Kloten hat die Tradition, den Standort, den Sympathie-Bonus des Aussenseiters und damit mindestens so gute oder sogar bessere Voraussetzungen als die letzten Aufsteiger Rapperswil-Jona, Langnau und Lausanne. Es müsste eigentlich für die letzte Dynastie unseres Hockeys, für den vierfachen Meister der 1990er-Jahre (1993, 1994, 1995, 1996) nicht so schwierig sein, in nützlicher Frist ein sicherer Playoff-Kandidat zu werden.
Kontinuität würde auf dem Weg zurück zur sicheren Existenz in der höchsten Liga helfen. Doch seit 2022 beschäftigt Kloten bereits den zweiten Geschäftsführer, den dritten Sportchef, den fünften Trainer, und auch der Präsident ist nicht mehr der gleiche wie im Jahr nach dem Wiederaufstieg. Ein bisschen viel personeller Rock und Roll für ein Hockey-Unternehmen, das erst einmal ein Fundament legen muss, um sportlich und wirtschaftlich die nächsten Schritte machen zu können. Womöglich schaffen es der neue Sportchef Ricardo Schödler und der neue Trainer Lauri Marjamäki, den Klub in ruhigere Gefilde zu führen und aus dem «EHC Seldwyla» wieder ein gut strukturiertes Hockey-Unternehmen zu machen.
Im Vergleich zu den besorgniserregenden Zerfallserscheinungen im Laufe der letzten Saison kann es nur besser werden und Platz 12 wäre ein schöner Erfolg. Mindestens ebenso wichtig ist es aber, das treue Publikum mit couragierten Darbietungen bei der Stange zu halten. Wenn schon nicht Siege, dann sollten doch wenigstens Spektakel und eine gute Spielkultur die Hockey-Seele erfreuen.
Aktuelle
Note
7
Ein Führungsspieler, der eine Partie entscheiden kann und sein Team auf und neben dem Eis besser macht.
6-7
Ein Spieler mit so viel Talent, dass er an einem guten Abend eine Partie entscheiden kann und ein Leader ist.
5-6
Ein guter NL-Spieler: Oft talentierte Schillerfalter, manchmal auch seriöse Arbeiter, die viel aus ihrem Talent machen.
4-5
Ein Spieler für den 3. oder 4. Block, ein altgedienter Haudegen oder ein Frischling.
3-4
Die Zukunft noch vor sich oder die Zukunft bereits hinter sich.
Die Bewertung ist der Hockey-Notenschlüssel aus Nordamerika, der von 1 (Minimum) bis 7 (Maximum) geht. Es gibt keine Noten unter 3, denn wer in der höchsten Liga spielt, ist doch zumindest knapp genügend.
Punkte
Goals/Assists
Spiele
Strafminuten
Er ist
Er kann
Erwarte
Benotung: 1 bis 10.
Gerry Fleming war ein Operetten-Trainer, Stefan Mair eine eigenwillige Wahl. Nun hat Kloten nach einem Jahr Unterbruch mit Lauri Marjamäki wieder von allem Anfang an einen richtigen Trainer. Er war finnischer Nationalcoach (2016 bis 2018 und musste nach der WM-Halbfinalniederlage gegen die Schweiz gehen), durfte Jokerit Helsinki coachen und war mit Kärpät Oulu zweimal Meister (2014, 2015).
Er ist inzwischen nach der Pleite gegen die Schweiz und der Entlassung bei Kärpät auf der Suche nach der verlorenen Magie seines Coachings und zelebrierte immer wieder mal Meinungsverschiedenheiten mit den Schiedsrichtern. Im Alter von 47 Jahren ist Kloten sein erster Job ausserhalb von Finnland. Eine grosse Herausforderung für ihn – und für Kloten.
Kloten hat lange und intensiv an der Verpflichtung von Ludovic Waeber gearbeitet. Er ist die mit Abstand beste Lösung. Der Klub kann es sich nicht leisten, eine Ausländerlizenz mit einem Torhüter zu blockieren. Zu viel ausländische Hilfe wird in der Verteidigung und im Sturm gebraucht. Allerdings ist die Frage, wie gut Ludovic Waeber tatsächlich ist, nicht einfach zu beantworten. Bei Gottéron und den ZSC Lions war er nie die Nummer 1, in Zürich übertraf er – wenn auch hinter einer überragenden Abwehr – alle Erwartungen, aber sein Nordamerika-Abenteuer ist letzte Saison gescheitert und er brachte es nicht bis in die NHL.
Er hat alles, um eine Nummer 1 in der Liga zu sein, und wenn er es doch nicht schafft, dann ist dann halt doch ein ausländischer Goalie die Lösung. Sandro Zurkirchen ist keine Konkurrenz für Ludovic Waeber, kann ihn aber für 15 bis 20 Spiele entlasten.
Unter den chaotischen Verhältnissen der letzten Saison hat die Defensive gelitten und Kloten hat am meisten Gegentore der ganzen Liga kassiert (177). Die Erklärung ist für einmal einfach: miserables ausländisches Personal. Lucas Ekestahl-Jonsson musste nach 16 Spielen (kein Tor, 3 Assists) gehen und sein Nachfolger Nathan Beaulieu brachte es in 13 Partien auf 3 Assists.
Nie in der Geschichte unseres Hockeys hat ein Klub je zwei so schwache ausländische Verteidiger beschäftigt. Daher erübrigt sich eine weitere Ursachenforschung. Es wird alleine durch die zwei neuen ausländischen Verteidiger Thomas Grégoire aus Kanada und Sami Niku besser. Aber es sagt viel über die Qualität der Verteidigung aus, wenn Bernd Wolf, in Lugano ein unterschätzter Rollenspieler, als Verstärkung gilt.
108 Tore haben die Klotener letzte Saison erzielt. So wenig wie noch nie seit Einführung der Playoffs (1986) und noch weniger als in der Abstiegssaison 2017/18 (157). Die Ursachenforschung ist einfach: miserables ausländisches Personal. Das Duo Niko Ojamäki / Miro Aaltonen kam mit der Referenz von 39 Toren aus dem Vorjahr. Auch in dieser Publikation als Traum-Duo verklärt, brachten sie zusammen 14 Tore zu Stande, Jonathan Ang und Tyler Morley brachten es zusammen auf 23 Tore.
Das Problem war – anders als bei den ausländischen Verteidigern – nicht in erster Linie die fehlende spielerische Klasse. Sondern die chaotische Spielweise, die auch dazu geführt hat, dass die Offensive von den Verteidigern keine Unterstützung bekommen hat. Nun gibt es eine Hoffnung auf Besserung unter geordneten Verhältnissen. Daniel Audette ist ein Schillerfalter, gut für 25 Tore, und das Trio Miro Aaltonen / Niko Ojamäki / Tyler Morley müsste eigentlich unter den neuen, geordneten Verhältnissen seine letztjährige Produktion (26 Tore) mindestens verdoppeln.
Der Transfer von Reto Schäppi hilft zwar der Mannschaft in allen Bereichen ausser der Torproduktion – der ZSC-Titan hat in den letzten 6 Jahren nie mehr als 4 Tore erzielt. Alles in allem gilt: Sag mir, wie es um die ausländischen Stürmer steht, und ich sage dir, wie es Kloten geht.
Seit Präsident Mike Schälchli, der Baumeister des Wiederaufstieges und des Ligaerhalts, in der ersten Saison im Herbst 2023 den Vorsitz aufgegeben hat, sind alle Probleme in Kloten hausgemacht. Wahrscheinlich haben noch nie Sportmanager ihre Meinung und Strategie so oft im Laufe einer Saison geändert wie Anjo Urner und die neuen Präsidenten Jan Schibli und Jan Sommerhalder.
Das Resultat: Chaos auf dem Eis, Chaos in der Garderobe, Chaos im Büro des Sportchefs, Chaos allenthalben. Die Klotener sollten den Hockeygöttern auf den Knien danken, dass im letzten Frühjahr aus Mangel an Aufstiegskandidaten die Playouts nicht stattgefunden haben. Der Wiederabstieg wäre kaum zu vermeiden gewesen. Nun ist zumindest die Sportabteilung wieder in fachlich guten Händen: Der neue Sportchef Ricardo Schödler hat seit 2012 beim Verband im Umfeld der Junioren-Nationalteams und seit 2018 bei der Nationalmannschaft als Organisator die nationale und die internationale Szene kennengelernt.
Eine Saisonvorschau von Eismeister Zaugg mit Rang-Prognosen zu allen Teams folgt kurz vor dem Saisonstart.
Idee, Konzept und Inhalt: Klaus Zaugg. | Redaktionelle Betreuung: Adrian Bürgler, Olivier Meier. | Technische Umsetzung: Nicole Christen, Carlo Natter, Philipp Reich, Jelle Schutter. | Spielerportraits: nationalleague.ch.