Es gehört zu den Gewohnheiten im hiesigen Eishockey-Business, dass heiss umworbene Schweizer Spieler bereits im Spätsommer auf dem Transfer-Basar feilgeboten werden. Ergo kann sich auch EVZ-Sportchef Reto Kläy nicht über fehlende Arbeit beklagen. Er brütet an seinem Schreibtisch und bastelt am Kader der Zukunft. Der Fokus liegt in diesen Tagen eindeutig auf dem eigenen Team.
Bei einem Dossier hat es der EV Zug besonders eilig – jenem von Leonardo Genoni. Der Goalie, dessen Vertrag im Sommer 2024 ausläuft, geniesst einen Sonderstatus. Bei anderen Spielern möchte sich Kläy in den nächsten Wochen erst noch ein Bild machen. Nicht bei Genoni. Der Schweizer Nationaltorhüter muss niemandem mehr etwas beweisen – höchstens sich selbst.
Kläy arbeitet mit Hochdruck auf eine Vertragsverlängerung hin. Seine Begründung: «Leo ist ein Leistungsträger und eine grosse Persönlichkeit, auch neben dem Eis.» Als Spielertyp bringe er «eine besondere Komponente» mit. «Ich bin überzeugt, dass er noch weiterhin auf Top-Level performen kann.» Die Parteien haben schon mehrmals Gespräche geführt. Der Sportchef spricht von einem «positiven und konstruktiven Austausch». Eine genaue Wasserstandsmeldung will er nicht abgeben, doch die Anzeichen verdichten sich, dass die Zusammenarbeit fortgesetzt wird.
Fakt ist: Genoni fühlt sich wohl in Zug. Er ist seit Jahren ein wichtiger Bestandteil des Teams und zusammen mit Jan Kovar zum einflussreichsten und wichtigsten Einzelspieler geworden. Genonis Verpflichtung war ein wichtiges, wenn nicht gar das entscheidende Puzzlestück der Zuger Meistertitel.
Am Montag ist Genoni 36-jährig geworden. Gedanken über einen Abschied von der Eishockey-Bühne im nächsten Sommer hat er sich keine gemacht. Das innere Feuer brennt. Der Antrieb, täglich der Beste sein zu wollen, ist immer noch vorhanden. «Zum Leidwesen aller anderen», schmunzelt er. «Mir tut nichts weh. Es ist grandios. Ich schätze es jeden Tag, dass ich in meinem Alter beschwerdefrei meine Leidenschaft ausüben kann. Ich habe immer noch Spass und kann mithalten. Man hat nur eine Karriere. Diese möchte ich so lange wie möglich geniessen.» Weshalb also nicht bis 40 spielen – solange die körperlichen Voraussetzungen gegeben sind.
Sein gutes Gefühl spiegelt sich auch in den Leistungstests, bei denen die Kurve nicht nach unten zeigt. Aufgrund seines gesunden Lebensstils, der jeweils minutiösen Vorbereitung im Sommer und genügend Ruhepausen, sind längere Verletzungsphasen bei ihm eine Seltenheit. Trotz aller Seriosität, die letzte Saison war auch für den Kilchberger «schwierig» - sowohl mit dem EV Zug wie auch mit der Nationalmannschaft. «Ich weiss, dass nicht alles gut war.»
Der Torhüter, der es wie kaum ein anderer versteht, das Maximum bei maximalem Leistungsdruck (Playoffs) abzuliefern, hat dem EVZ 2019 den Jackpot beschert. Zug stattete ihn mit einem lukrativen Fünfjahresvertrag aus, machte ihn zum bestbezahlten Torhüter in der Geschichte der National League. Die Investition trug Früchte, die Ernte fiel üppig aus: die Meistertitel 2021 und 2022.
Ist Genoni also jeden Rappen wert? «Wir wollen eine Lösung finden», antwortet Kläy. Der Sportchef kommentiert keine Zahlen. Nur so viel: «Ich habe ein Budget, das es einzuhalten gilt.» Grossverdiener Genoni macht aus seinem hohen Lohn kein Geheimnis. «Ich weiss, ich bin ein teurer Spieler.» Er ist sich bewusst, dass Sportchef Kläy eine Gesamtbudget-Vorgabe zu erfüllen hat. «Es ist eine heikle Aufgabe, ich möchte nicht in seiner Haut stecken», sagt Genoni.
Auch wenn es neben dem EVZ noch andere Interessenten geben könnte. Klar ist: Der Name Genoni ist eine Transferversuchung. Wenn der Keeper also ein stimmiges Angebot eines Schweizer Klubs auf dem Tisch liegen hat, bei dem das Gesamtpaket besser ist, könnte es passieren, dass er weiterzieht.
Die Frage, die sich Genoni stellt: Reizt es mich, packt mich der Ehrgeiz im goldenen Spätherbst meiner Karriere nochmals, etwas Neues auszuprobieren? Brauche ich eine neue Herausforderung? Darauf angesprochen, meint Genoni: «Es gibt verschiedene Optionen, die ich habe.» Nach Amerika ziehe es ihn jedenfalls nicht, bemerkt er mit einem Augenzwinkern. Der Vater von drei schulpflichtigen Kindern könnte nach dem HC Davos, dem SC Bern und dem EV Zug mit einem vierten Team den Meisterpokal gewinnen – es wäre Titel Nummer acht. Damit wäre er alleiniger Rekordhalter. Kein anderer Spieler war seit Einführung der Playoffs öfter Schweizer Meister.
Naheliegend wäre ein Karriere-Ausklang bei den ZSC Lions, die sich seine Dienste problemlos leisten können. Für Genoni würde sich damit der Kreis schliessen, da er aus der Zürcher Organisation stammt.
Ist seine Unterschrift also doch nicht nur «Formsache»? Auf die Aussage hin, dass es keinen Grund gäbe, einen Wechsel zu forcieren, wenn man sich in einem Klub gut aufgehoben fühle, nickt Genoni. «Wir haben gute Gespräche gehabt. Es muss für beide Seiten stimmen.» Der Goalie weiter vielsagend: «Ich glaube, dass es zeitnah etwas zu kommunizieren gibt.»
Seine Zukunftsgedanken interessieren nicht nur im EVZ-Umfeld, sondern auch teamintern. So ist er am Wochenende beim Mannschaftsausflug nach München auf seine Pläne angesprochen worden. Er lässt sich nicht verrückt machen. Die wohl letzte Unterschrift seiner Hockey-Karriere soll wohlüberlegt sein. «Ich sehe die Sache ziemlich entspannt.»
Es ist nicht davon auszugehen, dass sich die Verhandlungen zu einer wochenlangen, mühseligen Hängepartie entwickeln. In 199 Meisterschaftsspielen hat Genoni das EVZ-Dress getragen, beim Saisonstart gegen Kloten soll die 200 vollgemacht werden. Dann womöglich bereits mit einem neuen Vertrag in der Tasche. Das «Ja»-Wort von Genoni, es würde nicht überraschen. (aargauerzeitung.ch)