Viele der meistgenannten Favoriten auf den Stanley Cup haben zu Beginn der Saison doch mehr Mühe als erwartet. Egal ob Colorado, Vegas, Toronto oder Boston – allesamt bleiben sie bislang hinter den Erwartungen zurück.
Die Gründe sind vielschichtig. Vegas und auch Colorado haben mit grossem Verletzungspech zu kämpfen. Wobei bei Vegas auch schwache Defensivleistungen dazukommen. Toronto spielt grundsätzlich ganz ordentlich, schafft es aber nicht, sich dafür auch mit Toren zu belohnen. Die Bilanz der Bruins ist eigentlich positiv, allerdings haben sie erst sieben Spiele auf dem Konto.
Selten waren die Erwartungen bei den Buffalo Sabres vor einer Saison so klein wie in diesem Jahr. Das Kader ist auf dem Papier schwach. Jegliche Stricke zwischen dem verletzten Superstar Jack Eichel und dem Management sind zerrissen. Alle NHL-Beobachter und -Experten und auch die Sabres-Fans waren sich einig: Diese Saison wird eine lange mit vielen Niederlagen.
Doch dann gewinnt diese Mannschaft, der niemand etwas zugetraut hat, die ersten vier Spiele der Saison. Nach acht Spielen steht Buffalo mit fünf Siegen auf dem zweiten Platz der Atlantic Division. Und es ist nicht so, dass die Sabres einfach nur Glück haben: Die Basis ihres Spiels bilden ein solides Defensivspiel und überragende Special Teams. Sind die Sabres damit plötzlich Anwärter auf einen Playoff-Platz? Das scheint auch nach dem guten Start unwahrscheinlich. Den Fans dürfte das egal sein, sie werden sich über jeden weiteren Sieg freuen.
Zwei Schweizer sind besonders gut in die NHL-Saison gestartet. Einerseits ist das Roman Josi, der weiterhin einer der besten Verteidiger in der NHL ist. Mit drei Toren und sechs Assists ist er bereits wieder bester Skorer bei den Nashville Predators und der Motor ihres Spiels.
Noch überragender ist Timo Meier der Start in die neue Saison geglückt. Nach acht Spielen hat er bereits fünf Tore und sechs Assists auf dem Konto, das reicht für den neunten Platz in der NHL-Skorerliste. Wenn man nur die Punkte bei 5-gegen-5 Spieler nimmt, teilt sich Meier gar die Führung in der Liga mit Winnipegs Kyle Connor.
Die vielen Skorerpunkte kommen nicht von ungefähr, schafft es der Appenzeller diese Saison doch wieder, sich viele gute Chancen herauszuarbeiten. Der Stürmer hat bereits 18 High-Danger-Chancen auf dem Konto, die drittmeisten der Liga und er schiesst ganz generell so viel er kann. Das hat zur Folge, dass Meiers Schusseffizienz mit 13,5 Prozent nicht unnatürlich hoch ist. Er spielt schlicht und einfach extrem stark im Moment. Auch Nino Niederreiter hatte einen guten Saisonstart, fällt jetzt aber verletzt aus.
Auf der anderen Seite gibt es auch drei Schweizer, die bislang eher hinter den Erwartungen zurückblieben. Da ist einerseits Kevin Fiala. Drei Skorerpunkte in acht Spielen sind sicher weniger, als sich der Ostschweizer erhofft hatte, insbesondere, da er abermals um einen neuen Vertrag spielt. Sorgen muss man sich um Fiala aber nicht machen. Die Basis des Spiels stimmt und er kommt zu Chancen, obwohl er bei Minnesota nicht immer vorteilhaft eingesetzt wird.
Von Nico Hischier wird in New Jersey ebenfalls mehr erwartet als ein Tor und zwei Assists in sieben Spielen. Doch auch hier gilt: Hischier kommt zu Chancen, kann sie jedoch nicht nach Wunsch ausnützen. Das Gute ist: Auch der Rest des Spiels passt bei Hischier. Mit dem Walliser auf dem Eis dominieren die New Jersey Devils das Geschehen. Er übernimmt Verantwortung in der eigenen Zone und in Unterzahl. Sobald er nach seinen Verletzungen wieder Vertrauen fasst, werden auch die Skorerpunkte kommen.
Auch Pius Suter hat derzeit auf dem Eis etwas Mühe. Anders als bei Fiala oder Hischier wird Suters Linie auf dem Eis eher von den Gegnern dominiert. Während er letzte Saison noch mit gutem Spiel in allen drei Zonen überzeugt hat, gelingt ihm das nun weniger. Hinzu kommt, dass auch er es nicht schafft, seine vielen guten Chancen in Tore umzumünzen.
Connor McDavid ist so gut, dass wir uns seine schon fast ausserirdischen Leistungen gewohnt und etwas abgestumpft sind. Der Superstar hat nach acht Spielen 17 Punkte auf dem Konto. Mehr als zwei Punkte pro Spiel und die weit verbreitete Reaktion ist: «Natürlich, das ist ja auch Connor McDavid.»
Fakt ist: Wir sehen hier aktuell den besten Eishockeyspieler dieser Generation – wenn nicht sogar in der Geschichte des Sports. In seinen letzten 82 Regular-Season-Spielen hat er 50 Tore erzielt und 99 Assists gesammelt. Dass er in dieser Saison die 150-Punkte-Marke knackt, ist nicht unrealistisch. Das sind Zahlen, die an Wayne Gretzky erinnern.
Und McDavid tut dies, obwohl die NHL-Schiedsrichter kaum Fouls an ihm pfeifen. Seit vergangenem Mai liegt der Center der Oilers auf Rang 135, wenn es darum geht, Strafen der Gegner zu provozieren. Bei einem Spieler, der so schnell wie McDavid ist, kann das fast nur eines bedeuten: Die Schiedsrichter pfeifen bewusst Fouls an McDavid nicht, damit das Strafenverhältnis im Spiel ausgeglichen bleibt.
Some fun facts: Since May 1st, Connor McDavid is:
— Sid (@NHL_Sid) November 2, 2021
- 135th in Penalties Drawn
- 289th in Penalties Drawn/60
- 203rd in Penalties Taken/Drawn Differential/60
Just let that sink in
Die zwei besten Teams der Liga sind die Carolina Hurricanes und die Florida Panthers. Während Carolina auch nach acht Spielen keine Niederlage aufweist, hat Florida eine Niederlage (nach Verlängerung) hinnehmen müssen: gegen Carolina.
Beide Teams treten bislang beeindruckend auf. Beide dominieren das Spiel mit einem kompletten Lineup. Beide spielen defensiv gut und beide können darüber hinaus auch auf gute Torhüterleistungen zählen. Auch wenn es noch sehr früh in der Saison ist, zeigt sich: Der Weg zum Erfolg im Osten wird früher oder später über Carolina oder Florida gehen.
Am anderen Ende des Erfolgsspektrums liegen die Arizona Coyotes. Nach neun Spielen und neun Niederlagen (eine davon in der Verlängerung) haben die Wüstenhunde gerade mal einen mickrigen Punkt auf dem Konto. Die Coyotes haben erst 13 Tore erzielt und deren 39 kassiert.
Man hatte aufgrund des Kaders bereits vor der Saison erwarten müssen, dass Arizona eine schwierige Saison bevorsteht. Doch der Start in die neue Spielzeit hat noch einmal alle negativen Erwartungen untertroffen. Das Problem ist klar: Der Kader ist nicht gut genug. Wenn Jay Beagle der Center deiner ersten Linie ist, ist das problematisch.
So gesehen ist es vielleicht gar nicht schlecht, dass Janis Moser derzeit noch in der AHL für das Farmteam der Coyotes spielt. Könnte der Bieler die Verteidigung von Arizona verstärken? Vermutlich schon, aber er würde auch nichts an den Niederlagen ändern können. Für die Motivation ist es vermutlich besser, in der AHL auch Siege einzufahren, als in der NHL ständig zu verlieren.
So grossartig Eishockey als Sport ist, so toxisch und anstrengend ist teilweise die Kultur dahinter. Missbrauch, Misshandlung oder Rassismus sind noch immer viel zu präsent in diversen Facetten dieses Sports. Als jüngstes Beispiel dafür dient der tragische, vertuschte Skandal, in dem der Missbrauch von Kyle Beach von den Chicago Blackhawks über ein Jahrzehnt unter den Teppich gekehrt wurde.
Es zeigt sich in den Worten der Direktbetroffenen wie Joel Quenneville oder Stan Bowman, die auch zehn Jahre später den sexuellen Missbrauch eines jungen Mannes relativieren und verharmlosen. Es zeigt sich in den Worten des heutigen Blackhawks-Captains Jonathan Toews, dessen erste Reaktion auf die Enthüllungen nicht eine Entschuldigung oder auch nur Unterstützung in Richtung von Kyle Beach war, sondern eine Verteidigung von Bowman.
Es gibt zwar leichte Zeichen, dass sich die Kultur verändert, auch wenn es ein zäher Prozess ist. Aussagen von Experten und jüngeren Spielern geben Anlass zur Hoffnung. Dass Gary Bettman mit seinen Aussagen Joel Quenneville quasi zur Persona non grata in der NHL erklärt, wäre ein starkes Statement. Dass er aber wenige Tage später sagt, die Eishockey-Kultur erlaube solche Vorfälle nicht, sondern verhindere sie gar noch, während erst gerade das genaue Gegenteil beweisen wurde, zeigt, dass die Veränderungen in der Kultur nur schleppend sind.
Gary Bettman: "Hockey culture does not encourage, but in fact prohibits this type of activity."
— Taylor Haase (@TaylorHaasePGH) November 1, 2021