Einen Rücktritt vom Rücktritt wird es nicht geben. Das machte Toni Kroos vor dem Champions-League-Finale mit Real Madrid gegen Borussia Dortmund noch mal deutlich. «Ne, das steht», sagte der Weltmeister von 2014 bei DAZN über sein bevorstehendes Karriere-Ende nach der Heim-EM im Sommer.
Damit ist auch klar: Sein Auftritt im grössten Spiel des europäischen Klub-Fussballs wurde sein letzter im Trikot von Real Madrid. Bei den «Königlichen» legte Kroos eine aussergewöhnlich erfolgreiche Karriere hin. Erst kürzlich veröffentlichte der Verein ein Foto, das Kroos mit seiner Titelsammlung zeigt, insgesamt 22 Trophäen sind darauf zu sehen. Am Samstag kam nun tatsächlich mit dem 2:0-Finalsieg gegen Borussia Dortmund noch eine hinzu. Kroos stellte damit einen Rekord auf und stieg damit endgültig in die Allzeit-Elite des europäischen Fussballs auf.
Zumindest der FC Bayern hätte wohl nie damit gerechnet, dass es mal so weit kommen könnte. Im Trikot des deutschen Rekordmeisters holte Kroos seine erste grosse Trophäe: die Champions League 2013. Allerdings musste der gebürtige Greifswalder sich damals noch mit einer Statistenrolle begnügen. Verletzungsbedingt stand Kroos im Finale nicht mal im Kader. Der Gegner damals: der BVB.
Elf Jahre später also die erneute Begegnung mit den Schwarz-Gelben im Finale der Königsklasse. Dieses Mal jedoch mit Toni Kroos in einer Hauptrolle. Es ist eine Entwicklung, die ihm der FC Bayern nicht zugetraut hätte. Sie liessen Kroos nur ein Jahr nach dem Champions-League-Triumph Richtung Real Madrid ziehen, wollten ihm kein Topgehalt bezahlen.
Die Verantwortlichen um den damaligen Bayern-Präsidenten Uli Hoeness und Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge ahnten wohl nicht, was dann kam: Bei Real Madrid wurde Kroos zum Titel-Sammler. Noch im Sommer seines Wechsels gewann er die Weltmeisterschaft mit der deutschen Nationalmannschaft, dann folgten fünf Champions-League-Titel, fünf Klub-Weltmeisterschaften, vier Meistertitel in Spanien, vier Uefa-Supercup-Siege, ein spanischer Pokalsieg und vier spanische Superpokalsiege.
Kroos selbst entwickelte sich dabei zum Motor, zum Taktgeber des grössten Fussball-Klubs Europas. Wie wichtig er für das Spiel der «Königlichen» war, lässt sich leicht an den Worten seines langjährigen Trainers Carlo Ancelotti anlässlich von Kroos' letztem Heimspiel für Madrid am vergangenen Wochenende ablesen: «Er ist ein Spieler, der etwas Aussergewöhnliches für diesen Verein geleistet hat», sagte Ancelotti etwa. «Er hatte viel Qualität, einen fantastischen Charakter, wenig Ego und immer bescheiden und selbstlos. Ich glaube, ganz Madrid ist begeistert, er ist eine Legende», so der Coach weiter.
— Toni Kroos (@ToniKroos) June 2, 2024
Kroos' Abschied trifft selbst einen hervorragend besetzten Klub wie Real Madrid hart. Seine Ruhe und Übersicht mit dem Auge für den richtigen Pass im richtigen Moment hat kaum ein anderer Spieler auf der Welt. «Toni Kroos ist ein Spieler, dessen Charakteristiken auf dem Markt kein Spieler hat», analysierte auch Ancelotti. Sein Abschied sei deshalb «ziemlich hart», aber dennoch präsentiert sich der Trainer glücklich über die gemeinsame Zeit: «Wir hatten das Glück, ihn bei uns zu haben, der Fussball hat über Jahre einen großartigen Spieler genießen können.»
Zum Abschluss folgte nun der 15. Champions-League Titel für Real Madrid. Die Madrilenen sind schon lange Rekordsieger der Königsklasse. Doch auch für Kroos persönlich wurde das Finale im Wembley-Stadion ein historischer Abend. Mit seinem insgesamt sechsten Titel in der Königsklasse stellte Kroos nämlich den individuellen Rekord von Paco Gento ein, der ebenfalls mit Real Madrid in den 1950er- und 1960er-Jahren sechs Titel holte.
🥲✨ I’m not crying, you’re crying!
— Fabrizio Romano (@FabrizioRomano) June 1, 2024
Toni Kroos leaves Real Madrid.
Marco Reus leaves Borussia Dortmund.
Legends. 🎩 pic.twitter.com/F6eq7nenis
Kroos steigt auch nach Titeln endgültig in kaum erreichte Höhen des europäischen Fussballs auf. Ob Karim Benzema, Gareth Bale, Paolo Maldini, Clarence Seedorf oder Cristiano Ronaldo – sie alle haben nicht das erreicht, was Kroos erreicht hat. Sein Stern am Fussball-Himmel der Legenden leuchtet heller als je zuvor. 34 Titel hat er nun insgesamt gesammelt, ist damit der erfolgreichste deutsche Spieler aller Zeiten. Und: Eine 35. Trophäe könnte sogar noch hinzukommen.
Denn Kroos' Karriere ja noch nicht beendet. Abseits von Real Madrid steht für ihn ja noch die Heim-Europameisterschaft mit der Nationalmannschaft an – und damit die Chance, seine Titelsammlung im allerletzten Spiel seiner Karriere zu komplettieren. Denn nationale Liga-Titel, Pokalsiege, die Champions League und eine Weltmeisterschaft hat Kroos schon gewonnen. Nur den «Coupe Henri Delauney» durfte er noch nicht in die Höhe strecken.
Im Jahr 2012 scheiterten Kroos und das DFB-Team an Italien im Halbfinale, 2016 war ebenfalls in der Vorschlussrunde gegen Frankreich Schluss. Bei der aufgrund der Corona-Pandemie um ein Jahr verschobenen Euro 2021 scheiterte die deutsche Mannschaft dann schon im Achtelfinale gegen England – und Kroos beendete im Anschluss seine Nationalmannschaftskarriere.
Für das Heimturnier konnte Bundestrainer Julian Nagelsmann ihn jetzt jedoch noch einmal von einer Rückkehr überzeugen. Klar: Ein Heimturnier spielt man nicht alle Tage. Doch ob bei Kroos' Entscheidung auch die Chance auf Historisches eine Rolle gespielt hat? Wenn es nach ihm geht, hat er die Aufmerksamkeit wohl lieber nicht auf sich.
Vor dem Champions-League-Finale liess er jedenfalls verlauten: «Wir spielen nicht weniger als das wichtigste Spiel im Klubfussball in ein paar Tagen, wo wir uns vor allem darum kümmern müssen, ein Fussballspiel zu gewinnen.» Dann fügte er an: «Das, was ab jetzt passiert, wird meine Karriere in dem Sinne nicht mehr definieren.» Er mag recht haben: So oder so, ist seine Karriere aussergewöhnlich erfolgreich. Dennoch: Mit seinen letzten Spielen könnte er sich erneut auf ein neues Level heben.
(t-online)