Manchmal geht es schnell im Fussballerleben. Megaschnell in die gute Richtung ist es bei Leonidas Stergiou gegangen seit letztem Sommer und dem Wechsel vom FC St.Gallen zum VfB Stuttgart. Der 22-jährige Toggenburger ist gar auf dem Sprung ins Schweizer EM-Kader. Vielleicht hilft ja der Heimvorteil – auf dem derzeitigen Nati-Trainingsplatz im Gründenmoos kennt Stergiou jeden Grashalm.
Wobei, eine leichte Übertreibung ist das schon. Denn nach 153 Pflichtspielen für St.Gallen, wo Stergiou als nicht einmal 17-jähriges Wunderkind debütiert hatte und dennoch lange nicht ins angestrebte Ausland kam, musste er in der Bundesliga zuerst hartes Brot essen. Und trotzdem sagt er: «Es war ein unfassbares Jahr mit Stuttgart, vor der Saison habe ich mir das so nicht ausgemalt. Es ist sehr viel zusammengekommen, viele Highlights.» Stergiou im Märchenland.
Unfassbar gut war die ganze Saison der Schwaben als Ligazweiter mit Qualifikation für die Königsklasse. Auch deswegen kam Stergiou anfänglich kaum zum Zug. Er musste sich herantasten an das höhere Level, an Liga und Klub, Mitspieler und neue Position. Und an den talentierten Trainer Sebastian Hoeness, der den gelernten Zentrumsverteidiger als rechten Innenverteidiger einer Dreierkette sieht. Oder im rechten Korridor eines Viererabwehrverbunds, wobei Stergiou nicht an der Linie kleben soll.
Im und um den VfB – im Jahr zuvor fast abgestiegen – herrschte monatelang eine riesige Euphorie. Was viel mit dem erfrischenden Fussball zu tun hatte, den die junge Mannschaft aufs Feld brachte, und mit Charakterköpfen wie Deniz Undav. Und eben, Stergiou spielte zuerst kaum und nennt diese Zeit auch «nicht einfach»; er war im Prinzip ein Leidtragender des VfB-Hochs, weil es im Team kaum zu Veränderungen kam. «Das war etwas die Schattenseite unseres Laufs», sagt er.
Geduld war gefragt. Doch diese Herausforderung hatte der Schweizer mit griechischen und serbischen Wurzeln gewollt. Zuerst mit einem Leihvertrag raus aus der Komfortzone St.Gallen, um sich weiterzuentwickeln und zu empfehlen. Er sagt: «Ich hatte noch nie eine Phase, in der ich so lange nicht spielte. Aber ich habe meine Rolle akzeptiert, arbeitete hart und wollte bereit sein, wenn meine Chance kommt.»
Die Chance kam, sehr zur Freude der fussballverrückten Stergiou-Familie. Nach der 28. Runde und dem 1:0-Sieg in Dortmund war er drin in der Mannschaft, nutzte die Gunst der Stunde. Und schoss gegen Bayern München und Goalie Manuel Neuer im Wegweiserspiel um Platz zwei ein Tor. Das gleich in einem Heimspiel. «Unbeschreiblich» nennt er das Gefühl noch heute. Viele Treffer erzielt Stergiou ja nicht. Lohn waren am Saisonende ein Vierjahresvertrag und für den FC St.Gallen zwei Millionen Franken Ablöse.
Ansprüche in der Nati hat Stergiou nicht. Natürlich hofft er, im Basis-Camp in Stuttgart als EM-Fahrer dabei zu sein. Es wäre, wie jetzt in St.Gallen, ein nächstes Heimkommen. Den ersten Cut hat er schon einmal überstanden, im Gegensatz zu den drei angeschlagenen Defensivspielern Becir Omeragic, Ulisses Garcia und Aurèle Amenda sowie Innenverteidiger Bryan Okoh und Stürmer Joël Monteiro. Ende nächste Woche wird das Kader von 33 auf maximal 26 Spieler reduziert.
Es wird ein Trumpf sein, dass Stergiou körperlich zugelegt hat, schnell ist. Vor allem polyvalent einsetzbar. Ein Vorteil gegenüber Konkurrent Kevin Mbabu. Zudem gilt Stergiou als einer, der umsetzt, was der Trainer fordert – und sagt: «Das soll es noch nicht gewesen sein.» Stergiou im Märchenland?