Denis Malgin sitzt in der Trainingshalle der ZSC Lions in Zürich Oerlikon. Geduldig posiert er für den Fotografen. Derweil studieren unten auf dem Eisfeld einige Nachwuchs-Eiskunstläuferinnen ihre Sprünge und Pirouetten ein, in der Hoffnung einmal die nächste Sarah Meier zu werden. Auf die Frage, ob er auch einen solchen Sprung hinkriegen würde, sagt Malgin lächelnd: «Ich denke schon.»
Für manch einen Spieler ist Eishockey eher harte Arbeit denn schönes Spiel. Malgin sieht das gewiss nicht so. Für einen virtuosen Läufer und Techniker wie ihn gehören auch künstlerische Elemente zum Spiel.
Seit dieser Saison ist Malgin zurück beim ZSC. Gleich für vier Jahre unterschrieb er. Seine Verpflichtung unmittelbar vor Saisonstart war ein Coup der Zürcher. Und gleichzeitig ein Signal, nach innen und nach aussen: Alles andere als der Meistertitel wäre eine Enttäuschung. Die letzte Saison im Hallenstadion vor dem Umzug nach Zürich Altstetten ins neue Stadion soll noch einmal ein Höhepunkt werden. «Die Erwartungen sind schon ziemlich gross, das habe ich schnell gemerkt», sagt Malgin. «Aber allzu weit vorausschauen dürfen wir nicht.»
Noch greifen die Rädchen im ZSC-System nicht. Nach einer guten Phase kommt schnell wieder eine schlechtere. Derzeit sind die durchschnittlichen oder ungenügenden Leistungen sogar klar in der Überzahl. Und man fragt sich, ob nicht zu viele ähnliche Spielertypen im Kader stehen. Ein langjähriger Beobachter sagt es so: «Eigentlich bräuchte der ZSC zwei Pucks im Spiel, damit alle Künstler genügend auf ihre Kosten kommen.» Die Frage ist auch, ob Trainer Rikard Grönborg seiner Offensivabteilung nicht ein bisschen mehr Leitplanken setzen sollte.
Malgin selbst bezeichnet seinen Start als geglückt. «Aber es könnte auch besser sein. Man sollte ja sowieso nie zufrieden sein.» In 15 Partien hat er 15 Skorerpunkte erzielt – ein ordentlicher Wert. Aber auch für ihn gilt: Eine Linien-Kombination, die perfekt funktioniert, hat Grönborg noch nicht gefunden.
Aufgewachsen ist Denis Malgin in Olten. Sein Vater Albert ist eine Klublegende bei den Powermäusen. «Logisch, dass ich schon früh jede freie Sekunde auf dem Eis verbracht habe.» Sein Weg führt über Biel in die Jugendorganisation des ZSC. Mit 17 folgt das NLA-Debüt. Mit 18 steht Malgin erstmals in einem Playoff-Final, die Lions verlieren ihn gegen Davos 1:4.
Danach folgt der Sprung in die NHL. Bei den Florida Panthers absolviert er während vier Saisons 184 NHL-Spiele (60 Punkte). Die Bilanz ist nicht schlecht. Und doch hat man stets das Gefühl: Eigentlich müsste noch mehr gehen. Die Hoffnungen auf eine prominentere Rolle zerschlagen sich aber. Es folgt im Februar 2019 der Wechsel zu Toronto. Doch nach acht Spielen legt Corona die Welt lahm. «Und dann war alles anders.»
Im verspäteten Playoff im August 2020 kommt er nicht zum Einsatz. Die Saison darauf spielt er leihweise für Lausanne. Nach dem Ende des Playoffs in der Schweiz kehrt er noch einmal nach Toronto zurück. Und bekommt, obwohl ohne Spielminuten, mit, was «Eishockey-Fanatismus» in der Stadt bedeutet. Toronto verliert die erste Playoff-Runde gegen Montreal mit 3:4–Siegen, nach einer 3:1-Führung. «Gefühlt einen Monat lang wurden im TV immer wieder dieselben Bilder gezeigt und über unsere Niederlage gesprochen.»
Seit 2004 haben die Toronto Maple Leafs keine Playoff-Serie mehr gewonnen. Eine ziemliche Schmach für die wertvollste Eishockey-Organisation der Welt. «Das hinterlässt natürlich Spuren. Dass Eishockey in der Stadt eine derart grosse Bedeutung hat, ist toll. Andererseits ist der Druck immens. Und die Wahrnehmung zwischen Helden und Versagern schwankt ziemlich schnell. Drei Niederlagen reichen, um die grosse Krise auszurufen.»
Toronto wollte Malgin nun für diese Saison eigentlich behalten. Aber der mittlerweile 24-jährige Center realisierte, dass er einen neuen Weg einschlagen möchte. «Ich habe mich gefragt: Was bringt mich wirklich weiter? Ich bin noch jung, möchte viel spielen – in jeder Spielsituation – und eine Leaderrolle übernehmen. Darum ist Zürich die beste Option.»
Das Kapitel NHL ist für Malgin deswegen noch nicht abgeschlossen. «Mein Ziel ist es, irgendwann wieder in der NHL zu spielen.» Vielleicht hilft es, wenn er mit 26 zum «Free Agent» wird und mit allen Teams verhandeln darf. Solange seine Rechte indes bei Toronto liegen, scheint der Weg zu einer prominenten Rolle verbaut.
Es gab Momente, da hat sich Malgin gefragt: «Warum spiele ich so wenig?» Die Freude am Eishockey hat er deswegen nicht verloren. Aber die Luftveränderung tut ihm gut. Malgin wohnt etwas ausserhalb der Stadt in Herrliberg mit seiner Freundin Emelie und einem Hund. Die beiden lernten sich bereits als Teenager kennen. Und geniessen nun nach einigen Jahren in Übersee die Schönheit von Zürich.
Das 3:4 nach Penaltys am Dienstag gegen Rapperswil ist typisch für die Schwankungen der Lions in dieser Saison. Zuerst die frühe Führung, dann der rätselhafte Kollaps.
An Malgins ersten Erkenntnissen zu seinem neuen Team ändert das indes nichts: «Wir haben ein ziemlich gutes Team. Das müssen wir noch aufs Eis kriegen, noch klickt es nicht richtig. Aber wenn wir das hinkriegen, dann wird es für jeden Gegner schwierig gegen uns.»
Zumindest der Blick in die jüngere Vergangenheit lässt hoffen: Auch im letzten Meisterjahr 2018 waren die ZSC-Leistungen in der Qualifikation stets bescheiden.