Im nordamerikanischen Spitzensport gehören Themenabende zur Normalität – auch in der NHL. Es gibt die «Military Appreciation Night», bei der Mitglieder des kanadischen oder US-Militärs geehrt werden. Es gibt die selbsterklärenden «Star Wars Nights» und «Hockey Fights Cancer Nights».
Und es gibt eben auch die «Pride Nights» in der NHL. Spiele, an denen auf die Widrigkeiten aufmerksam gemacht werden soll, die den Mitgliedern der LGBTQIA+-Community immer noch widerfahren. Die NHL und ihre Teams zeigen so ihre Unterstützung für ebendiese Mitglieder. Die Liga feiert sich dann mit dem Slogan «hockey is for everyone» – Hockey ist für alle – gerne selbst.
Doch in der vergangenen Nacht gaben die Chicago Blackhawks kurzfristig bekannt, die regenbogenfarbenen Aufwärmtrikots nicht zu tragen. Es war nicht der erste Vorfall dieser Art. Am 17. Januar dieses Jahres weigerte sich Ivan Provorov, das Regenbogen-Aufwärmtrikot zu tragen. Der Verteidiger der Philadelphia Flyers gab an, er könne das «nicht mit seinem russisch-orthodoxen Glauben vereinbaren», und trat damit eine Lawine los.
Flyers' Ivan Provorov skips warmups over refusal to wear Pride Night jersey https://t.co/G11N5H1bTU pic.twitter.com/VeLFRbnxu8
— New York Post (@nypost) January 18, 2023
Gut eine Woche später sagten die New York Rangers Teile ihrer Pride-Nacht ab. Eigentlich hätte die wertvollste NHL-Franchise geplant gehabt, ebenfalls regenbogenfarbene Aufwärmtrikots zu tragen und diese im Nachgang zu versteigern. Der Erlös hätte gemeinnützigen Organisationen zugutekommen sollen. Eine Begründung für diesen Rückzieher gaben die Rangers nie ab.
Wiederum gut zehn Tage später strichen auch die Minnesota Wild die Pride-Trikots aus dem Programm. Eine Webseite, auf der die Leibchen hätten versteigert werden sollen, wurde rasch gelöscht. Wie «The Athletic» berichtete, wiesen die Teambesitzer rund um Craig Leipold die Streichung der Initiative an, die genaue Begründung ist aber bis heute nicht bekannt.
Vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass Torhüter James Reimer sich ebenfalls weigert, in den Regenbogen-Trikots der San Jose Sharks aufzulaufen. «Die Bibel ist die höchste Autorität in meinem Leben. Ich kann nicht etwas unterstützen, das gegen meinen Glauben ist», liess sich der Kanadier zitieren. Die Sharks führten ihre Pride-Nacht trotzdem wie geplant durch. Statt auf Twitter die Resultate beim Spiel gegen die New York Islanders durchzugeben, fütterte das Social-Media-Team von San Jose seine Fans den ganzen Abend mit Fakten rund um die LGBTQIA+-Community.
61.5% of LGBTQ+ students who were harassed or assaulted in school did not report the incident to school staff, most commonly (69.6% of students experiencing harassment or assault) because they did not think school staff would do anything about it even if they did report it.
— San Jose Sharks (@SanJoseSharks) March 19, 2023
Und nun also die Chicago Blackhawks. Das Team gab vor dem Spiel in der Nacht auf heute bekannt, die Regenbogen-Trikots ebenfalls nicht zu tragen. Als Begründung wurde die Sicherheit der Familienmitglieder der russischen Blackhawks-Spieler genannt. In Russland ist «die Verbreitung von ‹Propaganda› über nicht-traditionelle sexuelle Beziehungen» illegal.
Auch der in Bern geborene und aufgewachsene Schweizer Nationalspieler Philipp Kurashev wird dabei als Russe angegeben. Was kurios anmutet: Andere russische Spieler wie Evgeni Malkin und Evgeni Dadonov haben schon Pride-Trikots getragen, ohne irgendwelche Konsequenzen für sie selbst oder die Familie in Russland. Und Blackhawks-Verteidiger Connor Murphy, der gemeinsam mit seiner Frau lautstark für Gleichberechtigung kämpft, betonte unlängst: «Wir haben niemanden im Team, der die LGBTQIA+-Community nicht unterstützt.»
Eishockey galt schon immer als konservativer Sport. Doch dass immer mehr NHL-Teams ihre «Pride Nights» absagen oder abschwächen, sorgt in Nordamerika und in der Community für grosse Entrüstung. Brian Burke, President of Hockey Operations bei den Pittsburgh Penguins, sagt: «Ich kann nur wiederholen, dass ich extrem enttäuscht bin.»
Missed this from @Burkie2020 on Saturday night regarding James Reimer/Shark PRIDE night.
— Rob Rossi (@Real_RobRossi) March 19, 2023
(Don’t know which outlet to credit. Due apologies.) pic.twitter.com/CsM3I0ZcF2
Burke weiss, wovon er spricht. Sein Sohn Brendan, der 2010 bei einem Autounfall ums Leben kam, war schwul. Der Pittsburgh-Manager betont: «Bei den Pride-Trikots geht es um Inklusion. Es geht nicht darum, Teil einer Bewegung zu sein, sondern ganz einfach darum, zu sagen: ‹Du bist hier willkommen›.»
Noch deutlichere Worte wählte Brent Sopel: «Die NHL sagt, Hockey ist für alle. Das ist eine Lüge.» Der heute 46-Jährige gewann 2010 mit den Chicago Blackhawks den Stanley Cup und nahm den Pokal damals als Erinnerung an Brendan Burke an eine Pride-Parade mit.
Auch Luke Prokop, ein Verteidiger in der Organisation der Nashville Predators, der vor anderthalb Jahren sein Coming Out feierte, zeigte sich enttäuscht: «Es fühlt sich an wie ein Rückwärtsschritt, was die Inklusion und Akzeptanz angeht.» Es sei enttäuschend, anzusehen, dass einige Teams diese Bedeutung nicht mehr anerkennen und bei einigen Spielern der Fokus nur auf sich selbst liege.
— luke prokop (@lukeprokop_6) March 21, 2023
Prokop sagt: «Es muss sich noch einiges ändern, bis im Eishockey tatsächlich alle willkommen sind. Aber ich bin optimistisch, dass wir das schaffen.» In der Nacht auf Samstag steht bei Brian Burkes Pittsburgh Penguins die nächste «Pride Night» an.