Nach den Jury-Voten zunächst mal das grosse Erstaunen: Wo, WO bitte sehr, blieben die bei den Wettquoten alles überragenden Schweden? Und woher kam plötzlich dieses Italien in die Top Five? Und die Schweiz auf Platz 2?
Doch dann kamen die Publikumsstimmen vom Televoting rein.
Wow.
La Suisse: Zéro points!
Handkehrum schoss Israel dank hunderter Publikumsvoten auf den ersten Platz. Und es kam zum Showdown mit Österreich. Würde am Ende Israel den ESC gewinnen? Really? Ausgerechnet jetzt?
Doch nein. JJ aus Österreich mit seinem exaltierten, hochvirtuosen Kontertenor gefiel nicht nur elitären Länderjurys, sondern auch einem gesamteuropäischen TV-Publikum.
Doch selten war die Ausgangslage derart offen wie dieses Jahr. Und ein hartes Feld war es auch noch. Gleich eine ganze Reihe von Acts traten an, die deutlich auf Spitzenniveau agierten und damit die Messlatte ungewöhnlich hoch legten. JJ aus Österreich setzte mit seinen anspruchsvollen Gesangsparts neue Standards, doch auch Griechenland, Israel, Polen und etliche weitere überzeugten mit starken Stimmen. Und selbst Fun-Nummern wie Malta, Grossbritannien oder Luxemburg boten imposante Gesangsleistungen.
Ebenfalls auffallend: Wie sehr die Bühnen-Inszenierung eines Songs wichtig geworden ist. Einige Künstler, die von den Buchmachern als Favoriten gehandelt wurden, rutschten nach schwachen Auftritten im Halbfinale in den Quoten ab. Frankreich, etwa, hatte sein gesamtes Pulver bereits vor dem ESC bei einer irrwitzig riesigen Song-Lancierung im Stade de France verschossen, weshalb Louanes Sand-Regen-Auftritt auf der Basler Bühne seltsam unbeeindruckend rüberkam.
Dagegen walzte Maltas überbordender Hedonismus alles nieder. Und Finnlands Einsatz eines fliegenden, feuerspeienden Phallus Riesenmikrofonständers war ebenso imposant wie hirnrissig. In a good way.
Und HEY: Wie gut war eigentlich die Rahmenshow? Das Moderatorinnen-Trio: ausschliesslich grossartig.
Sandra Studer schmiss den Laden mit einer Selbstverständlichkeit, als würde sie dies jedes Wochenende machen. Derweil mauserte sich Hazel Brugger zu einem paneuropäischen Internet-Meme. Und Michelle Hunziker, hach, hat eh gewonnen, sobald sie eine TV-Bühne betritt. Der Rückblick mit Paolo und Peter, Sue & Marc war süss. Und das Song-Battle zwischen Baby Lasagna und Kaarija schlicht genial.
Was aber bleibt: Der Eurovision Song Contest 2025 war aus künstlerischer, musikalischer und kreativer Sicht eines der grössten ever. «Wasted Love» hat gewonnen. Wasted effort – verlorene Mühe – war aber nichts.
Aber produktionstechnisch war das ganz grosses Kino. Die 3 Moderatorinnen souverän, die Schweiz authenisch rübergebracht mit den Einspielerm und Bühne/Licht/Effekte/Timing für eine Live Show sackstark. Und das in dieser herleichsweisen Mini-Hall St. Jakob. Kompliment allen Beteiligten.
Was ich mich aber ernsthaft frage, was ist nur mit Nemo passiert? Geht es dem gut als Mensch? Für mich hat das nicht mehr viel mit Gender oder anderssein zu tun.