Nein, nein, Airbnb trägt nicht Schuld daran, dass sich Durchschnittsverdienerinnen und Geringverdiener gerade in Schweizer Grossstädten und Tourismusregionen kaum noch Wohnraum leisten können. Zu diesem Schluss kommt das US-Unternehmen zumindest selbst. In seinem «Airbnb Report», den es vergangene Woche an alle Medien verschickte.
Darin sind die «neusten Erkenntnisse von Airbnb» zu lesen: «Kurzzeitvermietungen über Airbnb haben keinen signifikanten Einfluss auf den Wohnungsmarkt.» Inserate des Typs «gesamte Unterkunft», die 2024 mindestens 90 Nächte gebucht worden waren, würden nur 0,14 Prozent aller Wohneinheiten im Land ausmachen. Also «nur einen winzigen Bruchteil der fast 4,8 Millionen Wohneinheiten in der Schweiz», schlussfolgert die Plattform. Die Auswirkungen von Airbnb auf den Wohnungsmarkt in der Schweiz seien deshalb «vernachlässigbar».
Es macht wenig Sinn, den Anteil an Airbnb-Wohnungen in der ganzen Schweiz auf den Gesamtwohnungsmarkt im Land hochzurechnen. Bezahlbarer Wohnraum ist nicht überall knapp. Gemäss Definition des Bundesamts für Wohnungswesen herrscht in elf Kantonen Wohnungsnot. In neun Kantonen besteht Wohnungsknappheit. In sechs Kantonen ist ausreichend Wohnraum vorhanden oder es besteht sogar ein Überangebot, beispielsweise im Jura.
Dieser Problematik scheint sich Airbnb bewusst zu sein. Doch auch hier hat das Unternehmen gute Neuigkeiten in seinem Bericht: «In den Schweizer Grossstädten bleibt der Anteil mit nur 0,4 Prozent in Genf, 0,27 Prozent in Zürich und weniger als 0,2 Prozent in Bern und Basel gering.»
Diese Ergebnisse überraschen. Mehr noch. Sie widersprechen den Resultaten, die unabhängige Stellen bisher errechnet haben. Eine Studie von 2018 im Auftrag der Zürcher Regierung kam etwa zum Schluss: Airbnb-Wohnungen machen im Kanton 3,8 Prozent des gesamten Mietwohnungsmarkts aus. Eine neuere Auswertung der Stadt Zürich vom März 2025 zeigt, dass Business-Apartments 2,1 Prozent des Gesamtwohnungsmarkts in der Stadt ausmachen.
In einer Zeit, in der sich in der Stadt Zürich nur gerade 169 freistehende Wohnungen finden lassen, zählt die Stadt 4990 Business-Apartments. Das sind so viele wie noch nie zuvor. Im Vergleich zu 2017 ist ihr Anteil um rund 80 Prozent gestiegen. Jede fünfzigste Stadtzürcher Wohnung wird nicht mehr regulär bewohnt, sondern kurzzeitig möbliert vermietet und professionell bewirtschaftet. Auf Plattformen wie Airbnb.
Wie kann es also sein, dass Airbnb auf einen so markant tieferen Einfluss kommt? watson hat beim Unternehmen nachgefragt. Von der Kommunikationsabteilung heisst es: «Wir stellen fest, dass andere Studien häufig Daten von Scraping-Seiten wie InsideAirbnb verwendet haben.» Also Programme, die öffentlich zugängliche Daten auf der Website automatisiert sammeln und in grosse Datensätze verwandeln.
Derlei Grundlagendaten würde Airbnb ablehnen, weil sie fehleranfällig seien und teils ungenaue Informationen lieferten. «Beispielsweise darüber, ob ein Angebot zum Zeitpunkt tatsächlich aktiv ist und von einem Gast gebucht werden kann oder nicht.»
Tatsächlich ist die Datenlage für unabhängige Studien über den Einfluss von Airbnb auf den Wohnungsmarkt ein Problem. Allerdings, weil Airbnb seine Zahlen nicht für die Forschung zur Verfügung stellt. Doch daran muss die Einordnung des Airbnb «Reports» nicht scheitern.
Ein Hinweis für die grossen Unterschiede findet sich in einer unscheinbaren Fussnote. Airbnb hat nicht den Anteil aller auf ihrer Plattform vermieteten Wohnungen am Gesamtwohnungsmarkt berechnet. Sondern: «Gesamte Unterkünfte auf Airbnb, die im Jahr 2024 mindestens 90 Nächte gebucht wurden, ausgenommen Aufenthalte von mehr als 28 Tagen.»
Übersetzt heisst das: Alle Wohnungen, die Gäste länger als 28 Tage am Stück gebucht hatten, hat Airbnb aus der Berechnung herausgestrichen. Also genau jene Unterkünfte, die den grössten Einfluss auf die Verknappung und Verteuerung von Wohnraum haben: Business-Apartments.
watson wollte von Airbnb wissen, wie der Einfluss von Airbnb auf den Gesamtwohnungsmarkt aussähe, wenn es Business-Apartments hinzuzählen würde. Und zwar sowohl in den einzelnen Städten als auch in der gesamten Schweiz. Auf diese Frage antwortete die Kommunikationsabteilung ausweichend. Selbst wenn man Langzeitvermietungen dazuzählen würde, befände sich der Anteil am Gesamtwohnungsmarkt noch «auf einem sehr geringen Niveau». Und zwar «insgesamt immer noch bei unter 0,2 Prozent des Schweizer Wohnungsmarktes».
Weiter verteidigt sich die Medienstelle damit, dass Airbnb sich beim Report auf «Kurzzeitvermietungen» fokussiert hatte. Diese Argumentation geht allerdings nicht auf. Aus den Berechnungen ausgeklammert hat das Unternehmen nämlich auch alle Unterkünfte, die 2024 weniger als 90 Nächte im Jahr gebucht worden sind. Also: Kurzzeitvermietungen.
In diesem Punkt gibt die Medienstelle zu: «Unterkünfte auf Airbnb mit weniger als und mehr als 90 Übernachtungen im Jahr machen weniger als 1% des Wohnungsmarktes in jeder Stadt und im gesamten Land aus.»
Trotz Nachfrage hat Airbnb nicht konkretisiert, was «unter 1 Prozent» bedeuten soll. Ebenso wenig wollte Airbnb genaue Zahlen zu den Langzeitvermietungen nennen. Man habe «alle zur Verfügung stehenden Daten» geteilt und könne «als börsennotiertes Unternehmen keine weiteren Informationen» zur Verfügung stellen.
Was Airbnb in seinem «Report» ebenfalls ausklammert, sind Informationen zu den Gemeinden in den Tourismusregionen. Denn wie der Tages-Anzeiger für 2024 in einer Analyse aufzeigen konnte, ist der Einfluss von Airbnb auf den Wohnungsmarkt in touristischen Berggemeinden viel grösser als in den Städten. Grösser als in der seit jeher und aus zahlreichen anderen Gründen von knappen bezahlbaren Wohnraum betroffenen Stadt Zürich.
In Lauterbrunnen wird fast jede vierte Wohnung auf Airbnb angeboten. In Démoret jede fünfte. Inwiefern diese Wohnungen komplett auf dem regulären Wohnungsmarkt wegfallen, ist zwar schwer einzuschätzen. Der Gemeindepräsident von Lauterbrunnen, Karl Näpflin, sagte gegenüber dem «Tages-Anzeiger» jedoch:
Weiter stellte die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete (SAB) 2024 in einem Bericht fest: «Wenn die via Online-Plattformen vermieteten Wohnungen einen erheblichen Anteil am Gesamtwohnungsmarkt ausmachen, haben sie einen verknappenden Angebotseffekt auf den Erstwohnungsmarkt und die Mietpreise werden in die Höhe steigen.»
Gerade Eigentümerinnen und Eigentümer von Zweitwohnungen würden ihre Ferienwohnung auf Plattformen wie Airbnb vermieten. In jener Zeit, in der sie ihre Ferienwohnung nicht selbst nutzten. Damit könnte Airbnb in das bereits bestehende Problem von Zweitwohnungen in Tourismusregionen hineinspielen. Gemäss SAB haben Einheimische und Angestellte in touristischen Hotspots zunehmend Probleme, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Gleichzeitig drohe durch diese Dynamik Übertourismus.
Es ist kein Zufall, dass Interlaken als Tourismus-Hotspot schlechthin eine der ersten Gemeinden war, die sich gegen Airbnb wehrte. Seit 2021 gilt dort eine Registrierungspflicht für Airbnb-Angebote, ein Moratorium für neue Zweitwohnungen und ein Kurzvermietungsverbot in den Wohnzonen.
Diese Massnahmen nützen dennoch kaum etwas. Verstösse aufzudecken, ist eine mühselige Arbeit. Im September 2024 hat die SP-Ortsgruppe Interlaken deshalb die nächste Volksinitiative eingereicht: «Wohnraum schützen – Airbnb regulieren». Diese sieht vor, dass Wohnungen höchstens 90 Nächte pro Jahr über Plattformen wie Airbnb vermietet werden dürfen.
Doppelt so viele Unterschriften, als nötig gewesen wären, sammelte die SP-Ortsgruppe in Interlaken für diese Initiative. Und das auch noch zwei Monate vor Ablauf der Frist. Die Bevölkerung hat offenbar die Nase voll von Airbnb und Co. Das zeigt sich auch in zahlreichen anderen Gemeinden, Städten und Kantonen, die in den letzten Jahren Massnahmen gegen Airbnb ergriffen haben oder planen.
In der Stadt Luzern dürfen Wohnungen über Plattformen wie Airbnb seit dem 1. Januar dieses Jahres noch maximal 90 Nächte im Jahr vermietet werden. Eine ähnliche Regulierung existiert im Kanton Genf, im Kanton Tessin und in der Stadt Bern bereits, in der Stadt Zürich hat die SP eine Initiative lanciert.
Die Veröffentlichung des «Airbnb Reports» kommt also zu einem Zeitpunkt, an dem der Druck auf das Unternehmen steigt. Deshalb hat es sich für die ganze Aktion die renommierte Schweizer PR-Agentur Farner zur Seite geholt. Leider jedoch mit mässigem Erfolg. Nur wenige Medienunternehmen haben über ihren Report berichtet. Und wenn sie es taten, dann mit Betonung auf dessen zweifelhafte Aussagekraft.
War doch die Idee von AirBnB, dass wenn ich eine Reise mache oder länger Weg bin, die Wohnung nicht leer steht. Und so meine Kosten gedeckt sind!
Aber mit dem professionellem Vermieten lässt sich nun viel Geld verdienen.
An sich ja ok, dass eine Wohnung nicht mehrere Monate leersteht. Nur verdienen sie halt wirklich Geld damit…
Und was soll das nützen? Die Wohnung wird doch trotzdem auf dem regulären Markt fehlen, oder nicht? Sie kann ja nicht regulär vermietet werden und zwischendurch müssen die Mieter raus, damit sie auf Airb'n'b angeboten werden kann...
Und z.B 12x1000.- Miete =12000.-
90 * 200.- Airbnb = 18000.- ist ja immer noch lukrativer.