Ein fast schon historisches Tief: Schon lange waren nicht mehr so wenige Schweizer in der Bundesliga wie diese Saison. Nur noch deren elf stehen momentan bei einem deutschen Erstligisten unter Vertrag. Weniger waren es zuletzt in der Saison 2010/11.
Lange vergessen sind die Zeiten, als die Schweiz zwischen 2013 und 2017 viermal in Folge die meisten Ausländer in der Bundesliga stellte. 25 waren es einmal. Und nun ist sogar fraglich, wie viele von den elf Bundesligasöldnern überhaupt zum Einsatz kommen werden. Wir verraten dir, wie das Standing der Schweizer in ihren Klubs ist.
Erst in seiner zweiten Saison in der Bundesliga, und aus seinem Team trotzdem schon nicht mehr wegzudenken, ist Silvan Widmer. Der Rechtsverteidiger wurde gerade zum Captain von Mainz 05 ernannt. «Er hat schon viel erlebt», begründet Trainer Bo Svensson seinen Entscheid im «Kicker». Zudem bringe Widmer «immer Leistung und auch ausserhalb des Platzes seinen Kopf mit».
Nach der EM im letzten Jahr wechselte der 29-Jährige von Basel nach Mainz und zeigte von Beginn an starke Leistungen. Widmer stand in 33 Spielen auf dem Platz, wurde kaum einmal ausgewechselt und trug mit vier Toren sowie fünf Vorlagen auch offensiv zum Erfolg seines Teams bei. Der 31-fache Nationalspieler wird auch in dieser Saison gesetzt sein, obwohl der Konkurrenzkampf auf seiner Position nach der Verpflichtung von Frankfurts Danny da Costa grösser geworden ist.
Unterschiedlicher hätte die letzte Saison dieser beiden Nationalspieler nicht verlaufen können. Djibril Sow gewann mit Eintracht Frankfurt die Europa League, wurde in 43 von 47 Spielen eingesetzt und gehört beim Team von Oliver Glasner zum Führungspersonal. Seit vier Jahren ist der 25-jährige Mittelfeldspieler in der Bundesliga Stammspieler – und auch in dieser Saison wird gelten: Wenn Sow fit ist, spielt er. Auch in der Champions League, in der Sow 2018 bereits mit YB Erfahrungen sammelte.
Während Sow den grössten Erfolg seiner Karriere feierte, erlebte Nico Elvedi bei Borussia Mönchengladbach eine schwierige Saison. Der 25-jährige Innenverteidiger litt unter einer Formkrise, die einige Spieler im Team erfasste. Alles in allem war das Jahr unter Trainer Adi Hütter eines zum Vergessen für die Gladbacher, die am Ende nur Zehnte wurden. Dennoch war Elvedi gesetzt und verpasste nur sechs Spiele. Auch der neue Trainer Daniel Farke dürfte wie seine Vorgänger auf Elvedi, der seine achte Saison beim Bundesligisten bestreitet, setzen.
Dass immer weniger Schweizer in der Bundesliga unter Vertrag stehen, hängt auch mit den Torhütern zusammen. In Roman Bürki und Marwin Hitz verlassen zwei weitere Goalies die Bundesliga. So bleiben nur Gregor Kobel und Yann Sommer übrig. Diese zwei sind aber unangefochtene Stammkeeper bei ihren Klubs. Der 24-jährige Kobel wechselte vor der letzten Saison zu Borussia Dortmund und wird auch unter Edin Terzic die Nummer eins sein.
Bei Sommer ist die Lage etwas unsicherer. Der Vertrag des 33-Jährigen läuft nur noch bis zum Juni 2023. Um einen ablösefreien Abgang zu verhindern, ist Mönchengladbach einem Transfer gegenüber angeblich nicht abgeneigt. Nun, da Hauptinteressent OGC Nizza in Kasper Schmeichel einen neuen Goalie gefunden hat, scheint ein Transfer unwahrscheinlich. Zudem stand zuletzt auch eine Vertragsverlängerung im Raum. Fest steht: Bleibt Sommer bei Gladbach, ist er der Mann zwischen den Pfosten.
Bei diesen vier Spielern könnte die Zeit in der Bundesliga hingegen schon bald beendet sein. Allen voran Manuel Akanji soll seinen Klub verlassen. Der 27-jährige Innenverteidiger steht in Dortmund auf der Streichliste, weil er seinen bis Ende Saison gültigen Vertrag nicht verlängern will. Mit Nico Schlotterbeck und Niklas Süle haben sich die Borussen auf Akanjis Position im Sommer verstärkt, sodass der Schweizer auf der Liste von Trainer Edin Terzic nur noch der vierte Innenverteidiger ist.
Weil Süle im ersten Ligaspiel gegen Leverkusen noch verletzt fehlen wird, könnte Akanji doch nochmal zum Einsatz kommen. Danach wird es aber schwer. Da der BVB auf einen allfälligen Transfererlös angewiesen ist, will der Klub Akanji nach viereinhalb Jahren wieder verkaufen. Bisher fehlte jedoch ein Angebot, das für Klub und Spieler passt.
Ähnlich sehen die Situationen von Renato Steffen und Edimilson Fernandes aus. Steffen war in Wolfsburg bereits in der Rückrunde der letzten Saison nur noch Ergänzungsspieler. Nun hat sich der VfL Wolfsburg in der Offensive weiter verstärkt und die Aussicht auf Einsatzzeit ist für den 30-jährigen Flügelspieler eher gering.
So ist es auch bei Fernandes, der nach seiner YB-Leihe wieder nach Mainz zurückgekehrt ist. Dort gab es von Trainer Bo Svensson kurz nach dem Trainingsstart eine Rüge, weil die Spielweise des Mittelfeldspielers nicht dem System des Dänen entspräche. Zuletzt sagte Svensson zwar: «Derzeit gefällt mir Edi sehr gut.» Das dürfte aber wenig daran ändern, dass Mainz Fernandes gerne abgeben würde – auch wegen seines gut dotierten Vertrags. Bei einem Verbleib stehen die Chancen auf regelmässige Einsätze eher schlecht.
Dies ist auch bei Nishan Burkart der Fall. Der 22-jährige Stürmer steht seit 2019 beim SC Freiburg unter Vertrag. Im April 2021 kam er einmal zu einem Kurzeinsatz über 14 Minuten. Bei diesem blieb es in der Bundesliga bisher. Burkart wird wohl weiterhin vor allem bei der 2. Mannschaft zum Einsatz kommen.
Schwieriger einzuschätzen ist es bei diesen beiden Spielern – aus sehr unterschiedlichen Gründen. Cédric Brunner wechselte von Absteiger Arminia Bielefeld zu Aufsteiger Schalke 04. In vier Jahren bei Bielefeld schaffte der 28-jährige Rechtsverteidiger den Aufstieg und gehörte während zwei Saisons in der Bundesliga stets zur Startformation. Dieser dürfte er auch bei Schalke angehören. Doch wird auch der deutsche U20-Nationalspieler Mehmet Aydin auf Einsatzzeiten hoffen. In der ersten Runde des DFB-Pokals wurde Brunner nach 73 Minuten durch Aydin ersetzt.
Ruben Vargas wird den Bundesligaauftakt des FC Augsburg noch verpassen. Der Nationalspieler zog sich vor der Nations-League-Partie gegen Portugal eine Muskelverletzung zu. Wann genau er zurückkehren wird, ist noch unklar. Sobald er fit ist, wird er bestimmt zu Einsätzen kommen. Doch wird sich erst zeigen müssen, auf wen der neue Trainer Enrico Maassen setzen wird. In der Vorbereitung spielte meist Arne Maier auf Vargas' Position auf dem linken Flügel.
Erfreulich ist dafür die Entwicklung bei den Trainern. Mit Urs Fischer und Gerardo Seoane sind zwei Schweizer Coaches in der Bundesliga engagiert. Fischer geniesst bei Union Berlin schon seit dem Aufstieg ein sehr hohes Ansehen. Dass sich der Klub unter dem Zürcher nun zum zweiten Mal in Folge für einen europäischen Wettbewerb qualifiziert hat, mehrte seinen Ruhm bei den Eisernen zusätzlich.
Seoane erarbeitete sich in der ersten Saison bei Leverkusen ebenfalls ein gutes Standing. Mit seinem ansehnlichen Offensivfussball, den er bereits bei YB spielen liess, führte er die «Werkself» zur besten Ligaplatzierung seit der Saison 2015/16. Geschäftsführer Fernando Carro sprach gegenüber der «Sport Bild» von einem «hervorragenden Trainer, der hoffentlich lange in Leverkusen bleiben wird».
Nun spielt der Bundesliga-Dritte der letzten Saison in der Champions League. Eine Dreifachbelastung wird es dennoch nicht geben. Am vergangenen Wochenende ist Leverkusen im DFB-Pokal an Drittligist Elversberg gescheitert. Dies sei jedoch schon abgehakt, sagte Seoane gegenüber der «Bild». Am Samstagabend startet Leverkusen in Dortmund in die Bundesligasaison.