Schock und Katerstimmung herrschen nach der erzwungenen CS-Übernahme durch die UBS. Die 167-jährige Bank verschwindet. Das muss erst einmal verdaut werden. Wie gross ist das Klumpenrisiko mit dem Giganten UBS für die Schweiz? Was bedeuten die 209 Milliarden Franken, mit denen die öffentliche Hand im schlimmsten Fall haftet? Braucht es eine Sondersession des Parlaments?
Alles wichtige Fragen, doch es sei noch eine andere erlaubt – eine Frage zur Ursachenforschung: Wo waren eigentlich die Verwaltungsräte und Verwaltungsrätinnen der Credit Suisse?
Man hat in den letzten, dramatischen Wochen und Monaten nie etwas gehört von dem Gremium, das gemäss Obligationenrecht immerhin die oberste Führungsverantwortung trägt. Da heisst es in Artikel 716:
Und weiter:
Von den zwölf Damen und Herren haben fünf einen Schweizer Pass, die anderen sieben stammen aus China, Brasilien, den USA und anderen Ländern.
Und wir ergänzen das amtierende Dutzend noch mit einem weiteren Kopf: Mit jenem des Langzeit-Verwaltungsratspräsidenten Urs Rohner, der im Jahrzehnt des Niedergangs die CS führte und 2021 wegen Amtszeitbeschränkung zurücktrat. Und der viele der amtierenden Mitglieder geholt hat, von denen man nie etwas gehört hat.
Gewiss, in der Schweiz gelten Verwaltungsratsgremien traditionell als eher schwach, auch in der Krise. «In schlechten Zeiten kann man sie nicht brauchen, und in den guten Zeiten braucht es sie nicht», so drückt es Christoph Blocher aus. Und leider dürfte er recht behalten.
Aber im Fall der CS lässt sich das Gremium für seine mehr als diskrete Arbeit gut entlöhnen, wie dem jüngsten Vergütungsbericht zu entnehmen ist. 10.4 Millionen Franken haben die VR-Mitglieder kassiert. Präsident Axel Lehmann hat Anrecht auf eine Basisvergütung von 3 Millionen Franken in cash plus Pensionskassenzuschläge – und das trotz seines medienwirksam inszenierten Verzichts auf die Vorsitzpauschale von 1.5 Millionen. Die restlichen Mitglieder des obersten Strategiegremiums erhalten zwischen 370'000 und 850'000 Franken – je nachdem, welchen Ausschuss sie angehören. Rund 205'000 Franken gab es für Michael Klein, der im Oktober aus dem Verwaltungsrat ausschied, um später dann die Investmentbank übernehmen zu können.
Das Gremium besteht – diversitätspolitisch vorbildhaft – aus sieben Frauen und fünf Männer. Die Hälfte hat einen Banking-Hintergrund, die anderen sind Professorinnen, Versicherungsexperten und sogar die ehemalige Finanzchefin des Organisationskomitees der Olympischen Spiele in Brasilien sitzt drin. Schweizer Staatsangehörige sind in der Minderheit, und ausser der Professorin Iris Bohnet, die dem Gremium seit 2012 angehört, und der Versicherungsfachfrau Seraina Macia, die 2015 dazugestossen ist, sind alle 2018 oder später in den VR gekommen. Die Hälfte ist wie Lehmann erst seit 2021 oder gar 2022 dabei.
Ganz anders Urs Rohner: Zehn Jahre hat er den Verwaltungsrat präsidiert, davor war er schon im Verwaltungsrat und viele Jahre Chefjurist, hat Krise um Krise durchgestanden: die Finanzkrise, den Steuerstreit mit den USA, den Megabonus seines CEO Brady Dougans, die Beschattungsaffäre von dessen Nachfolger. Nie hat er etwas davon gewusst, nie blieb etwas an ihm hängen, nie übernahm er für etwas die Verantwortung. Die Milliarden-Pleiten Greensill und Archegos fielen unter seine Regentschaft, die Folgen mussten stets andere ausbaden – und sie sind noch lange nicht ausgestanden.