Im Herbst 2021 steckte der FC Barcelona nicht nur wirtschaftlich, sondern auch sportlich in der Krise. Der Abgang von Lionel Messi, dessen Lohn man nicht mehr bezahlen konnte, versetzte den ganzen Verein in eine Schockstarre.
Die Hinrunde verlief für Barcelona miserabel. Das absolute Lowlight war die Champions-League-Kampagne, wo man in der Gruppe an Bayern München (0:3 und 0:3) und Benfica Lissabon (0:0 und 0:3) scheiterte und in sechs Spielen bloss zwei Tore (1:0 und 1:0 gegen Dynamo Kiew) erzielte.
Auch in der Liga lief es Barça alles andere als nach Wunsch. Ende Oktober, am 12. Spieltag, lag das Team von Trainer Ronald Koeman mit 17 Punkten auf Rang 9 und bereits 10 Zähler hinter Real Madrid. Der Abstand zur Spitze war damit grösser als derjenige zu einem Abstiegsplatz.
Damit war dann das Koeman-Abenteuer in Barcelona beendet. Der Holländer wurde durch Klub-Legende Xavi ersetzt, der davor bloss Erfahrung in Katar beim Al-Sadd SC vorzuweisen hatte. Aber viel wichtiger als seine Erfahrung als Trainer ist die Tatsache, dass er ein Barça-Erfolgsrezept weiterführen könnte: Der Meister lehrt seinen Schüler. In der Wissenschaft kennt man das Prinzip, dass der Schüler das Werk seines Lehrers fortführt spätestens seit den griechischen Philosophen Sokrates und Platon. Beim FC Barcelona beginnt diese Tradition in der 1970er-Jahren.
Die holländische Spielidee des «Voetbal Total», dem totalen Fussball, brachte der Holländer Rinus Michels 1971 von Ajax Amsterdam nach Barcelona. Die grossen Erfolge, die Michels mit Ajax hatte, blieben bei Barça allerdings aus – auch, weil «der General», wie Michels genannt wurde, seine Vorstellungen von Disziplin und Taktik nicht immer durchsetzen konnte. Entscheidend war an dieser Stelle der Wechsel des damals besten Fussballers der Welt, Johan Cruyff, zu Barcelona.
Cruyff hatte nicht nur die flinken Füsse, um das Spiel zu dominieren, er hatte vor allem auch den flinken Kopf dazu. Er war der oft zitierte verlängerte Arm des Trainers, der dazu fähig war, dessen Ideen auf dem Spielfeld umzusetzen. Zusammen holten sie mit Barcelona dann die Meisterschaft und den spanischen Cup. Cruyff sagte über seinen damaligen Trainer: «Sowohl als Spieler als auch als Trainer lehrte mich niemand so viel wie er. Ich habe seine Führungskraft immer bewundert.»
1988 kehrte Cruyff als Trainer zurück zum FC Barcelona. Im Gepäck hatte er die vielen Dinge, die er von Rinus Michels gelehrt hatte und seine Vision: Johan Cruyff gilt bis heute als Erfinder des Positionsspiels. Die Spieler sollten also keine festen Positionen einnehmen, sondern die Positionen immer wieder tauschen.
Ein Jahr nach seinem Antritt entdeckte Cruyff bei Barcelona in der Jugendmannschaft einen schmächtigen Burschen, der auf den Namen Josep Guardiola hörte. Später sollte Cruyff mal sagen: «Wenn ich nicht Trainer in Barcelona gewesen wäre, hätte man ihn wahrscheinlich an einen Verein in die zweite Liga verkauft.»
Guardiola blieb und schnell entwickelte sich Cruyff zu seinem Mentor. Der Trainer wusste genau, was er an Guardiola hatte, forderte von ihm mehr als von den anderen Spielern und formte aus ihm einen Weltklasse-Spieler, der für sein Positionsspiel unerlässlich war.
Guardiola spielte von 1990 bis 2001 für den FC Barcelona, bis 1996 unter Cruyff. Im Jahr 2007 startete «Pep» seine Karriere als Trainer von Barcelona B, eine Saison später übernahm er das Amt der ersten Mannschaft. Und Guardiola perfektionierte in dieser Zeit die Ideen von Johan Cruyff zur wohl grössten fussballerischen Revolution. Von 2008 bis 2012 dominierte der FC Barcelona den Weltfussball in einer nie dagewesenen Weise, sein Kurzpassspiel ging als «Tiki-Taka» in die Geschichte des Fussballs ein.
In den vier Jahren unter Guardiola gewann Barcelona 14 Titel, darunter zweimal die Champions League und dreimal die spanische Meisterschaft. Lionel Messi war einer der Gründe für die Übermacht des FC Barcelona, aber eben auch die Mittelfeld-Strategen Andrés Iniesta und Xavi.
In der DNA von Xavi, der von 1998 bis 2001 sogar noch ein paar Jahre mit Guardiola zusammen spielte, ist also bereits die vierte Generation von Barcelonas Fussballphilosophie, die sich vom Total Voetbal über das Positionsspiel zum Tiki-Taka entwickelte, verankert.
Dementsprechend euphorisch wurde Xavis Anstellung als Cheftrainer in Barcelona aufgenommen. Trotz der schwierigen finanziellen und sportlichen Lage herrschte bei den Katalanen eine gewisse Aufbruchstimmung.
Und tatsächlich hat sich die Spielweise von Barça seit Xavis Ankunft so stark ins Positive entwickelt, dass die Fans bereits wieder von den alten Zeiten zu träumen wagen. Denn auch die Resultate stimmen wieder. Seit dem 4. Dezember ist Barcelona in der Liga ungeschlagen, in der Europa League setzte man sich gegen Napoli und Galatasaray durch und steht im Viertelfinal.
Das bisherige Meisterstück zeigte Xavi gestern im Clásico gegen Real Madrid. Im Santiago Bernabéu hat man das stolze Real Madrid vor 60'000 Fans gleich mit 4:0 besiegt.
Die Sportzeitungen in Spanien sind dementsprechend emotional und sehen das Spiel als möglichen Beginn einer neuen Barça-Ära.
Xavi selbst äusserte sich an der Pressekonferenz selbst zur Frage, ob Barça endgültig zurück sei: «Vielleicht ja, das überlasse ich euch. Wir haben gesagt, dass das der Weg und dass das der Spielstil ist. Wir haben technisch sehr gute Spieler, die Ahnung vom Fussball haben.»
Dieser Spielstil, von dem Xavi spricht, ist natürlich auf Ballbesitz ausgelegt, gegen Real kam man auf knappe 60 Prozent. Aber im Vergleich zur Ära mit Pep Guardiola, der fast schon manisch auf dem Ballbesitz beharrte, ist Xavis Spiel flexibler. Es dürfen auch mal Flanken geschlagen oder lange Bälle gespielt werden. Zudem besticht Xavis offensives 4-3-3 durch das hohe Pressing, welches bestens funktioniert und immer wieder zu Ballgewinnen in der gegnerischen Hälfte führt.
Neben den taktischen Aspekten hat Xavi offensichtlich auch zwischenmenschlich die richtigen Hebel gefunden. Problemspieler wie Ousmane Dembélé bestechen plötzlich durch starke Leistungen, die harten Massnahmen, die Xavi zu Beginn seiner Amtszeit erlassen hatte, zeigen Wirkung und die Stimmung in der Mannschaft ist hervorragend. Xavi spricht sogar davon, dass man in der Kabine eine Familie sei.
Bei allem Respekt für die Spielphilosophie, die richtigen Spieler dazu braucht es dennoch. Denn was die ganz erfolgreichen Teams bei Barcelona gemeinsam hatten, waren auch eine Reihe an überragenden Einzelspielern.
Und bei Barcelona ist soeben eine Generation in Entstehung, welche dem Fussball ihren Stempel aufdrücken könnte. Angeführt von einigen älteren Spielern wie Winterzugang Pierre-Emerick Aubameyang (32), Jordi Alba (33), Sergio Busquets (33), Dani Alves (38) oder Gerard Piqué (35), gibt es eine Reihe an jungen Spielern, die eine ganz grosse Zukunft vor sich haben.
Xavi weiss nicht nur um deren Talent, er gibt ihnen auch genügend Spielzeit, wie folgende Übersicht von U23-Spielern zeigt, die auf regelmässige Einsätze kommen.
Dazu kommen die beiden 24-Jährigen Frenkie De Jong und Ousmane Dembélé. Während die Zukunft von 140-Millionen-Euro Transfer Dembélé (Vertrag bis Juni 2022) ungewiss ist, findet sich Frenkie De Jong bei Barcelona immer besser zurecht. Er könnte das zentrale Mittelfeld zusammen mit dem spanischen Trio um Pedri, Gavi und Nico im Prinzip über die nächste Dekade dominieren.
Vorerst geht es für den FC Barcelona aber nicht darum, die fussballerische Weltherrschaft zu erringen, sondern sich in der Liga weiterhin in der Spitzengruppe zu etablieren und sich damit sicher für die Champions League zu qualifizieren. Leader Real Madrid ist noch immer 12 Punkte (bei einem Spiel mehr) voraus.
In der Europa Leauge ist Barcelona Titel-Favorit. Im Viertelfinale wartet mit Eintracht Frankfurt ein weiterer kniffliger Gegner. Und nächste Saison will Barcelona dann wieder dort angreifen, wo es nach dem eigenen Selbstverständnis auch hingehört: in der Königsklasse.
Ist aber auch logisch nach dieser, nach Barca-Massstäben langen Durststrecke.
Aber gestern war der Classico, eigene Gesetze und es war eine Lehrstunde in Sachen Technik, Taktik und Tempo.
Was der Pedri (19) drauf hat, ist abartig, glaube nicht dass Iniesta oder Xavi mit 19 so weit waren, abartig.
Und wenn der Torres sich zu einem richtigen Knipser entwickeln sollte, die Anlagen hat er dazu, ja, da kann die Post wieder mal so richtig abgehen...
Erstaunlich was Xavi bewirkt hat!