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Non-Home-Trained-Players – warum über diese SFV-Regel diskutiert wird

Basels enttaeuschter Torhueter Heinz Lindner nach dem Fussball Meisterschaftsspiel der Super League zwischen dem FC Basel 1893 und dem FC Zuerich im Stadion St. Jakob-Park in Basel, am Sonntag, 1. Mai ...
Heinz Lindner musste den FCB auch deshalb verlassen, weil er nicht in der Schweiz ausgebildet wurde.Bild: keystone
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Non-Home-Trained-Players – warum plötzlich über diese SFV-Regel diskutiert wird

Im Schweizer Fussball wird über die Kontingentierung von Non-Home-Trained-Players diskutiert. Aber was ist das überhaupt? Wieso braucht es diese Regel und wer will sie abschaffen? Ein Erklärstück.
23.07.2022, 06:19
Céline Feller / ch media
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Es ist eine Debatte, die wohl noch ein bisschen länger schwelen wird. Zumindest, wenn man es mit dem FC Basel hält. Oder mit Heinz Lindner. Oder mit beiden. Die Debatte rund um die Verpflichtung von Marwin Hitz. Auch wenn Hitz, der ablösefrei von Borussia Dortmund kam, bereits zwei Spiele absolviert hat und Lindner einen neuen Verein mit dem FC Sion.

Le gardien valaisan Heinz Lindner, en action, lors d'un match amical de football entre le FC Sion et le RC Strasbourg, ce samedi 9 juillet 2022 au complexe sportif du Cret d?Eau a Divonne-les-bai ...
Heinz Lindner hütet neu das Sion-Tor.Bild: keystone

Wer sportlich gesehen den Wechsel nicht nachvollziehen kann, der hat im Communiqué der Basler eine Erklärung geliefert bekommen, wieso Hitz seinem Vorgänger vorzuziehen ist. Hitz ist ein HTP. Ein sogenannter «Home Trained Player.» Eine Thematik, die in Zukunft an Bedeutung gewinnen könnte. Aber auch eine, die vor Komplexität in den Tiefen der Regularien trieft. Ein Erklärstück.

Was ist ein HTP und wie wird man zu einem?

Ein HTP, ein «Home Trained Player», ist ein Spieler, welcher ungeachtet seiner Nationalität im Alter zwischen 15 und 21 über eine Dauer von drei Jahren im besagten Verein oder einem anderen Klub des Schweizer Fussballverbandes (SFV) ausgebildet wurde. So steht es in Artikel 168 des Wettspielreglements des SFV.

Dabei wird auf den Tag genau darauf geachtet, dass der Spieler 36 Monate erfüllt. Diese drei Jahre müssen aber nicht aufeinanderfolgend sein. Fehlt in der Summe jedoch auch nur ein Tag, erreicht ein Spieler nicht den Status eines HTP. Wer den Status als HTP jedoch einmal erworben hat, der verliert diesen auch nie mehr.

Basels Torhueter Marwin Hitz, links, und U21-Torhuetertrainer Michael Bauch, rechts, beim Training mit der ersten Mannschaft des FC Basel 1893 in Basel, am Freitag, 17. Juni, 2022. (KEYSTONE/Georgios  ...
FCB-Goalie Marwin Hitz gilt wegen seiner Jugendjahre beim FC St.Gallen als «Home Trained Player».Bild: keystone

Wieso ist es für einen Verein wichtig, HTPs im Kader zu haben?

Weil die Regeln in der Schweizer Liga strikt sind. Auf der Kontingentsliste eines Teams, welche maximal 25 Namen umfassen darf und welche die Vereine bei der Liga einreichen müssen, sind nur 17 Non-HTP zugelassen. Spieler unter 21 Jahren besetzen keinen Platz auf der Liste.

Heisst: Will ein Verein sein Kontingent ausschöpfen, muss er die restlichen 8 Plätze ausschliesslich mit HTPs füllen, die eingesetzt werden dürfen. Ursprünglich hätte die Regel gar verschärft werden sollen. In der Übergangssaison 2022/2023 hätten es noch deren 15 Non-HTP sein dürfen – und ab der Spielzeit 2023/2024 noch 13.

Basels Andy Pelmard schreibt Autogramme bei der Wiedereroeffnung des FCB-Fanshops in Basel, am Donnerstag, 14. Juli 2022. (KEYSTONE/Georgios Kefalas).
FCB-Innenverteidiger Andy Pelmard absolvierte sein fussballerische Ausbildung nicht in der Schweiz, sondern bei OGC Nice.Bild: keystone

So war es in Artikel 17 des Reglements über die Qualifikation der Swiss-Football-League-Spieler festgehalten. Philippe Guggisberg, Kommunikationschef der Swiss Football League (SFL), sagt:

«Die Statistiken der letzten Jahre haben gezeigt, dass das Kontingent von 17 Non-HTP-Spielern beim grössten Teil der Klubs nicht ausgeschöpft wurde. Darum wurde zu Händen der GV im November 2020 der Vorschlag gemacht, das Kontingent entsprechend anzupassen, was von einer klaren Mehrheit der Klubs angenommen wurde.»

An der diesjährigen GV im Mai aber wurde diese Verschärfung gestoppt. Somit bleibt es bis auf weiteres bei einem Maximum von 17 Non-HTP-Akteuren, welche ein Team auf die Liste setzen darf.

Wieso ist eine solche Regelung aus Sicht des SFV so wichtig?

Die Motivation des Verbandes ist klar: er will seine eigenen Spieler schützen. Guggisberg sagt:

«Generell geht es darum, den Schweizer Fussball und die Ausbildung, in die von allen Beteiligten viel Geld, Manpower und Energie gesteckt wird, zu schützen und zu stärken. Die Erfolge der A-Nationalmannschaft (aber auch der U21-Nationalmannschaft) zeigen, dass diese Strategie langfristige Erfolge bringt.»

Zusätzlich stärken in der Schweiz ausgebildete Spieler auch die Verbundenheit und die Identifikation der Klubs mit den lokalen Fans, Partnern und Sponsoren, so Guggisberg. «Das ist in unserer schnelllebigen Zeit nicht zu unterschätzen.»

The joy of the players of the Swiss team, during the UEFA Nations League group A2 soccer match between Switzerland and Portugal at the Stade de Geneve stadium, in Geneva, Switzerland, Sunday, June 12, ...
Mit der HTP-Regelung soll auch die Schweizer Fussball-Nati gestärkt werden.Bild: keystone

Wie sehen die Vereine diese Regelung?

YB sagt auf Anfrage, dass die Regelung «in Ordnung und nicht zu streng ist. Die Ausbildung muss im Vordergrund stehen, das ist auch die Basis für die Nationalmannschaft. Daher ist der BSC Young Boys im Sinne des Schweizer Fussballs klar für einen Erhalt der Regel.» Die restlichen Vereine sehen es ähnlich.

Der FCB hingegen ist kein Freund davon. Kaderplaner Philipp Kaufmann sagt:

«Die HTP-Regelung ist in unseren Augen nur beschränkt interessant. Klar hilft es den Identifikationsfiguren oder älteren Schweizer Spielern, aber nicht den jungen Talenten. Das macht, auch weil die Schweiz eine Ausbildungsliga ist, nicht viel Sinn.»
Medienchef Simon Walter, Alex Frei, David Degen, Verwaltungsratspraesident der FC Basel Holding AG, und Kaderplaner Philipp Kaufmann, von links, an der Medienkonferenz, wo Alex Frei als neuer Cheftrai ...
Die HTP-Regelung ist der sportlichen FCB-Führung ein Dorn im Auge.Bild: keystone

Die Regelung sei nicht per se verkehrt, aber da aktuell ein Spieler erst ab dem Alter von 21 auf der Kontingentsliste steht, «ist es nicht zum Schutz der Jungen. Aus den genannten Gründen würden wir die Regelung gerne ändern, diese Beschränkung von 17 Non-HTP aufheben», so Kaufmann weiter.

Ist eine Aufhebung oder zumindest eine Anpassung der Regelung in absehbarer Zeit denkbar?

Eine komplette Aufhebung kaum. Auch, weil sich neben dem FCB ja kein Verein vehement dafür einsetzt. Ausserdem warnt Guggisberg:

«Ein Abkommen von der bestehenden Regelung könnte zur Folge haben, dass die Ausbildung in der Schweiz vernachlässigt würde und noch stärker als schon bisher auf ausländische Spieler gesetzt würde. Das könnte wiederum negative Auswirkungen auf die Entwicklung der Nationalmannschaften haben, was kontraproduktiv für den Schweizer Fussball wäre.»
Claudius Schaefer, CEO Swiss Football League SFL, rechts, und Philippe Guggisberg, Kommunikationschef SFL, informieren waehrend einer Medienkonferenz ueber das weitere Vorgehen in den Fussball-Meister ...
SFL-Kommunikationschef Philippe Guggisberg verteidigt die HTP-Regelung.Bild: KEYSTONE

Schliesslich sei die A-Nationalmannschaft die Lokomotive – sowohl sportlich als natürlich auch finanziell – für den gesamten Schweizer Fussball. Denkbar ist aber, dass es eine Anpassung geben könnte. Aktuell wird eine Gesamtanalyse durchgeführt, um zu schauen, was dem Schweizer Fussball und seinen eigenen Talenten helfen und deren Position stärken würde.

Dass der Verband nicht stillsteht, begrüsst der FCB. Kaufmann:

«Unser Ziel als FCB ist es mittelfristig, zu schauen, was das Ausland macht, was andere Ausbildungsligen machen. Denn nur so kann man die Schweiz als Ausbildungsliga stärken.»

Wie macht es denn das Ausland?

Interessant ist vor allem das Modell aus Österreich, der sogenannte Österreicher-Topf. Dieser wurde zur Saison 2004/2005 eingeführt und besagt, dass Klubs der Österreichischen Fussballliga Fördergelder bekommen, wenn sie einer bestimmten Anzahl in Österreich ausgebildeter Spieler genügend Minuten gewähren.

Auch diese Regelung hat wie das HTP-Reglement in der Schweiz das Ziel, den stetig ansteigenden Anteil ausländischer Spieler seit der Inkraftsetzung des Bosman-Urteils entgegenzuwirken. Nur müssen sich die Teams in Österreich nicht dran halten, wenn sie denn nicht wollen.

Ein Nicht-Einhalten hat lediglich zur Folge, dass weniger oder gar keine Fördergelder gesprochen werden. Wer dieses also nicht will oder lieber mehr ausländische Akteure einsetzt als die meist sechsstelligen Beträge zu kassieren, kann das tun. Das beste Beispiel dafür ist Red Bull Salzburg, welches Jahr für Jahr keine Geld aus dem Österreicher-Topf bekommt.

Der Klub erklärt den freiwilligen Verzicht auf Anfrage so:

«Der FC Red Bull Salzburg hat seinen Fokus ganz klar auf die Ausbildung junger Spieler gelegt. Die wollen wir holen, entwickeln, fördern und ihnen dann den nächsten Schritt ermöglichen. Und diese Spieler kommen einfach aus der ganzen Welt. Der österreichische Markt ist bei dieser Konzentration trotz vieler Nachwuchsakademien leider zu klein. Wir denken in dieser Hinsicht grösser.»
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Österreichs Serienmeister RB Salzburg holt seine Fussball-Talente aus der ganzen Welt.Bild: keystone

Ein Zitat, welches ziemlich deckungsgleich mit der Einstellung des FC Basel ist, welcher viele junge, talentierte Spieler aus dem Ausland in seinen Reihen weiss. Auch deshalb spricht FCB-Kaderplaner Kaufmann unter anderem davon, dass dieses Modell für die Schweiz interessant wäre. Auch die Liga beschäftigt sich damit.

Welche weiteren Regeln gibt es in der SFL und welche werden bald verschärft?

Die Regularien für Leihgeschäfte werden angepasst. Ab der Saison 2024/2025 dürfen nur noch sechs Akteure von einem ausländischen Klub ausgeliehen werden. In den Übergangssaisons 2022/23 – der jetzt laufenden also – und 2023/24 sind es nur noch deren acht respektive sieben Spieler, welche ausgeliehen werden dürfen. Etwas, was für GC zu einem Problem werden könnte.

Die Spieler des Grasshopper Club Zuerich im Training auf dem GC Campus in Niederhasli, aufgenommen am Freitag, 17. Juni 2022. (KEYSTONE/Ennio Leanza)
GC hat gemäss transfermarkt.ch derzeit neun Leihspieler im Kader.Bild: keystone

Hinzu kommt für die Kontingentsliste die Ausländerregelung. Als Ausländer zählen nur Nicht-EU Europäer (wie beispielsweise der FC-Zürich-Spieler Nikola Boranijasevic aus Serbien) sowie Spieler von anderen Kontinenten. Von diesen dürfen dann zeitgleich nur fünf auf dem Feld stehen. Spieler aus anderen europäischen Ländern wie beispielsweise Italien, Spanien oder Deutschland zählen nicht als Ausländer.

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13 Kommentare
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Eidi
23.07.2022 08:42registriert Oktober 2018
Spricht irgendwie Bände, dass es für YB okay ist, für den FCB aber nicht.
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Thurgauo
23.07.2022 08:15registriert November 2017
Naja, trotzdem gibt es mehr Bedarf auf anderen Positionen. Mit dem Geld für Hitz hätte man bestimmt auch andere Positionen mit soliden HTPs besetzen können.
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Staedy
23.07.2022 09:41registriert Oktober 2017
Die Millionen vom SFV für die Nachwuchsakademien und Ausbildung nehmen die SFL Klubs und der FCB mit Handkuss. Dann hört es aber für den FCB bereits auf mit den Gemeinsamkeiten. Die ausgebildeten Spieler in der Schweiz sollten nicht dem veranstalteten Menschenhandel einzelner Klubs zu Opfer fallen. Das kaufen, ein zwei Jahre behalten und wieder verkaufen von Talenten ist eben nichts anderes. Eine Regelung wie in Österreich wäre wahrscheinlich fairer für die, welche Talente nicht nur horten und handeln, sondern für die welche Talente spielen und so auch entwickeln lassen.
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