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SDA-Inlandredaktor Sebastian Gänger zur Einigung.

Larissa Baeni, Antoinette Prince, Sebastian Gaenger, Reto Wattenhofer und Stephanie Vonarburg, von links, Vertreterinnen- und Vertreter der SDA-Redaktion und der Gewerkschaft Sydicom kommunizieren den ...
SDA-Inlandredaktor Sebastian Gänger (Mitte) und seine Kollegen von der Redaktionskommission.Bild: KEYSTONE
Interview

SDA-Arbeitskampf beendet – Redaktor fordert: «Nach vielen Worten braucht es jetzt Taten»

Redaktion und Unternehmensspitze der grössten Schweizer Nachrichtenagentur haben sich geeinigt und den monatelangen Streit beigelegt. SDA-Inlandredaktor Sebastian Gänger erklärt, wie die Freude an der Arbeit zurückkehren kann und was die Zimmerpflanzen-Regelung mit dem Streik zu tun hatte.
27.06.2018, 20:4028.06.2018, 08:06
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Mit der Unterzeichnung der Einigung geht ein monatelanger Arbeitskampf bei der SDA zu Ende. Wie ist Ihre Gefühlslage?
Sebastian Gänger:
 Ich empfinde eine grosse Erleichterung, die sich bereits seit letzter Woche breitgemacht hat, als die Redaktionsversammlung dem Einigungsvorschlag zugestimmt hat. Ich bin deshalb erleichtert, weil wir für die Hauptbetroffenen, die über 60-Jährigen, denen gekündigt wurde oder denen eine Kündigung drohte, eine gute Lösung erzielt haben. Die Redaktionskommission hat sie während den ganzen Verhandlungen stark miteinbezogen. Jetzt haben wir für sie das erreicht, was sie sich gewünscht haben und können erstmals durchatmen – so kurz vor den Sommerferien ein perfektes Timing.

Selbstkritisch betrachtet: Wie haben sich Sie und Ihre an den Verhandlungen beteiligten Kollegen von der Redaktionskommission (ReKo) geschlagen?
Die ReKo ist Ende 2017 komplett unvorbereitet in diesen Arbeitskonflikt hineingeraten. Vorher hat sich die ReKo in erster Linie mit Zimmerpflanzen-Reglementen oder der Sitzordnung auf der Redaktion beschäftigen müssen. Dafür haben wir es ziemlich gut gemacht, finde ich (lacht). Neben unserem journalistischen Berufsalltag gerieten wir schnell in eine Situation, in der wir einfach funktionieren mussten. Gemeinsam mit den Gewerkschaften haben wir das dann getan. Und gemerkt: Man kann gar nicht so viel falsch machen – wichtig ist, überhaupt etwas zu machen.

Und welche Note geben Sie sich?
Ich würde sagen ein «Gut» bis «Sehr gut». Im Nachhinein kann man sich sicher fragen, ob wir den Streik nicht zu früh abgebrochen haben und besser gewartet hätten, bis wir etwas Konkretes in den Händen haben. Vielleicht wäre es dann schneller gegangen. Aber mit der heutigen Einigung können wir sicher zufrieden sein – auch wenn wir natürlich keinesfalls wunschlos glücklich sind.

Geschäftsleitung und Verwaltungsrat riefen heute dazu auf, «den Blick nach vorne zu richten». In den vergangenen Wochen und Monaten hat rund ein Viertel Ihrer SDA-Kollegen freiwillig gekündigt oder wurde entlassen. Wie schwer fällt es da, nach vorne zu blicken?
Natürlich fällt das schwer und braucht Zeit. Wir können nichts mit der Parole anfangen: «Die Einigung ist unterschrieben, alles ist wieder gut». Nach vielen Worten braucht es jetzt erst mal Taten. Die Wiedereinstellung der über 60-Jährigen muss sauber abgewickelt werden. Die Unternehmensspitze muss endlich eine klare Strategie vorlegen und die mittel- und langfristige Perspektive aufzeigen.

«Wir trötzeln hier nicht herum. Aber es braucht ein Bekenntnis zu den Mitarbeitenden.»

Das klingt nicht nach Bereitschaft zu einem Neustart ...
Falsch. Wir, die noch hier geblieben sind, sind voll bereit, dieses neue multimediale Unternehmen Keystone-SDA mitzutragen. Wir trötzeln hier nicht herum. Aber es braucht ein Bekenntnis zu den Mitarbeitenden. Wir wollen etwa befriedigende Antworten über das Budget der nächsten Jahre. Nur so können wir sicher sein, dass wir bei einem Unternehmen angestellt sind, bei dem es sich lohnt, über das nächste Jahr hinaus zu arbeiten.

Die Stimmung auf der Redaktion war in den vergangenen Monaten schwer belastet. Kehrt mit der Einigung wieder die Freude an der Arbeit zurück?
Das ist meine Hoffnung. Es wäre schön, wenn über die Sommermonate Ruhe einkehren würde und wir uns nicht am Ende jedes Monats von zahlreichen Kollegen verabschieden müssen. Ich hoffe, wir können uns jetzt wieder vermehrt auf das Journalistische konzentrieren. Schliesslich ist unser Job schon im Normalbetrieb stressig genug.

Letzte Woche stellte der Bundesrat ein neues Gesetz über die elektronischen Medien vor. Gemäss seinem Vorschlag sollen auch Nachrichtenagenturen, bei denen es sich um eine «nicht gewinnorientierte Organisation» handelt, mit Geld gefördert werden. Keystone-SDA ist und bleibt ein gewinnorientiertes Unternehmen. Schafft man jetzt bei der Nachrichtenagentur eine nicht gewinnorientierte Einheit, um an Fördergelder zu kommen?
Über allfällige Pläne dazu sind wir nicht im Bild. Diese Fragen werden wir dem Verwaltungsrat stellen. Ich persönlich hoffe, dass sich die Verleger, unsere Besitzer, damit abfinden, dass wir mit Bundesgeldern unterstützt werden können, wenn wir im Gegenzug einen Service public erbringen. Das tun wir im Übrigen sowieso schon seit langem, nur wird das wirtschaftliche Umfeld dafür immer schwieriger. Ich persönlich hoffe einfach, dass man zur Einsicht gelangt: Eine mit Fördergeldern unterstützte Schweizer Nachrichtenagentur ist immer noch besser als keine Schweizer Nachrichtenagentur.

«Der Streik ist dann das letzte Mittel, wenn Journalisten von ihren Arbeitgebern nicht ernst genommen werden.»

Die SDA ist kein Einzelfall: In zahlreichen Medienhäusern gibt es Reorganisationen, bei denen oft Stellen abgebaut werden oder ganze Zeitungstitel verschwinden. Hat der Streik eine Signalwirkung für andere Journalisten gehabt?
Das ist schwierig zu beantworten. Die erste Reaktion in der Branche beim Streikbeginn war Überraschung. Man hat uns nicht zugetraut, dass wir das durchziehen. Danach erhielten wir rundherum Unterstützung für unseren Kampf. Das war sehr viel wert. Ich kann nicht sagen, ob es bald zu weiteren Streiks in der Medienbranche kommen wird. Alles was ich sagen kann: Der Streik ist dann das letzte Mittel, wenn Journalisten von ihren Arbeitgebern nicht ernst genommen werden. Wenn ich mich so umschaue, gibt es eine solche Behandlung durch die Unternehmensspitze, wie wir sie Anfang Jahr bei uns erlebten, auch in anderen Medienhäusern.

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