Am Mittwoch entscheidet der Ständerat über die Revision des Aktienrechts. Hört sich unspektakulär an? Ist es aber keineswegs. Denn die Reform hat es in sich. Ihr Ziel ist eine Modernisierung des Aktienrechts. Was dabei am meisten zu Reden gibt, ist der Vorschlag des Bundesrates für einen Zielwert der Geschlechterverteilung in grossen börsenkotierten Unternehmen: Im Verwaltungsrat sollen Frauen und Männer zu mindestens 30 Prozent und in der Geschäftsleitung zu mindestens 20 Prozent vertreten sein.
Nach Inkrafttreten des neuen Gesetzes sollen die Unternehmen fünf Jahre Zeit erhalten, um diese Richtwerte zu erfüllen. Wird die Quote nicht erreicht, müssen sie in ihrem Vergütungsbericht an die Aktionäre erklären, warum die Geschlechter nicht wie vorgesehen vertreten sind und Massnahmen zur Förderung des weniger stark vertretenen Geschlechts vorlegen. Sanktionen gibt es keine.
Der Nationalrat verabschiedete das revidierte Aktienrecht bereits im Juni vor einem Jahr. Er hat zwar bei anderen Punkten einiges geändert, aber der Abschnitt zu den Geschlechterrichtwerten blieb unangetastet.
Der Ständerat wies dann das Geschäft zur Beratung an seine Rechtskommission zurück. Dort, hinter den verschlossenen Kommissionstüren, wurde nun offenbar Kritik an der Geschlechterregelung laut. In einer Medienmitteilung im Mai dieses Jahres wurde schliesslich verkündet, eine Mehrheit der Rechtskommission habe sich dafür ausgesprochen, die Geschlechterrichtwerte für Geschäftsleitungen aus dem neuen Gesetz zu kippen.
Ein Blick in die Mitteilung der Kommission zeigt, um wen es sich bei den Verhinderern der frauenfördernden Massnahme handelt. Es sind die bürgerlichen Ständeräte Beat Rieder (CVP) Stefan Engler (CVP), Fabio Abate (FDP), Andrea Caroni (FDP), Martin Schmid (FDP) Thomas Hefti (FDP) und Thomas Minder (parteilos), die den Abschnitt aus dem Gesetz kippen wollen, wobei einer von ihnen sich seiner Stimme enthalten hat.
Der Widerstand der Männer stösst insbesondere den Frauen sauer auf. Maya Graf und Kathrin Bertschy, die einerseits für die Grünen respektive für die Grünliberalen im Nationalrat sitzen und andererseits den Frauenverband Alliance F präsidieren, schreiben in einer Mitteilung: «Nachdem sich der Nationalrat im letzten Sommer mit einer Gegenstimme für diese Regelung ausgesprochen hat, steht sie jetzt im Ständerat wieder auf der Kippe!» Sie weisen auf den grossen Erfolg des Frauenstreiks und fordern den Ständerat auf, am Mittwoch nun diesen «klitzekleinen Schritt» für ein Ziel von 20 Prozent Frauen in Geschäftsleitungen zu machen.
Liebe Ständeräte, 100'000ende fordern am #Frauenstreik2019: Gleichstellung muss Realität werden. Sie sind gefordert: Wagen Sie den zaghaften Anstoss, dass börsenkotierte Firmen sich ein Zielchen von 20% Frauen in Geschäftsleitungen setzen – zu viel verlangt? #Aktienrechtsrevision pic.twitter.com/4j0YGmecgc
— alliance F (@alliance_F) 17. Juni 2019
Doch die sieben Ständeräte verteidigen den Entscheid. Beat Rieder: «Ich halte Richtwerte für die Geschäftsführung für falsch.» Andrea Caroni: «Es ist Sache der Aktionäre, nicht des Staates, wem ein Eigentümer sein Geld beziehungsweise seine Unternehmung anvertrauen will.» Fabio Abate: «Wir wollen vermeiden, dass massiv in die Autonomie der Gesellschaft eingegriffen wird.» Und Thomas Minder: «Es ist nicht Aufgabe des Gesetzgebers zu definieren, welches Geschlecht oder welche Eigenschaften und Fähigkeiten ein Verwaltungsrats- oder ein Geschäftsleitungsmitglied haben muss.»
In der Rechtskommission des Ständerates sitzt auch Anne Seydoux (CVP). Anders als ihre Parteikollegen spricht sie sich für eine Geschlechterverteilung in Verwaltungsräten und auch in Geschäftsleitungen aus. «Obwohl Frauen und Männer per Gesetz gleichgestellt sind, reicht offenbar die Selbstregulierung im oberen Management von grossen Unternehmen nicht aus», sagt sie. Der Vorschlag des Bundesrates auf die Lösung dieses Problems sei vernünftig. «Es ist das Minimum, um die Förderung von Frauen in Entscheidungspositionen in Unternehmen zu verbessern.»
CVP-Ständerätin Brigitte Häberli bringt das Aufbegehren der Ständeräte in der Rechtskommission nicht aus der Ruhe. «Ich bin zuversichtlich, dass die Geschlechterregelung am Mittwoch auch im Ständerat durchkommt», sagt sie. Bei vielen Ratskollegen herrsche mehrheitlich Bereitschaft, dass nach dem Nationalrat nun auch die kleine Kammer der Revision zustimme.
Sie werde alles Mögliche an Überzeugungsarbeit leisten, dass diese – wie sie betont – «absolut moderate Bestimmung» der Geschlechterfrage für Verwaltungsräte und Geschäftsleitungen bestehen bleibe. «Es handelt sich ja nicht um eine Quote und die Unternehmen erfahren bei Nichteinhalten keinerlei Sanktionen. Sie müssen lediglich in ihrem Geschäftsbericht eine Begründung abgeben.» Von einem zusätzlichen Bürokratieaufwand könne keine Rede sein. Vielmehr sei es ein wichtiges Zugeständnis, Frauen den Weg in die oberste Führungsstufe zu ebnen.
Dass die Hürden für frauenfördernde Massnahmen im Ständerat höher sind als im Nationalrat, ist wenig verwunderlich. Liegt doch die Geschlechterverteilung in der kleinen Kammer bei 15 zu 85 Prozent. Häberli sagt: «Wir sind sechs Frauen im Ständerat, eine bedenklich tiefe Zahl. Ich hoffe, dass sich das im Herbst ändert und dass ich dann zahlreiche neue Kolleginnen bekomme, sollte ich wiedergewählt werden.»