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Unter Pia Sundhage soll in der Schweizer Nati der Erfolg zurückkehren

ARCHIV -- PIA SUNDHAGE NEUE TRAINERIN DER SCHWEIZER FUSSBALL NATIONALMANNSCHAFT DER FRAUEN --- Head coach for the U.S. women's soccer team Pia Sundhage, from Sweden, kicks a ball during a trainin ...
Sundhage wird die neue Trainerin der Schweizer Fussball-Nationalmannschaft der Frauen.Bild: keystone
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Neue Nati-Trainerin Sundhage – warum es mit der singenden Schwedin bergauf gehen könnte

Der Schweizerische Fussballverband hat bekanntgegeben, wer die Nachfolge der ehemaligen Nationaltrainerin Inka Grings antritt. Mit Pia Sundhage an der Seitenlinie soll es mit der Frauen-Nati im Hinblick auf die Heim-EM im Sommer 2025 wieder bergauf gehen.
17.01.2024, 13:25
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Eineinhalb Jahre vor der Europameisterschaft im eigenen Land gibt das Schweizer Nationalteam wenig Anlass zur Euphorie – zu chaotisch war die knapp einjährige Amtszeit der Nationaltrainerin Inka Grings, zu unbefriedigend die Ergebnisse und zu laut die Misstöne neben dem Platz.

Nicht nur die Vorwürfe der Veruntreuung von Arbeitsentgelt, die gegen die Deutsche erhoben wurden, sondern auch Grings' fehlendes Fingerspitzengefühl im Umgang mit den eigenen Spielerinnen trugen zu einem negativen Klima rund um das Nationalteam bei.

Mit Grings' Entlassung im vergangenen Dezember versuchen die Verantwortlichen nun, die Nati noch rechtzeitig für die Heim-EM zurück in die Spur zu bringen. Und mit der neuen Trainerin Pia Sundhage könnte dies auch tatsächlich klappen.

Eine beeindruckende Bilanz als Spielerin und als Trainerin

Sundhage hat nicht nur als Trainerin, sondern auch als ehemalige Spielerin einige Erfolge vorzuweisen. Sie errang je vier schwedische Meister- und Pokalsiege, für das schwedische Nationalteam erzielte sie 81 Tore und gewann einen EM-Titel.

Als Trainerin gewann sie mit der US-amerikanischen Frauen-Nationalmannschaft zwei Mal Olympiagold (2008 und 2012) und mit dem schwedischen Nationalteam schaffte sie es 2016 – ebenfalls an den Olympischen Spielen – bis in den Final. Zuletzt war die Skandinavierin Nationaltrainerin bei der Frauenauswahl von Brasilien.

Aber vermutlich ist es nicht in erster Linie ihr Palmarès, der die 63-Jährige zur richtigen Wahl für das Schweizer Nationalteam macht. Sundhage vermag nämlich vor allem auf zwischenmenschlicher Ebene zu überzeugen – und genau auf dieser Ebene hat in letzter Zeit vieles nicht gestimmt in der Nati.

Der Fussball soll wieder ins Zentrum rücken

Bezeichnend für ihre Beziehung zu den Spielerinnen ist eine Szene an der Weltmeisterschaft 2011, wo sie als Trainerin das US-amerikanische Team bis in den Final coachte. An der Pressekonferenz nach dem Penalty-Krimi im Viertelfinal gegen Brasilien mit besserem Ende für die USA richtete die Schwedin nur wenige Worte an die Medien. Sie sei stolz, Trainerin dieser Mannschaft zu sein. Anschliessend überliess sie das Rednerpult ihren Spielerinnen Hope Solo und Abby Wambach.

Bildnummer: 08151227 Datum: 10.07.2011 Copyright: imago/Xinhua
DRESDEN, July 10, 2011 - Pia Sundhage (back L), head coach of the USA, celebrates victory with Abby Wambach (front L) after the quarter- ...
Sundhage und Wambach umarmen sich nach dem gewonnenen Viertelfinal gegen Brasilien.

Dass sie die Spielerinnen ins Zentrum stellt, scheint auf den ersten Blick zwar nichts zu sein, wofür man die Schwedin loben müsste, nachdem Inka Grings im letzten Jahr mit ihrer Art zu kommunizieren so viel Aufmerksamkeit für sich beansprucht hat, weckt aber schon diese kleine Geste die Hoffnung, dass auch beim Schweizer Nationalteam in Zukunft wieder der Fussball und die Frauen, die ihn spielen, im Zentrum stehen werden.

Fussballerisch wird das Nationalteam den Topnationen auch im neuen Jahr unterlegen sein. Die Spielerinnen, von denen nur wenige in den besten Klubs der Welt spielen und die Strukturen, die in der Schweiz noch immer ausbaufähig sind, bleiben die gleichen. Aber es ist keine Seltenheit, dass Teams an grossen Turnieren durch Teamgeist und Leidenschaft mehr erreichen, als ihnen aufgrund ihres sportlichen Arsenals zuzutrauen wäre. Insbesondere bei Nationalmannschaften, in der die Spielerinnen nicht viel Zeit gemeinsam verbringen und daher weniger eingespielt sind als in einem Verein, ist die Stimmung ein wichtiger Erfolgsfaktor.

Auch die jüngst als Schweizer Natispielerin des Jahres ausgezeichnete Kapitänin Lia Wälti wünscht sich diesen Effekt: «Ich hoffe, dass wir zusammengeschweisst werden, eine klare Spielidee definieren, die zu dem passt, was wir aktuell an Spielerinnen zur Verfügung haben», sagte sie, nachdem bekannt wurde, dass Sundhage übernehmen wird.

Bei der Schweizer Nati, so erklärte es Sundhage an der Medienkonferenz des SFV, will sie die «Organisation der Schwedinnen, die Entschlossenheit der Amerikanerinnen, eine Partie um jeden Preis für sich zu entscheiden, und die Emotionen der Brasilianerinnen» zusammenbringen.

Mit Leichtigkeit zum Erfolg

Abby Wambach, die unter Sundhage im US-amerikanischen Nationalteam spielte, sagte an der WM 2011 über ihre Trainerin: «Mit ihr kam der Spass zurück». Und genau der Spass ist das, was der Schweizer Nationalmannschaft im letzten Jahr unter Grings abhandengekommen zu sein scheint. Die Schwedin umgibt eine gewisse Leichtigkeit, die wohltuend wirkt. Zum Beispiel, wenn sie den Journalisten auf die Frage, wie sie Spielerinnen den Druck nimmt, mit einem Ständchen eines Simon-and-Garfunkel-Song antwortet.

Nachdem der als «lockerer» Trainer bekannte Nils Nielsen die Schweizer Nati 2022 verliess, war der Tenor, dass das Team eine härtere Hand brauche, die schliesslich in Grings gefunden wurde. Dabei hatte das Team unter Nielsen eine wichtige Entwicklung durchgemacht, denn bei seinem Amtsantritt, so erzählte Nielsen dem Tagesanzeiger, hätten die Spielerinnen Mühe bekundet, ihre Meinung offen zu sagen, sich einzubringen.

Unter Nielsen sei die Kommunikation offener geworden und auch aus sportlicher Sicht kann die Zusammenarbeit mit dem Erreichen der WM-Endrunde in Australien und Neuseeland als Erfolg gewertet werden. Vielleicht war Nielsen lockere Art gar nicht so verkehrt, vielleicht war die Entwicklung des Teams nach seinem Abgang einfach noch nicht zu Ende.

Hope Solo, die ehemalige US-amerikanische Star-Torhüterin, sagte vor einigen Jahren, dass sie noch nie eine solch entspannte Trainerin wie Sundhage erlebt habe. Und tatsächlich, «man muss loslassen und entspannen», sagte Sundhage einmal über ihre eigene Herangehensweise als Coach. Mit Sundhage wird die Nati nun also wieder von einer Person trainiert, welche die Zügel vielleicht etwas weniger eng führt. Wie sich dies auf das Spiel der Schweizer Fussballfrauen auswirkt, wird sich zeigen.

RECORD DATE NOT STATED Friendly match of the Brazilian women s soccer team Brazil x Chile Brasilia DF, 07/02/2023 - FOOTBALL/SELECAO/WOMEN - Tecnica Pia Sundhage of the Brazilian national team, Nation ...
In Brasilien vermochte Sundhage nicht vollends zu überzeugen.Bild: www.imago-images.de

Ein Neuanfang vor dem Heimturnier

Sundhages Verpflichtung als Trainerin macht das Schweizer Nationalteam natürlich noch lange nicht zu einer Titelkandidatin für das Heimturnier und auch bei der Schwedin ist nicht immer alles Friede, Freude, Eierkuchen. Als das brasilianische Nationalteam an der WM 2023 unter ihrer Leitung zum ersten Mal seit 1995 die K.o.-Phase verpasste, wurde Sundhage schnell als Schuldige für den uninspirierten Auftritt der Seleção auserkoren – und nach dem Turnier entlassen.

Es scheint also fast so, als könnten beide – die Schweizer Nationalmannschaft und Pia Sundhage einen Neuanfang gebrauchen. Als die Schwedin 2007 das US-amerikanische Nationalteam übernahm, sang sie laut den «New York Times» den Dylan-Song «The Times They Are A-Changin’». Mögen sich die Zeiten unter Sundhage auch für das Schweizer Team zum Besseren wenden.

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