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Messeturm: Eine Überbauung in Zürich erinnert an strenge Tabak-Regeln

Beim neuen Zürcher Messeturm in Seebach wird auf die Nicht-Raucher-Regel auf Englisch aufmerksam gemacht.
Beim neuen Zürcher Messeturm in Seebach wird auf die Nicht-Raucher-Regel auf Englisch aufmerksam gemacht.Bild: Benjamin Weinmann

Rauchen unerwünscht!
Eine Überbauung in Zürich erinnert an strenge Tabak-Regeln in den USA

In einem boomenden Quartier Zürichs überrascht ein neues Verbotsschild, wie man es hierzulande bisher nicht kannte. Folgen bald weitere?
24.04.2025, 22:4024.04.2025, 23:01
Benjamin Weinmann / ch media
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In US-Städten wie Los Angeles oder San Francisco sind es sich die Leute gewohnt: Vor Gebäuden im öffentlichen Bereich darf normalerweise nicht geraucht werden. Zigaretten sind unerwünscht. In Europa haben es Raucherinnen und Raucher leichter. Zwar hat sich das Rauchverbot in den Gebäuden durchgesetzt. Doch im freien Raum sind den Rauchschwaden kaum Grenzen gesetzt.

Umso mehr sorgt die Regel einer neuen Überbauung in Zürich-Seebach für Verwunderung. Dort, in einem der am stärksten wachsenden Gebiete der Stadt, steht seit einigen Monaten der Messeturm, der mit Gewerbe- und Büroflächen auf 21 Etagen wirbt. Im Erdgeschoss ist eine Kita eingezogen, im Herbst folgt eine Migros-Filiale.

Bei allen Eingängen ist ein Verbotszeichen zu sehen mit dem englisch verfassten Hinweis: «Smoking prohibited inside the building and within 8 meters.» Zu Deutsch: Rauchen ist im Gebäude und innerhalb von 8 Metern verboten.

Grossfirmen wollen Gesundheit fördern

Betrieben wird der Messeturm von der Firma Stump + Partner. Geschäftsführer und Architekt Henrik Stump nimmt zu den ungewohnten Verbotsschildern gegenüber CH Media Stellung. Grund dafür sei die sogenannte LEED-Platinum-Zertifizierung. Dabei handelt es sich um ein Nachhaltigkeitsgütesiegel aus den USA. «Viele grössere, insbesondere börsenkotierte Firmen, die möglicherweise bei uns einziehen, legen Wert auf Ökologie, um ihre Nachhaltigkeitsziele zu erreichen», sagt Stump. Dabei spiele auch die Umweltbelastung ihrer Büros eine Rolle, genauso wie von ihrer Fahrzeugflotte.

Der neue Messeturm in Zürich-Seebach.
Der neue Messeturm in Zürich-Seebach.Bild: Benjamin Weinmann

Die Platinum-Auszeichnung der LEED-Zertifizierung erhalte man nur bei der Erreichung einer äussert hohen Punktzahl aufgrund zahlreicher Öko-Massnahmen. Teil davon ist auch das Thema Gesundheit und damit der Schutz vor dem Passivrauchen. Deshalb habe man die Verbotsschilder angebracht.

Doch wie genau gilt das Verbot? Wie wird es überprüft und wie werden Verstösse geahndet? Stump geht mit den Fragen locker um. Er gehe davon aus, dass die 8-Meter-Limite nicht bis auf öffentlichen Grund reiche, aufs Trottoir also, aber das müsste man allenfalls messen. Die Zahl von 8 Metern stammt von der US-Vorgabe von 25 Fuss, die umgerechnet und aufgerundet wurde. Das Rauchverbot gilt laut Stump nur für die Eingangsbereiche auf Privatgrund, auch wenn die Formulierung – bewusst oder unbewusst – missverständlich ist und für den Raum um den ganzen Messeturm verstanden werden kann.

«Sind nicht päpstlicher als der Papst.»

Eine Rauch-Polizei sei auch nicht unterwegs. «Wir sind nicht päpstlicher als der Papst», sagt Stump. Wenn der Hausabwart immer wieder Verstösse gegen das Verbot beobachte, könnte er die Rauchenden auf das Schild aufmerksam machen. Bussen würden nicht ausgesprochen. «Wenn es Wiederholungstäter gibt, könnten wir deren Firmen, also unsere Mieter, angehen und auf die Bedingungen im Mietvertrag verweisen, an die sich ihre Angestellten halten müssen.»

Innerhalb von 8 Metern darf nicht geraucht werden – zumindest bei den Ein- und Ausgängen.
Innerhalb von 8 Metern darf nicht geraucht werden – zumindest bei den Ein- und Ausgängen.Bild: Benjamin Weinmann

Laut Kay Killmann, Europachef der LEED-Vergabeorganisation Green Building Certification, gibt es in der Schweiz über 100 Bauprojekte mit dem LEED-Label, wovon 30 das Platinum-Level erreichen würden, darunter auch der Hauptsitz des Olympischen Komitees in Lausanne. Wie viele davon auch das Rauchverbot verhängt haben, sagt er nicht.

Derweil begrüsst die Lungenliga die Massnahme. Claudia Künzli, Geschäftsleitungsmitglied der Gesundheitsorganisation, verweist auf die Tatsache, dass beim Passivrauchschutz im Freien die Distanz eine Rolle spielt: «Je weiter weg man von rauchenden Personen steht, desto mehr vermischt sich der Tabakrauch mit frischer Luft, und folglich ist die Schadstoffkonzentration tiefer.» Deshalb seien insbesondere bei Ein- und Ausgängen grosszügige Nichtrauchzonen wünschenswert.

Rauchfreie Schulareale und Spielplätze

Claudia Künzli von der Lungenliga betont die Gefahren des Passivrauchens.
Claudia Künzli von der Lungenliga betont die Gefahren des Passivrauchens.Bild: zvg

Tatsächlich sei im Bundesgesetz zum Schutz vor Passivrauchen nur von geschlossenen Räumen die Rede. Das Rauchen auf öffentlichem Grund ist nicht geregelt. Allerdings haben einige Kantone strengere Regeln. «Sie verbieten das Rauchen zum Beispiel auf Schularealen, auf Spielplätzen, in Schwimmbädern und auf Schlittschuhplätzen.» Am weitesten gehe der Kanton Genf. So hat dieser zuletzt auch das Rauchen an Tram- und Bushaltestellen verboten. Die Einhaltung dieser Regel wird allerdings nicht strikt kontrolliert und geahndet.

Ansonsten hätten insbesondere Gesundheitsinstitutionen punkto Tabakkonsum und Passivrauchschutz die strengsten Regeln, sagt Künzli. «Es gibt bereits Spitäler, auf deren Gelände das Rauchen grundsätzlich verboten ist.»

In Europa sorgte kürzlich Mailand in Sachen Rauchverbot für Schlagzeilen. Seit Anfang Jahr gilt in der italienischen Metropole auch draussen ein generelles Rauchverbot. Rasch eine Zigarette zu qualmen vor dem Restaurant oder draussen vor dem Büro – das ist nicht mehr erlaubt. Ein grosser Abstand zu anderen Menschen ist angesagt.

Mieter riskiert die Kündigung

Ist das Rauchverbot beim Messeturm in Zürich also ein Vorbote für die Schweiz? Fabian Gloor, Jurist und Leiter der Mietrechtshotline des Mieterinnen- und Mieterverbands, zeigt sich über den Hinweis überrascht. Ihm sind bisher keine ähnlichen Fälle bekannt. Aus Sicht der Mieterinnen und Mieter gelte aber durchaus eine Pflicht zur Rücksichtnahme. «Wenn jemand durch den Rauch potenziell gefährdet ist, oder sich daran stört, kann ein solches Verbot angezeigt sein.»

Beim Schweizer Hauseigentümerverband (HEV) bezeichnet man derartige Rauchverbote im Aussenbereich wie beim Zürcher Messeturm als «eher selten», sie könnten aber bei neuen Überbauungen mit Fokus auf die Gesundheit vorkommen. «Beispiele gibt es etwa bei Wohnprojekten mit gemeinschaftlichen Grünflächen, Spielplätzen oder Spitälern», sagt HEV-Juristin Neslihan Kaya. «Oft basiert das Verbot auf Hausordnungen oder Reglementen.»

Solche Rauchverbote an der frischen Luft können grundsätzlich zulässig sein, insbesondere wenn es sich um privaten Grund handle und sich der Hauseigentümer auf sein Hausrecht stütze. Aber: «Solche Verbote müssen verhältnismässig sein und dürfen weder Mieter noch Stockwerkeigentümer unzumutbar einschränken», sagt Kaya. Ein konkreter Abstand oder Radius, wie die genannten 8 Meter, sei rechtlich nicht fix geregelt. «Ob ein solcher Umfang zulässig ist, hängt von den konkreten Umständen vor Ort ab und muss im Einzelfall geprüft werden.»

Und wenn das Verbot von einem Mieter oder einer Mieterin nicht eingehalten wird? Dann droht laut Kaya in einem ersten Schritt eine schriftliche Abmahnung. «Bei wiederholtem Verstoss riskiert der Mieter eine Kündigung des Mietvertrages.» (aargauerzeitung.ch)

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Als Rauchen noch als vornehm galt
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Als Rauchen noch als vornehm galt
John Lennon 1969 in Toronto, Kanada. Es weht damals noch ein anderer Wind um rauchende Promis. Niemand stört sich gross daran, dass die Stars paffen – für die Nachteile des Tabakkonsums gibt es nicht so ein Bewusstsein wie heute.
quelle: zuma dukas dukas / ?? 2005 by jeff goode/toronto star
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150 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Hosesack
24.04.2025 23:53registriert August 2018
Für meinen Geschmack ist das Rauchen nicht das Problem, sondern das damit verbundene Littering.
Ich wohne neben einem Billig-Gym, wessen die Kundschaft gerne raucht. Neben dem auf dem Boden spucken müssen der Filter auch im hohem Bogen weggeflippt werden.
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Pebbles F.
25.04.2025 00:16registriert Mai 2021
Als ich vor Jahren noch geraucht habe, hat mich das Konzept in Singapur absolut überzeugt: überall hat es öffentliche Aschenbecher und wer eine Kippe (oder Kaugummi, Papier oder sonstwas) an den Boden wirft, wird enorm hoch gebüsst.
Mich stört der Rauch der rauchenden Leute in meiner Umgebung überhaupt nicht, ich schätze es aber, wenn sie kleine Klappaschenbecher mit sich tragen.
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Herr Hirnweh Grübelmüd
24.04.2025 23:00registriert März 2025
Ich rauche zwar selbst gelegentlich, aber ich kann diese Regeln vollumfänglich unterstützen. Und zwar nicht wegen des bisschen Rauchs in der Luft, sondern weil Raucher halt ekelhaften Dreck produzieren und sich oft auch nicht darum scheren.
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