Steckt man einmal in einer Schublade, ist es schwierig, wieder aus ihr herauszukommen. Marc Crawford, Trainer der ZSC Lions, hat den Ruf, ein harter Hund zu sein. Ein jähzorniger Schleifer. Keiner, mit dem man länger als nötig in einem Lift eingesperrt sein möchte.
Das Image stimmt nicht mehr. Crawford ist ruhiger geworden, lockerer. Was keine ganz grosse Überraschung ist, schliesslich ist der Kanadier mittlerweile 63 Jahre alt.
Fast scheint es, als staune er selber über die eigene Verwandlung. Im Interview mit MySports sagte Crawford:
Als er das sagte, stand seine Tochter Katie neben ihm. «Das war meine Idee», fügte sie hinzu, und grinste dabei wie der Vater von einem Ohr zum anderen.
Die Beziehung zwischen Vater und Tochter ist keine rein familiäre. Katie Crawford arbeitet als Sportpsychologin und kann deshalb fundierte Ratschläge geben. «Sie hat mir so viel beigebracht», schwärmte Vater Marc. «Jemand muss es ja machen», sagte Katie und lachte.
Marc Crawford: «Ich habe meinen Spielern nie gesagt, dass ich sie liebe. Dieses Jahr habe ich das getan.»
— MySports (@MySports_CH) April 30, 2024
Ganz viel Liebe vom ZSC-Coach nach seinem zweiten Titel mit den ZSC Lions.#Champions | #DerletzteTanz | #Playoffs24 pic.twitter.com/ApFaS6Q7KA
Für die Tochter war es ein grosser Moment, den Triumph ihres Vaters hautnah miterleben zu können. «Das ist das erste Mal für mich. Als er mit Colorado Avalanche den Stanley Cup gewann, war ich erst dreieinhalb Jahre alt und nicht dabei.» 2014, beim ersten Titelgewinn Crawfords mit den Zürchern, sei sie im Flugzeug gesessen und habe das entscheidende Spiel um sieben Stunden verpasst. Die ZSC Lions fertigten Kloten damals im Derby-Final mit 4:0 Siegen ab. «Aber jetzt bin ich hier und könnte nicht stolzer sein. Und hey: Alte Hunde können neue Tricks lernen!»
Tatsächlich sagte Marc Crawford, dass er mittlerweile andere Ansichten habe. «Du erreichst nicht nur für dich selbst etwas, sondern für das ganze Team und für deine Familie. Ich bin älter geworden und habe das mittlerweile verstanden.» Eine wichtige Zutat fürs Meisterrezept.
Seine Spieler seien herausragend gewesen. «Jeder denkt ja, es sei einfach [mit so einem Team], aber so ist es nicht. Es waren stets Herausforderungen da, so wie zum Beispiel heute Abend, wo wir mit Denis Malgin unseren vermutlich besten Spieler verletzt verloren haben.» Aber die anderen Spieler hätten sich dafür ins Zeug gelegt. «Den Titel gewinnst du nicht aus Zufall. Diese Spieler haben gemeinsam für ihr Ziel gearbeitet und so den Gipfel erreicht.»
Es ist eine Sache, eine ganze Reihe vorzüglicher Eishockey-Spieler in seinem Kader zu haben. Es ist eine andere Sache, diese Stars so zu einer Mannschaft zusammenzuschweissen, dass sie etwas gewinnen kann. Das ist das Verdienst von Marc Crawford. Er spürte seine Spieler und mit häufigen Änderungen in seinen Linien spürte er auch oft, wer gerade «heiss» ist und wer gerade gut zu wem passt. Diese Rotation kam dem Team im Playoff-Final zugute, als mit Yannick Weber, Rudolfs Balcers und zuletzt Malgin drei Schlüsselspieler verletzt ausfielen und ersetzt werden mussten.
Zehn Jahre nach seinem ersten Titel mit den ZSC Lions gewann Marc Crawford erneut die Meisterschaft. Es muss nicht die letzte gewesen sein: Sein Vertrag in Zürich läuft noch eine weitere Saison. Der alte Hund freut sich wohl schon darauf, neue Kunststückchen zu lernen.
Ihr alle habt es möglich gemacht.
Schwiizermeischter, mir sind Züri!👍