«Ich bin kein Rassist», beteuerte der Zürcher Politiker Patrick Walder vergangene Woche vor Gericht. Der Kantonsrat und ehemalige Präsident der SVP des Kantons musste sich wegen Verstosses gegen die Rassismus-Strafnorm vor dem Bezirksgericht Uster verantworten.
Nun hat Walder vor Gericht einen Sieg errungen. Das Bezirksgericht Uster spricht ihn vom Vorwurf der Rassendiskriminierung frei. Wobei der Richter zu Beginn der Urteilsverkündung betonte, dass es nicht beurteilt habe, ob Walder ein Rassist sei oder nicht.
Auslöser für die SVP-Medienmitteilung war ein Vorfall im Frankfurter Hauptbahnhof, bei dem ein Eritreer aus dem Kanton Zürich eine Mutter und ihren 8-jährigen Sohn vor einen einfahrenden Zug schubste. Der Knabe starb. Der Täter kam dauerhaft in eine psychiatrische Klinik.
Die SVP schrieb, dass diese abscheuliche Tat einmal mehr zeige, dass es sich bei «solchen Personen um nicht integrierbare Gewalttäter» handle, die in der Schweiz nichts verloren hätten. Sie würden «Familien, namentlich Frauen und Kinder, in Gefahr bringen».
Walder hat sich wegen einer Medienmitteilung der Partei aus dem Jahr 2019 vor dem Einzelrichter verantworten müssen. Aus Sicht der Staatsanwaltschaft hat die Zürcher SVP Eritreer darin pauschal als Gewalttäter verunglimpft und in ihrer Menschenwürde herabgesetzt. Als Präsident sei Walder für den Inhalt verantwortlich. Das geforderte Strafmass: eine bedingte Geldstrafe und eine Busse.
Das Gericht kommt zu einem anderen Schluss. Es teilt zwar die Einschätzung, dass die Medienmitteilung gegen die Anti-Rassismus-Strafnorm verstösst. Eritreer würden im Communiqué pauschal herabgesetzt. Mit den Formulierungen werde «ein feindseliges, diskriminierendes Klima geschaffen beziehungsweise unterstützt und der Gedanke gefördert, dass aus Eritrea stammende Personen unerwünscht sind», so der Richter.
Doch kann Walder für diesen Inhalt verantwortlich gemacht werden?
Der Richter befindet: Nein. Walder hatte sich in der Verhandlung nicht mehr erinnern können, ob er die Medienmitteilung vor der Veröffentlichung gesehen und abgesegnet hatte – er war zu diesem Zeitpunkt in den Ferien.
In einer früheren schriftlichen Stellungnahme gegenüber der Staatsanwaltschaft habe er die Verantwortung dafür übernommen, hatten die Anwälte der Privatklägerinnen und Privatkläger argumentiert. Dabei handelt es sich um den Eritreischen Medienbund sowie zwei Privatpersonen mit eritreischen Wurzeln. Das Gericht hält nun aber fest, dass das E-Mail nicht berücksichtigt werden dürfe, da Walder damals nicht auf seine Rechte aufmerksam gemacht worden war.
Der Eritreische Medienbund, der als Privatkläger in diesem Prozess auftrat, kritisierte Walder harsch. Dieser stehle sich aus der Verantwortung, schrieb der Eritreische Medienbund in einer Medienmitteilung zum Urteil. Unzufrieden sind die Eritreer auch mit der Staatsanwaltschaft, die offensichtliche Beweise «nicht sicherstellte». Der Richter habe immerhin klargestellt, dass mit Hass gegen Minderheiten keine Politik gemacht werden dürfe.
Angesichts des Freispruchs lehnt das Gericht die Forderung des Eritreischen Medienbunds ab, dass sich Walder öffentlich entschuldigen muss. Auch erhalten die Kläger keine Entschädigung für die Anwaltskosten. Walder wird dagegen eine Prozessentschädigung von 5000 Franken zugesprochen.
Er sei erleichtert über den Ausgang des Verfahrens, sagt der SVP-Politiker. Als damaliger Parteipräsident übernehme er politische Verantwortung, jedoch nicht die juristische. Im Wahlkampf, in dem man sich damals befand, habe er nicht alle Verlautbarungen der Partei vor der Veröffentlichung anschauen können.
Die Beurteilung des Gerichts, dass die Medienmitteilung in Teilen rassistisch ist, könne er nicht nachvollziehen. «Wir wollten nie jemanden beleidigen oder diskriminieren», sagt er.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der Eritreische Medienbund prüft einen möglichen Weiterzug an das Zürcher Obergericht. (nib/aargauerzeitung.ch)
Aber anscheinend ist das – sei es in der Politik oder in der Privatwirtschaft – anders: Verantwortung bedeutet oft nur, das eigene Salär zu rechtfertigen, nicht aber, tatsächlich Verantwortung für das Geschehen innerhalb der Organisation zu übernehmen.