Der FC Liverpool wurde im Champions-League-Viertelfinal von Benfica nur bedingt gefordert. Nach dem 3:1-Sieg im Hinspiel konnte es sich Liverpool sogar leisten, im Rückspiel einen erneuten 3:1-Vorsprung noch aus der Hand zu geben. Trotz des 3:3-Unentschiedens qualifizierten sich die «Reds» souverän für die Halbfinals.
Aber zu Benfica: Die Hälfte der insgesamt vier Tore der «Aguias» erzielte Darwin Nuñez. Der Name des Uruguayers taucht spätestens seit dieser Saison nicht nur in den Notizbüchern von Fussballscouts auf, sondern wird auch der breiten Fan-Masse ein Begriff.
Der Uruguayer schliesst seine erste Champions-League-Kampagne mit 6 Toren aus 10 Spielen ab – so treffsicher war in der Geschichte von Benfica in der Königsklasse noch kein Spieler zuvor.
6 - Darwin Núñez has now scored six UEFA Champions League goals in 2021-22, the most by a Benfica player in a single season in the competition, surpassing Nuno Gomes with five in 1998-99. Evolution. pic.twitter.com/XbJJWowdvn
— OptaJoe (@OptaJoe) April 13, 2022
Aber wer ist dieser Darwin Nuñez eigentlich? Wir haben die wichtigsten Fakten.
2013 wechselte der damals 14-jährige Darwin Nuñez in die Jugend des uruguayischen Spitzenklubs CA Peñarol, wo er dann mit 18 Jahren in der ersten Mannschaft debütierte. Der spanische Zweitligist Almeria holte den jungen Stürmer im Sommer 2019 nach Europa – für satte 13 Millionen Euro, damit war er der zweitteuerste Neuzugang der Vereinsgeschichte. Im gleichen Jahr kam Nuñez zu seinem Debüt für die Nationalmannschaft Uruguays. Fünf Minuten nach seiner Einwechslung traf er zum 1:1-Endstand gegen Peru.
Nuñez hatte auch in Europa keine Anpassungsprobleme und erzielte in 30 Spielen in der LaLiga2 16 Tore. Weil Almeria den angestrebten Aufstieg verpasste, konnte der junge Stürmer nicht mehr gehalten werden, zumal Benfica im September 2020 bereit war, 24 Millionen Euro nach Spanien zu überweisen, um sich die Dienste des Uruguayers zu sichern.
Auch in Portugal fand sich Nuñez sofort zurecht. In der Liga kam er immerhin auf 16 Skorerpunkte in 29 Spielen – dies, obwohl er dem überragenden Haris Seferovic (31 Ligaspiele, 22 Tore, 7 Assists) regelmässig den Vortritt in der Startelf lassen musste. Doch Darwin bewies sich nicht nur in Portugal, sondern auch in Europa. Gleich in seinem ersten Spiel im Europacup gelang ihm gegen Lech Posen ein Hattrick, insgesamt kam er in sieben Spielen auf fünf Tore.
Der endgültige Durchbruch gelang Nuñez in der laufenden Saison. In 24 Ligaspielen kommt er auf ebenso viele Tore und in der Champions League setzte er den oben erwähnten Torrekord für Benfica. Unter seinen sechs Treffern war unter anderem auch ein Doppelpack gegen den FC Barcelona dabei.
Darwin Nunez ist 1,87 Meter gross und damit ein richtiger Sturmtank, der allerdings auch auf dem Flügel aufgestellt werden kann. Er ist ein Spielertyp, der sich am besten mit modernen Mittelstürmern wie Erling Haaland oder Dusan Vlahovic vergleichen lässt, die ihren robusten Körper ebenfalls mit Schnelligkeit kombinieren.
Die Physis ist die grosse Stärke von Nuñez, «scoutedfootball» schreibt sogar, es sei seine einzige herausragende Fähigkeit. Diese Fähigkeiten weiss er dafür voll auszuspielen, er läuft viel und sehr gut in die freien Räume und hat er mal Tempo aufgenommen, ist er vom Gegner nur noch schwer zu stoppen.
Excellent athleticism – rapid, tall, robust – a huge handful. Attacks space behind defences like a steam train, bounces off challenges, big presence in the box, creates shots from every angle, and hammers through the ball.
— Scouted Football (@scoutedftbl) August 19, 2020
These clips sum him up; a top league awaits. https://t.co/Gabnpf2HzI
Typisch ist neben seinen physischen Fähigkeiten auch seine Bereitschaft, aufs Tor zu schiessen. Darwin zögert nicht lange, sondern sucht aus praktisch allen Positionen den Torschuss. Und auch hier widerspiegelt sich sein Körperbau: eher mit Kraft statt mit Finesse.
Als Schwäche von Darwin gilt sein Aufbauspiel. Der Uruguayer hat nicht die sauberste Technik bei Ballannahmen, es fehlt vor allem unter Druck die nötige Ruhe und oft trifft er die falschen Entscheidungen, wenn er versucht, seine Mitspieler einzusetzen. Zudem hat er – trotz seiner Statur – manchmal Mühe, den Ball mit dem Rücken zum Gegner zu behaupten.
Wer sich für mehr Scouting Reports zu Darwin Nuñez interessiert:
Es wäre weniger aufwändig, die Klubs aufzulisten, die nicht an Nuñez interessiert sind. Gerüchte gibt es nämlich zu praktisch jedem Topklub – vor allem die halbe Premier League scheint den 22-jährigen Stürmer auf dem Radar zu haben.
Einfach wird es allerdings nicht, Nuñez von Benfica loszueisen, der Uruguayer hat noch einen Vertrag bis 2025. Sein aktueller Marktwert wird auf 40 Millionen Euro geschätzt, ein tatsächlicher Wechsel dürfte aber teurer kommen. Benfica hat die Ausstiegsklausel auf 150 Millionen Euro festgesetzt.
Darwin Nuñez hat einen berühmten Namesvetter. Die Rede ist nicht vom ehemaligen GC-Spieler Richard Nuñez, sondern von Charles Darwin, der für seine Evolutionstheorie des «Survival of the fittest» bekannt ist. Kurz runtergebrochen geht es in dieser Theorie um das Überleben der am besten angepassten Individuen. Die Wissenschaft lässt sich auch auf den Fussball anwenden, dort spielt dasjenige Individuum, welches sich am besten an die Anforderungen des Trainers anpasst. Ein Stürmer, der viele Tore schiesst, passt natürlich immer perfekt zu den Anforderungen des Trainers.
Einer, der das derzeit zu spüren bekommt, ist Nati-Stürmer Haris Seferovic. Er hat sich zwar von seiner hartnäckigen Muskelverletzung erholt, kommt aber dennoch kaum zu Einsatzminuten. In den beiden Champions-League-Partien gegen Liverpool schmorte er jeweils 90 Minuten auf der Bank. Gegenüber «Blue Sport» äusserte sich Seferovic wie folgt zu seinem Konkurrenten im Sturm: «Die Konkurrenz ist hier, Darwin macht es sehr gut. Ich freue mich für ihn, letztes Jahr lief es ihm ja nicht so gut, dafür lief es mir besser. So ist der Fussball. Ich freue mich für ihn, er ist jung und ein sehr, sehr guter Spieler und ich denke, wir brauchen ihn. Er macht die Tore, die wir brauchen. Ich gehe mit dem positiv um.»
Gut möglich aber, dass Seferovic in der nächsten Saison trotzdem wieder zu mehr Einsätzen kommt. Dann nämlich, wenn Nuñez wie erwartet im Sommer zu einem Topklub wechselt.