Neben Manuel Akanji, der in der Abwehr von Manchester City – einer der besten Mannschaften der Welt – gesetzt ist, und Granit Xhaka, der bis im vergangenen Sommer in Arsenal mal für positive, mal für negative Schlagzeilen sorgte, ging er lange Zeit fast etwas vergessen. Vielleicht auch deshalb, weil Fabian Schär in der Schweizer Nationalmannschaft in letzter Zeit nicht wirklich zu überzeugen vermochte, eher ein Unsicherheitsfaktor als ein Rückhalt war.
Dabei gehört Schär im Norden Englands bei Newcastle United seit Jahren zum Stammpersonal – und ist einer von aktuell nur zwei Schweizern, die in der Premier League überzeugen. Die letzte Saison beendete Newcastle auf dem hervorragenden vierten Rang. Zum ersten Mal seit über 20 Jahren qualifizierten sich die «Magpies» für die Champions League. Als einer der Dienstältesten hat Fabian Schär den Aufstieg der Mannschaft hautnah miterlebt und sich in die Herzen der Fans gespielt.
Beim «Schweizer Duell» zwischen Newcastle und Manchester City am Wochenende offenbarte sich die Wertschätzung, die Schär im Newcastle-Fanlager geniesst, schwarz auf weiss: Dem Wiler wurde mit einem eigens für ihn angefertigten Banner eine seltene Ehre zuteil. «Jeder braucht einen Fabian Schär», war in der Fankurve zu lesen. Um gegen den Tabellenersten Manchester City zu bestehen, reichte dieses Mal aber auch ein Fabian Schär nicht.
— George Caulkin (@GeorgeCaulkin) January 13, 2024
«Das bedeutet mir alles», schrieb Schär zur Fan-Aktion und bedankte sich herzlich dafür. Das Banner folgte auf die Nachricht, dass Schär seinen Vertrag bei Newcastle bis 2025 verlängert hat. Ein Umstand, der nicht nur die Fans freut, sondern auch vom Trainer Eddie Howe positiv aufgenommen wurde. Der Brite betonte in einem Interview nicht nur Schärs spielerischen Qualitäten, sondern auch seine Rolle als Teamleader und als Vorbild für die jungen Spieler.
🗣 "He's a role model for the younger players."
— Football Daily (@footballdaily) April 29, 2022
Eddie Howe reacts to Fabian Schär signing a new contract at Newcastle United pic.twitter.com/2bAvoT2x5D
Den Weg nach Newcastle fand der heute 32-Jährige über den FC Wil, den FC Basel, Hoffenheim und La Coruña. Im Ausland Fuss zu fassen, war für den Verteidiger nicht immer einfach. In Hoffenheim erlebte er ein stetiges Auf und Ab, bis er schliesslich nach Spanien «flüchtete» und sich bei Deportivo La Coruña in die Startelf kämpfte – nur um kurze Zeit später wieder auf der Ersatzbank zu landen.
Erst in Newcastle, wo er seit 2018 unter Vertrag steht, scheint sich Schär auf und neben dem Platz so richtig wohl zu fühlen. Der Ostschweizer, der sich gegenüber der NZZ einst als «sensibler Mensch» bezeichnet hatte, scheint stärker auf ein unterstützendes Umfeld angewiesen zu sein als andere Spieler. In Newcastle, so erzählte er im Juni 2023 in einem Interview, passt nun endlich alles zusammenzupassen.
Über die Atmosphäre im Team meinte Schär: «In der Garderobe herrscht bedingungslose Ehrlichkeit. Man ist bereit, Dinge anzusprechen, um Veränderungen herbeizuführen. Niemand stellt sich über die Sache».
✍️ We are delighted to announce that Fabian Schär has extended his contract until the summer of 2025!
— Newcastle United FC (@NUFC) January 8, 2024
Love it, @fabianschaer! 🙌 pic.twitter.com/hW6Zy5BNwX
Dabei veränderten sich im Jahr 2021 auch in Newcastle die Dinge in eine Richtung, die sich für Fabian Schär durchaus als ungünstig hätte herausstellen können. Der Verein wurde damals von dem vom saudischen Staat gesteuerten Public Investment Fund (PIF) übernommen und auf einen Schlag vom Traditionsverein ohne Titelambitionen zum damals reichsten Klub der Welt.
Das, was sich die Fans der «Magpies» erhofften und Fussballromantiker fürchteten – nämlich dass sich der Verein nun auf Einkaufstour à la Manchester City begibt – traf nicht ein. Und so kam es, dass Fabian Schär in der Newcastle-Verteidigung auch nach der Übernahme eine wichtige Rolle spielen darf, denn der Umbau des Klubs, der sich vor der Übernahme gegen den Abstieg stemmte, erfolgte um einiges sanfter als erwartet.
Hatten die Fans Spieler wie Neymar, Ronaldo und Lewandowski gefordert, heissen die teuersten Neuzuzüge seit dem Besitzerwechsel Alexander Isak (70 Mio. Euro), Sandro Tonali (70 Mio. Euro) und Bruno Guimarães (42,10 Mio. Euro). Um letzteren ranken sich aber bereits wieder Wechselgerüchte. Seit der Saison 2022/23 liegt Newcastle in Sachen Transferausgaben im Vergleich mit den anderen Premier-League-Klubs lediglich auf Platz sieben.
Fabian Schär äusserte sich positiv zur Strategie seines Vereins: «Die neuen Besitzer haben sehr überlegt investiert und kluge Transfers getätigt. Von einem Kaufrausch war nichts zu spüren. Stattdessen wurden einige Mittel in die Infrastruktur gesteckt. Sie haben richtig gute Arbeit gemacht. Der Strategiewechsel war nötig».
Für den Schweizer Innenverteidiger dürfte der wichtigste Transfer ohnehin der von Trainer Eddie Howe gewesen sein. Im vergangenen Sommer sagte er über den Mann, der aus Bournemouth zu den «Magpies» stiess: «Er ist der beste Trainer meiner Karriere. Extrem gut passt mir, wie er mir auf der persönlichen Ebene begegnet. Der Mensch ist ihm wichtig. Das ist bei ihm eine überragende Komponente». Die Begeisterung scheint gegenseitig zu sein. So sagte Howe über den Schweizer: «Schär hat die Fähigkeit, Momente zu erzeugen, die einem den Atem rauben. Technisch ist er so gut. Er ist ein Spitzenspieler».
Die von der Klubspitze getätigten Investitionen zahlen sich bereits aus. Schon eine Saison nach der Übernahme durch den PIF gab es in der nordenglischen Stadt Anlass zur Freude. Newcastle liess im Kampf um die europäischen Plätze Klubs wie Tottenham und Chelsea hinter sich und spielte im vergangenen Herbst in der Champions League.
Zwar ist das Abenteuer schon wieder vorbei, Newcastle erwischte mit PSG, Milan und Dortmund in der Gruppe F aber auch drei hochkarätige Gegner. Dank dem 4:1-Sieg über das grosse Paris Saint-Germain, bei dem Schär ein Tor erzielte, dürfte die Kampagne in Newcastle trotzdem in guter Erinnerung blieben.
In der Nationalmannschaft lief es Fabian Schär, der seit 2013 78 Mal im Schweizer Dress spielte, in letzter Zeit nicht mehr wie gewünscht. Unter Murat Yakin kam er in 14 von 26 Ernstkämpfen nicht zum Einsatz, wobei einige Absenzen auch verletzungsbedingter Natur waren. Das letzte seiner acht Tore, das er für die Schweiz erzielte, datiert aus der Vor-Yakin-Ära. 2019 erzielte er unter Petkovic in der EM-Quali gegen Irland den wichtigen 1:1-Ausgleich.
Erwies sich die Nati in Schärs turbulenten Zeiten in Deutschland und Spanien als eine Art sicherer Hafen, so scheint heute das Gegenteil der Fall zu sein. Nicht nur aus der Startaufstellung, sondern auch aus dem Spielerrat des Nationalteams wurde Schär verbannt.
Angesichts dieser Entwicklungen ist es nicht erstaunlich, dass man bei Schärs Aussagen über die Nationalmannschaft heraushört, dass sein Fokus momentan auf der Premier League liegt: «Klar, ich bin weiterhin stolz, für die Nationalmannschaft zu spielen. Momentan freue ich mich in erster Linie über das tolle Jahr mit meinem Klub», meinte er gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.
Hört man Fabian Schär in Interviews Englisch sprechen, so wird nicht nur seine Schweizer Herkunft deutlich, sondern man hört seinem Akzent auch an, dass er in Nordengland eine neue Heimat gefunden zu haben scheint.