Bevor wir aber auf die Playoffs vorausblicken, sei noch ein kurzer Rückblick auf die Regular Season erlaubt. Vor dem NHL-Saisonstart wage ich ja immer eine Prognose, wie viele Punkte die einzelnen Teams holen und wer sich für die Playoffs qualifiziert. Ein schwieriges Unterfangen, bei dem viel klügere Menschen als ich mit kompliziert erstellten Simulationsmodellen ebenfalls scheitern.
Kurioserweise hatte ich vor dieser Saison ausgerechnet die beiden besten Teams nicht auf der Rechnung: Washington und Winnipeg habe ich massiv unterschätzt. Und auch den Montreal Canadiens habe ich zu wenig zugeschaut, genauso wie ich den Absturz von Boston und Nashville nicht vorhergesehen habe. Ansonsten sind die Prognosen über weite Strecken ordentlich, insbesondere mit der Atlantic Division bin ich mehrheitlich zufrieden.
Damit genug der Vergangenheit. Nun richten wir den Blick in die Zukunft, in Richtung Playoffs. Besonders die Playoff-Serien mit Schweizer Beteiligung nehmen wir etwas genauer unter die Lupe.
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Die Emotionen waren gross, als Montreal im letzten Spiel der Saison die definitive Playoff-Qualifikation sicherstellte. Gegen Washington, das beste Team der Eastern Conference, sind die Canadiens natürlich Aussenseiter. Aber die Capitals müssen aufpassen. Gegen Ende der Saison waren die US-Hauptstädter nicht mehr bestechend in Form.
Hat Washington bei Alex Ovechkins Rekordjagd schon zu viele Körner verbraucht? Getragen von der Euphorie und der Unbeschwertheit einer jungen Mannschaft, könnte Montreal für eine Überraschung sorgen.
Prognose: Washington gewinnt in 6 Spielen.
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Diese Serie interessiert aus Schweizer Sicht natürlich besonders, da mit Nico Hischier und Timo Meier gleich zwei Schweizer bei den New Jersey Devils spielen. Wenn die Playoffs für die Swiss Devils lange genug dauern, kann vielleicht auch der verletzte Schweizer Verteidiger Jonas Siegenthaler sein Comeback geben. Er machte zuletzt zum ersten Mal nach seiner Verletzung erste leichte Eistrainings.
Die Devils gehen allerdings als Aussenseiter in die Erstrundenserie gegen die Carolina Hurricanes. Vor zwei Jahren waren sie im gleichen Duell in der zweiten Runde quasi chancenlos. Carolina hatte die bessere Saison und bei New Jersey fällt neben Siegenthaler auch Stürmerstar Jack Hughes aus. So lastet noch mehr Druck auf Hischier, Meier oder auch dem Schweden Jesper Bratt, in den Playoffs zu liefern.
Hischier muss es gelingen, die Toplinie der Canes mit Sebastian Aho zu neutralisieren, Meier muss rumpeln und skoren und Bratt muss sein Tempo ausspielen. Für einen Sieg gegen das aggressive und schnelle Team der Hurricanes braucht New Jersey aber auch einen überragenden Jacob Markström im Tor. Wenn das nicht gelingt, könnten die Serie und damit auch die Playoffs schnell vorbei sein.
Prognose: Carolina gewinnt in 5 Spielen.
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Die «Battle of Ontario» wird wiederbelebt. Zum ersten Mal seit 2004 treffen die Toronto Maple Leafs und die Ottawa Senators in den Playoffs aufeinander. Hier von einem Hassduell zu sprechen ist für einmal nicht übertrieben, die Spiele der beiden Erzrivalen sind immer emotional, hitzig, ja oft gar richtig gehässig.
Toronto ist als Atlantic-Division-Sieger Favorit. Die Leafs haben schlicht und einfach das breiter aufgestellte Team, mit der Starpower von Auston Matthews, Mitch Marner, William Nylander und John Tavares vorne. Zudem spielten sie unter dem neuen Coach Craig Berube ein relativ unspektakuläres, aber effizientes Defensivsystem. Gepaart mit dem starken Goalie-Duo Anthony Stolarz und Joseph Woll ist es gegen Toronto schwierig, Tore zu schiessen.
Aber die Leafs sind auch dafür bekannt, in den wichtigen Momenten zu versagen. Ottawas Ziel muss es sein, angeführt von Brady Tkachuk die Nerven der Gegner zu strapazieren, und hoffen, dass Linus Ullmark sie in die nächste Runde hexen kann.
Prognose: Toronto gewinnt in 6 Spielen.
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Zum zweiten Mal in Folge kommt es in der ersten Playoff-Runde zur «Battle of Florida». Auch hier sind viele Emotionen und wohl auch eine gute Portion Hass auf dem Eis vorprogrammiert – allerdings mit unterschiedlichen Vorzeichen als im Vorjahr. Damals waren die Panthers als Gewinner der Atlantic Division die klaren Favoriten.
Nun hat Tampa Bay eine bessere Regular Season hinter sich. Nikita Kucherov (121 Skorerpunkte) ist MVP-Kandidat. Brandon Hagel, Brayden Point und Jake Guentzel sorgen für viel Feuerpower, die Verteidigung mit dem Schweizer Janis Moser ist sehr stabil und Goalie Andrei Vasilevsky der gewohnt sichere Rückhalt.
Floridas Saison hingegen war geprägt von Verletzungen und Ausfällen. Matthew Tkachuk hat seit dem 4-Nations-Turnier im Februar nicht mehr gespielt. Der Stürmer wird in den Playoffs ziemlich sicher im Einsatz stehen, doch wie fit er wirklich sein wird, ist unklar. Zudem müssen die Panthers die ersten beiden Spiele wegen einer Dopingsperre auf Verteidiger Aaron Ekblad verzichten. Auf dem Papier ist das Kader natürlich weiterhin stark. Doch nach dem Stanley-Cup-Sieg vor einem Jahr wäre es auch keine Sensation, wenn für den Titelverteidiger nun bereits in Runde eins Schluss wäre. Für Moser und Tampa könnte es hingegen weit gehen.
Prognose: Tampa Bay gewinnt in 7 Spielen.
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Die beste Mannschaft der Regular Season mit dem Schweizer Nino Niederreiter gegen ein Team, das Mitte Februar noch auf Platz 24 lag – eine klare Sache, oder? Auf dem Papier schon. Winnipeg ist breiter aufgestellt. Winnipeg hat mit Connor Hellebuyck den besten Torhüter zwischen den Pfosten. Aber Winnipeg hat eben auch eine Geschichte des Scheiterns in den Playoffs, egal wie gut die Regular Season war.
Und St.Louis ist auch ein äusserst unangenehmer Gegner in der ersten Runde. Der erste Satz oben verrät es schon etwas: Wenn die Blues Mitte Januar noch auf Platz 20 lagen, dann müssen sie einen hervorragenden Schlussspurt hingelegt haben, um die Playoffs noch erreicht zu haben. So ist es. Der neue Trainer Jim Montgomery hat der Mannschaft wieder Leben eingehaucht. Seit der Länderspielpause im Februar hat St.Louis 19 von 26 Spielen gewonnen. Es erinnert etwas an 2019, als die Blues Mitte Saison auf dem letzten Rang lagen und am Ende den Stanley Cup gewannen.
Niederreiter und Co. sind also gewarnt. Wenn die Jets wie in der Regular Season mit allen vier Linien powern und Hellebuyck hält wie gewohnt, sollte eigentlich nichts schiefgehen und den Jets stünde der Himmel offen. Aber eben: Sollte.
Prognose: St.Louis gewinnt in 7 Spielen.
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Dieses Duell trägt bereits den Übernamen «Rantanen-Bowl». Mikko Rantanen begann die Saison mit Colorado, wurde dann überraschend zu den Carolina Hurricanes getradet. Weil der Finne aber nicht bereit war, dort eine Vertragsverlängerung zu unterschreiben, wurde er erneut getradet, dieses Mal zu den Dallas Stars. Und mit den Texanern trifft er nun auf seinen Ex-Klub, bei dem er zehn Jahre spielte und 2022 Stanley-Cup-Sieger wurde.
Die Serie dürfte ein Duell auf Augenhöhe werden, und wer sie gewinnt, dürfte im Kampf um den Stanley Cup lange mitreden. Die Avalanche haben eine bemerkenswerte Saison hinter sich. Nach einem katastrophalen Saisonstart (auch mit einigen Verletzungen) haben sie ihr Goalie-Duo komplett ausgetauscht und auch den Sturm eben durch den Rantanen-Trade neu formiert. So ist dieser jetzt etwas breiter aufgestellt – wenn auch nicht annähernd so breit wie Dallas, bei denen allerdings Jason Robertson fraglich ist. Wenn es bei den Stars ein Problem gibt, dann die Verteidigung. Miro Heiskanen wird den Start der Serie (und vielleicht noch mehr) mit grosser Wahrscheinlichkeit verpassen. Ein riesiger Verlust für die Stars – aber vielleicht die Chance für den Schweizer Verteidiger Lian Bichsel zu glänzen.
Prognose: Dallas gewinnt in 7 Spielen.
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Kirill Kaprizov steht vor einer verdammt schwierigen Aufgabe. Erst gerade von einer langen, die halbe Saison dauernde Verletzungspause zurückgekehrt, soll der russische Stürmer jetzt die Minnesota Wild zum Sieg gegen die Vegas Golden Knights führen. Minnesota ist klarer Aussenseiter, da Kaprizov schlicht und einfach zu wenig Unterstützung hat. Neben ihm haben nur Matt Boldy (27 Treffer) und Marco Rossi (24) die 20-Tore-Marke geknackt.
Das dürfte gegen die sehr breit aufgestellten Golden Knights beinahe unmöglich werden. Angeführt von einem überragenden Jack Eichel hat Vegas die Pacific Division gewonnen. Aus Schweizer Sicht die spannendste Frage in dieser Serie: Wenn Vegas-Goalie Adin Hill die Nerven versagen, kann Akira Schmid dann würdig die Lücke füllen?
Prognose: Vegas gewinnt in 5 Spielen.
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Kings gegen Oilers, die Vierte. Zum vierten Mal in Serie treffen Los Angeles und Edmonton in der ersten Playoff-Runde aufeinander. Auch hier ist offensichtlich: Die beiden Mannschaften mögen sich überhaupt nicht. Der Trend spricht gegen LA, das Team mit dem Schweizer Kevin Fiala. 2021/22 verloren die Kings die Serie in sieben Spielen, ein Jahr später in sechs und letzte Saison hielt LA gar nur fünf Spiele durch.
Aber: Dieses Jahr soll alles anders sein. Die Kalifornier haben in der Regular Season viel mehr überzeugt als die Kanadier und waren insbesondere vor eigenem Publikum nahezu unschlagbar. Edmonton dagegen hatte mit der Verletzungshexe zu kämpfen. Ja, ihr wichtigster Verteidiger, Mattias Ekholm, wird die Playoffs gar komplett verpassen. Wie so oft wird bei den Oilers alles von den Superstars Connor McDavid und Leon Draisaitl abhängen – zumal die Form von Goalie Stuart Skinner alles andere als glänzend ist.
Die LA Kings tendieren dagegen dazu, Probleme als Einheit zu lösen. Es gibt keine Spieler, die alle anderen überragen. Stattdessen spielt das Team von Trainer Jim Hiller strukturiert und überlegt. In den Playoffs soll natürlich auch Fiala wieder vermehrt seine Genialität aufblitzen lassen, so wie er das vor zwei Jahren mit sechs Punkten aus drei Spielen getan hat. Aber die Aufgaben für LA würden auch nach einem Sieg gegen Edmonton nicht einfacher.
Prognose: Los Angeles gewinnt in 7 Spielen.