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Migros verklagt Bestsmile-Gründer Ertan Wittwer nach Kauf-Debakel

Der gebürtige Thurgauer Ertan Wittwer hat die Firma Bestsmile mit zwei Mitstreitern gegründet.
Der gebürtige Thurgauer Ertan Wittwer hat die Firma Bestsmile mit zwei Mitstreitern gegründet.az/reto martin

Migros verklagt Bestsmile-Gründer nach Kauf-Debakel – so wehrt sich Ertan Wittwer

2022 hat die Migros die Dental-Kette Bestsmile gekauft. Später sprach sie von «Ungereimtheiten» in den Geschäftsbüchern. Nun nimmt Firmengründer Ertan Wittwer erstmals öffentlich Stellung zum Streit mit dem Detailhandelskonzern.
18.02.2025, 07:2218.02.2025, 07:22
Florence Vuichard / ch media
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Das Lachen ist mittlerweile allen Beteiligten vergangen: dem Gründer des Zahnkorrektur-Jungunternehmens, Ertan Wittwer, der Migros, die dieses 2022 vollständig übernommen hatte, und den Bestsmile-Mitarbeitenden, haben sie doch ihren Job verloren. Die Bestsmile-Filialen wurden bis zum 31. Januar 2025 allesamt geschlossen, das Unternehmen wird liquidiert, sämtliche Bemühungen, eine einvernehmliche Lösung zu finden zwischen Wittwer und der Migros sind gescheitert.

Best Smile AG, Bestsmile Filliale in Zürich
Die Bestsmile-Filialen wurden schweizweit geschlossen.Bild: watson

Nun geht es vor Gericht weiter. Die Migros hat gegen Wittwer und die beiden anderen Bestsmile-Mitgründer eine zivilrechtliche Klage eingereicht, wie Recherchen von CH Media ergeben haben. «Leider können wir uns zu einem laufenden Verfahren nicht äussern», sagt Migros-Sprecherin Prisca Huguenin-dit-Lenoir und bestätigt damit indirekt die Informationen. «Aus juristischen Gründen» könne die Migros «keine weiteren Auskünfte geben».

Ertan Witter reagiert überrascht: «Wir haben bis jetzt keine Information von der Migros oder von einem Gericht über eine Klage», hält er auf Anfrage fest und nimmt damit zum ersten Mal überhaupt ausführlich Stellung im Konflikt, der schon länger schwelt und aufgrund von Recherchen von CH Media publik geworden war. Und Wittwer ergänzt:

«Wir finden es unangebracht, dass wir davon über die Medien erfahren.»

Bestsmile soll 50 Millionen Umsatz gemacht haben

Das Bestsmile-Abenteuer startete für die Migros Ende 2019. Sie stieg über ihr mittlerweile ebenfalls liquidiertes Innovationsvehikel Sparrow Ventures zuerst mit einem kleineren Anteil bei der Firma ein, die 2018 von Wittwer, Philip Magoulas und Marcel Kubli gegründet worden war. Im Frühjahr 2022 übernahm sie Bestsmile ganz, Wittwer blieb als Einziger der drei Gründer an Bord, allerdings nur als Verwaltungsrat.

Wie viel die Migros insgesamt für Bestsmile bezahlt hat, wollen die beiden Streitparteien nicht sagen. Marktbeobachter gehen von rund 100 Millionen Franken aus. Klar ist aber, dass die Migros ihrer Ansicht nach zu viel bezahlt hat. Man habe sich über den Tisch ziehen lassen, ist von Insidern zu hören. «Im Rahmen der Überprüfung des Bestsmile-Geschäftsberichts 2021 wurden im Herbst 2023 Ungereimtheiten festgestellt», hielt ein Konzernsprecher im Februar 2024 gegenüber CH Media fest. Heute will sich die Migros nicht mehr zum Fall äussern.

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Ex-Migros-Chef Fabrice Zumbrunnen forcierte die Expansionsstrategie des inzwischen aufgelösten Start-up-Vehikels Sparrow Ventures.Bild: keystone

Wittwer hingegen betont auf Anfrage, dass Bestsmile «im Zeitpunkt des Verkaufs eine erfolgreiche Firma» gewesen sei. Sie habe 50 Millionen Franken Umsatz gemacht und sei profitabel gewesen. Zuerst habe die Migros die Kontrolle über Bestsmile unbedingt haben wollen, und dann habe die Fähigkeit gefehlt, das Unternehmen zu führen.

«Nun wollen sie uns nachträglich wider besseres Wissen die Schuld in die Schuhe schieben.»

Wittwer: «Es ist absurd»

Bei den ursprünglich von der Migros genannten «Ungereimtheiten» geht es gemäss Recherchen um unterschiedliche Buchungsstandards, die beim Jahresabschluss kurz vor dem Verkauf zur Anwendung gekommen seien. Vereinfacht gesagt: Die Migros glaubt nun, die Verkäufer hätten kurz vor der Transaktionsberechnung den Umsatz und damit den Gewinn hochgeschraubt, was sich letztlich in einem zu hohen Kaufpreis niedergeschlagen habe.

Etwas, was die Verkäufer wieder bestreiten. «Wir haben die Vorwürfe über den von BDO ordentlich revidierten Geschäftsabschluss letztes Jahr nochmals unabhängig analysieren lassen», sagt Wittwer jetzt. Bei BDO handelt es sich um die zuständige Prüfgesellschaft, welche die Jahresabschlüsse von Bestsmile verantwortete. «Vier namhafte Buchhaltungsexperten kamen zum Schluss, dass der Revisionsbericht von BDO in jeder Hinsicht korrekt war.»

Zudem: Die Migros sei für den Geschäftsabschluss während und nach dem Kauf «über ihren Vertreter im Verwaltungsrat» mitverantwortlich. In der Tat sass Sparrow-Chef Lorenz Lüchinger seit 2019 im Verwaltungsrat bei Bestsmile. «Bei der Übernahme der Aktien bestand volle Transparenz über alle Zahlen und die Migros machte auch eine ausführliche Due Diligence», sagt Wittwer. Also eine Sorgfaltsprüfung. Und er fügt an: «Es ist absurd drei Jahre später, nachdem die Firma durch schlechtes Management in die Liquidation getrieben wurde, eine Anpassung des Kaufpreises zu verlangen.»

Es geht jetzt letztlich also nur noch um Geld. Um wie viel genau, bleibt unklar. Sicher ist jedoch, dass sich die Streitparteien nicht gütlich einigen konnten. Nun soll es ein Richter richten. (aargauerzeitung.ch)

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17 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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001243.3e08972a@apple
18.02.2025 07:56registriert Juli 2024
Auch die CS von Weisse-Weste-Rohner und Tidjam war geprüft.
Lupenrein geprüft.
🤷🏻‍♂️
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Hosesack
18.02.2025 07:41registriert August 2018
Hier haben sich zwei Unschuldslämmer gefunden. Das wird spannend wie das Gericht die Sache sieht.
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ELMatador
18.02.2025 07:45registriert Februar 2020
Hier haben so viele versagt … jetzt einen Schuldigen dafür zu finden, ist eher ironisch als etwas anderes.

Die Migros hat bei der Übernahme definitiv ihre Sorgfaltspflicht über den Haufen geworfen. Dass Ertan Wittwer ein bisschen geflunkert und Zahlen schöngeredet hat, ist klar. Er ist ein selbsternannter Grossinvestor, der eigentlich keine Ausbildung im Medizinalwesen hat, sich aber genau in diesem Bereich mit seinen grössten Unternehmen bewegt. Dass da etwas komisch ist, sollte den meisten auffallen.
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