Die Ausgangslage war vielversprechend: Die Wirtschaft sucht händeringend nach Mitarbeitenden, und die Personen, die wegen des Angriffskriegs aus Russland fliehen mussten, dürfen hierzulande dank des «Schutzstatus S» ohne Wartefrist einer Erwerbstätigkeit nachgehen, was wiederum ihre Integration und ihre finanzielle Situation verbessern sollte. Gemäss den neusten Zahlen des Staatssekretariats für Migration (SEM) sind knapp 34'000 der insgesamt rund 58'000 in die Schweiz geflohenen Ukrainerinnen und Ukrainer im erwerbsfähigen Alter.
Doch nun zeigt sich: Zwar interessieren sich 56 Prozent und damit über die Hälfte der hiesigen Unternehmen grundsätzlich für dieses Arbeitskraftpotenzial, in der Realität haben aber bis heute gerade mal 9 Prozent der Firmen eine Ukrainerin oder einen Ukrainer angestellt. So lautet das letztlich ernüchternde Resultat einer Umfrage bei 376 Unternehmen in der deutsch- und französischsprachigen Schweiz, welche das Forschungsinstitut Sotomo im Auftrag des Arbeitgeberverbands zwischen dem 18. und 25. Juli durchgeführt hat.
Der Grund für die geringe Anzahl an Anstellungen ortet der Arbeitgeberverband vor allem bei den «ungenügenden Sprachkenntnissen». In der Tat: 45 Prozent der befragten Unternehmen geben an, die fehlenden Deutsch- respektive Französischkenntnisse würden sie daran hindern, überhaupt oder zusätzliche aus der Ukraine kommende Personen anzustellen. Insbesondere Unternehmen aus der Gastrobranche sehen hier ein grosses Problem: Für 64 Prozent sind die «ungenügenden Sprachkenntnisse» der Grund, wieso die Restaurants, Bars und Hotels trotz verzweifelter Suche nach Köchinnen und Kellnern keine Personen aus der Ukraine beschäftigen. Bei Unternehmen aus dem Sozial- und Gesundheitswesen sind es 57 Prozent.
Dies ist gemäss dem Arbeitgeberverband umso ärgerlicher als das auch jene Branche seien, «die grundsätzlich am meisten Potenzial bei der Anstellung von ukrainischen Flüchtlingen erkennen». Und so fordern gemäss Umfrage 62 Prozent der Unternehmen in Bezug auf Sprachkursangeboten ein höheres Engagement von Bund und Kantonen.
Rund ein Drittel der Unternehmen wünscht sich zudem, eine grössere Planungssicherheit bezüglich der Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis. Konkret soll gemäss den Firmen die Gültigkeit des Schutzstatus S verlängert werden - und zwar auf die Dauer der Anstellung. Heute ist er auf ein Jahr befristet, das heisst folglich, dass die Aufenthaltserlaubnis bei den jenen, die gleich nach Kriegsausbruch in die Schweiz gekommen sind, bereits in einem halben Jahr ausläuft.
Die Unklarheiten bei den Bewilligungen würden viele Unternehmen verunsichern, hält Arbeitgeberverbandspräsident Valentin Vogt fest. Eine langfristige Perspektive bezüglich Aufenthalt der ukrainischen Geflüchteten in der Schweiz, würde die Hemmschwellen zur Schaffung von Praktika und Lehrstellen in den Unternehmen senken.
Ebenfalls ein Drittel der befragten Firmen wünscht sich, dass die Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) eine aktivere Rolle bei der Registrierung und Vermittlung von potenziellen Arbeitskräften übernehmen würden. Denn die Probleme bei der Rekrutierung sind beachtlich, wie auch Judith Bellaiche, die Direktorin des ICT-Verbands Swico, weiss. Es sei «ausgesprochen schwierig», in der föderal aufgebauten Schweiz direkt an die Geflüchteten zu gelangen. Zudem fehle es teilweise an Wissen über den hiesigen Arbeitsmarkt. «Hier wäre eine Unterstützung durch die RAV sehr zu begrüssen.»
Die mangelnden Kenntnisse über den hiesigen Arbeitsmarkt - oder allenfalls auch das Desinteresse daran - zeigt auch der Umstand, dass ein Viertel der befragten Unternehmen angibt, «keine» oder «kaum» Bewerbungen von Personen aus der Ukraine erhalten zu haben.
Gemäss den aktuellsten SEM-Zahlen liegt die Erwerbsquote der Ukrainerinnen und Ukrainern in der Schweiz bei gut 10 Prozent. Damit ist die «Erwerbsquote bei ukrainischen Geflüchteten höher ist als bei anderen Flüchtlingsgruppen», wie Karin Keller-Sutter im Interview mit CH Media festhielt. Auch die Justizministerin nennt die Sprache als «grösste Hürde», doch anders als der Arbeitgeberverband, der nach staatlichen Sprachkursen ruft, appelliert sie diesbezüglich an das «Engagement der Wirtschaft». Es gebe Branchen, die Einführungs- oder eigene Deutschkurse anbieten würden.
Trotz nicht allzu mässiger Erfahrungen aus den vergangenen sechs Monaten, der Arbeitgeber hält am Plan der Arbeitsmarktintegration fest und will ihn sogar ausbauen. Das liegt nicht zuletzt an den positiven Rückmeldungen jener wenigen Firmen, die bereits Ukrainerinnen und Ukrainer angestellt haben. 85 Prozent sind gemäss der Sotomo-Umfrage mit der Arbeit dieser Personen «zufrieden» oder wenigstens «eher zufrieden».