinanderhalten. Mit der Digitalisierung und besonders Social Media verfliessen die Grenzen jedoch. Den Arbeitgeber interessiert längst nicht mehr nur der Geschäftssinn einer Person. Soziale Kompetenzen und Persönlichkeit sind genauso wichtig. Und darüber erfährt man einiges auf Facebook und Co.
Wie sollte ich mich auf den sozialen Kanälen denn verhalten, damit ich die besten Jobaussichten habe?
Selfie um Selfie schiessen und sich als der/die Schönste und Beste zu inszenieren, ist eher kontraproduktiv. Wer jung ist, sein Netzwerk ausbauen und sich auf dem Markt behaupten möchte, der sollte aber auf den sozialen Kanälen im normalen Mass präsent sein. Manager und CEO haben bereits ein gutes Netzwerk, da spielt Social Media nicht mehr so eine wichtige Rolle.
Die aktuelle Untersuchung zum Schweizer Arbeitsmarkt zeigt auch, dass die Aussagekraft von Zeugnissen abnimmt. Stirbt das Arbeitszeugnis bald aus?
In der Schweiz ist das Arbeitszeugnis nach wie vor wichtig. Es ist eine Schweizer Eigenheit. In den angelsächsischen Ländern kennen die Leute die Institution des Arbeitszeugnisses gar nicht. Man bewirbt sich mit dem Lebenslauf und gibt Referenzen an. Ich denke, dass das Arbeitszeugnis in der Schweiz noch über längere Zeit bestehen bleibt. Tatsache aber ist, dass viele Arbeitnehmer Teile ihrer Zeugnisse selber schreiben. Das ist auch in grossen Konzernen der Fall. Oft weiss die Personalabteilung nicht genau, was die konkreten Tätigkeiten des Mitarbeiters waren. Deshalb sind Referenzauskünfte so wichtig. Im Zeugnis sieht man, welche Aufgaben die Person im Job ausführte. Mit der persönlichen Referenz lernt man den Kandidat besser kennen. Bei uns geht niemand durch den Bewerbungsprozess, ohne dass wir persönliche Referenzen eingeholt haben.
Wie sieht es eigentlich umgekehrt aus. Holen sich auch Arbeitnehmer Referenzen über den neuen Arbeitgeber ein?
Das passiert sehr viel, vor allem in der Schweiz. Die Kleinräumigkeit führt dazu, dass man sich häufig Infos über Geschäftsvorfälle steckt. Und die sozialen Medien spielen auch hier eine wichtige Rolle. Die meisten Firmen sind dort vertreten und geben einiges preis. Einzig mittlere und kleinere Unternehmen bleiben häufig eine Blackbox für den Bewerber.
Wird Ihr Job nicht anstrengender, wenn nebst Ihren Kunden neu auch die Kandidaten immer wählerischer werden?
Natürlich gibt es unter den Arbeitnehmern eine Firmenwunschliste. Die Bewertungskultur ist aber begrüssenswert. Schliesslich kann man heute im Netz auch jedem Hotel ein paar Sterne verleihen, wieso also nicht auch dem Arbeitgeber? So müssen die Firmen noch stärker darauf achten, dass die Mitarbeiter zufrieden sind. Das sorgt dafür, dass das Mitarbeiterkapital wieder höher gewichtet wird. Und das ist eine gute Entwicklung.