Einmal pro Jahr müssen die Stromlieferanten der Schweiz gegenüber ihren Kunden ausweisen, woher sie den Teil des Stroms beziehen, den sie nicht selbst produzieren. So informierten beispielsweise die IWB (Industrielle Werke Basel) kürzlich, dass ihr Strom (zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energiequellen hergestellt) zu 76,66 Prozent aus der Schweiz, und dementsprechend zu 23,34 Prozent aus dem Ausland, stammt. Darunter fallen zum Beispiel sämtliche Windenergie und ein Anteil der Sonnenenergie.
Wie muss man sich das vorstellen? Dass irgendwo an der Nordsee ein Windrad nur für die Schweiz dreht? Leider ist die Antwort nicht so einfach.
Über Stromnetze muss man Folgendes wissen: Es muss immer genau so viel eingespeist werden, wie bezogen wird. Stellvertretend kann man sich dafür einen riesigen Swimmingpool vorstellen, mit Millionen von verschieden grossen Abflusslöchern (Konsumenten) und Tausenden von verschieden grossen Zuläufen (Produzenten). Die Aufgabe der Produzenten ist es, dafür zu sorgen, dass immer so viel Wasser in den Pool fliesst, dass der Pegel weder sinkt noch steigt. Ihre individuellen Beigaben vermischen sich allerdings während dieses Prozesses.
Das Pool–Beispiel bietet sich deshalb an, weil es veranschaulicht, dass der Konsument über die eigentliche Quelle des physisch bezogenen Guts im Dunkeln tappt. Er bezieht Wasser/Strom aus dem Pulk. Stellt sich also die Frage, wie es den IWB möglich ist, ihren Konsumenten nur Strom aus Erneuerbaren anzubieten.
Um das Dilemma zu lösen, werden parallel zu jeder produzierten Kilowattstunde Strom Herkunftsnachweise produziert. Diese sind handelbar. Wenn der Schweizer Lieferant verspricht, dass seine Energie zu 100 Prozent aus erneuerbaren Quellen stammt, dann heisst das nichts anderes, als dass der Konzern für die Menge an physisch erworbenem Strom dieselbe Menge Herkunftsnachweise aus erneuerbaren Quellen erstanden hat. Was auf den ersten Blick keinen intuitiven Eindruck macht, ist eine pragmatische Lösung, um Herkunftsnachweise zu ermöglichen – und vor allem, um Hersteller von sauberer Energie entsprechend zu entlöhnen.
Einige der Folgen dieses Systems sind indes schwer nachzuvollziehen. So können auch isländische Zertifikate erworben werden. Dies, obwohl keine Leitung von der 1000 Kilometer vom norwegischen Festland entfernten Insel nach Europa existiert. Der physische isländische Strom wird nur auf der Insel verbraucht – die Herkunftszertifikate aber sind frei handelbar. Auch Schweizer Lieferanten kaufen diese.
Die Frage, woher unser Strom importiert wird, lässt sich deshalb nur auf die Herkunftsnachweise herunterbrechen – und diese werden in vierteljährlichen Reports von der Pronovo AG, der akkreditierten Zertifizierungsstelle für die Erfassung von Herkunftsnachweisen in der Schweiz, ausgewiesen (Cockpit HKN). Bevor wir zu den Zahlen der ersten beiden Quartale im Jahr 2023 schreiten, ein kleines Ratespiel. Welche Zertifikate erstanden Schweizer Stromlieferanten am meisten?
Gewinnen tut mit Abstand norwegischer Wasserstrom. Deutsche Windenergie findet sich unter ferner liefen – noch hinter niederländischem Solarstrom. Am zweitmeisten importierten wir im ersten Quartal übrigens serbischen Wasserstrom.
Im zweiten Quartal, und das zeigt die Wechselhaftigkeit des Geschäfts, spielt die serbische Wasserkraft keine Rolle mehr. Der Handel mit Norwegen blüht weiter. Wasserkraft wird aber auch aus Frankreich und Schweden importiert. Erneut spielt die deutsche Windkraft hierzulande keine entscheidende Rolle – dafür die niederländische Photovoltaik.
Schade; gerade diesen Öko-Strom sollten und könnten wir selber herstellen.
Aus dem Report lässt sich auch ableiten, wie gross der Hebel da wäre, um etwas zu verändern - auch in anderen Ländern - weil nämlich dadurch die Strompreise unter Druck kämen. Und Solarstrom ist heute günstiger herstellbar als Atomstrom.