Eigentlich spricht in der Liga-Qualifikation wenig bis nichts für die Rapperswil-Jona Lakers. Der Swiss-League-Meister hat im Vergleich mit dem dienstältesten A-Klub das deutlich kleinere Budget, das schlechter bestückte Kader, drei statt fünf Ausländer, kein Heimrecht, keinen Nationalstürmer vom Format eines Denis Hollenstein und keinen, der auf dem Sprung in die NHL ist wie Vincent Praplan.
Dennoch sagt SCRJ-Trainer Jeff Tomlinson vor der Serie gegen den fünffachen Schweizer Meister:
Trotz der obigen Auflistung wundert sich aber niemand über die Aussage des Kanadiers. Klotens Vorteile existieren nämlich vornehmlich auf dem Papier. Wer etwas genauer hinschaut, erkennt schnell, dass Rappi für die «Flieger» ein ziemlich schwerer Gegner sein wird. Ein Vergleich der wichtigsten Faktoren.
Spielt überhaupt keine Rolle mehr. Die Kader stehen, mit den Spielern die da sind, muss die Liga-Qualifikation bestritten werden. Verstärkungen können keine mehr geholt werden.
Drei sind während der Liga-Qualifikation erlaubt. Kloten-Trainer André Rötheli hat die Qual der Wahl, von seinen fünf Ausländern (Spencer Abbott, Tommi Santala, Tomi Sallinen, Mattias Bäckman und Kevin Poulin) muss er zwei auf die Tribüne schicken. Abbott und Santala dürften gesetzt sein, die andere drei haben sich bislang nicht für höhere Aufgaben empfohlen. Von ihnen wird entweder Center Sallinen oder Verteidiger Bäckman zum Einsatz kommen – je nachdem, welche Qualitäten gerade gefragt sind. Ausser Torhüter Luca Boltshauser fehlt, dann muss Rötheli den Kanadier Poulin ins Tor stellen.
Die Lakers haben mit Dion Knelsen, Jared Aulin und Jeremy Morin nur drei Ausländer im Kader und noch ist unklar, ob Tomlinson auch auf alle drei zurückgreifen kann. Aulin, den Eismeister Zaugg wohl als Schillerfalter bezeichnen würde, verletzte sich im dritten Finalspiel gegen Olten bei einem geblockten Schuss am Knie und fiel für den Rest der Serie aus. Wird er rechtzeitig wieder fit?
Falls nicht, müssen es Topskorer Knelsen, dem auch wegen seiner fehlenden Körpergrösse (174 cm) eine steilere Karriere verwehrt blieb, und Powerflügel Morin, der immerhin 82 NHL-Spiele auf dem Buckel hat, alleine richten. Wobei alleine nicht ganz richtig ist, wie der nächste Punkt zeigt.
Rappi hat nämlich für einen B-Verein ein erstaunlich breites Kader und ist anders als beispielsweise Ajoie oder Langenthal deutlich weniger von seinen Topskorern abhängig. Auch die Linien mit den Routiniers Corsin Casutt und Sven Lindemann oder mit Edeltechniker Michael Hügli und Jan Mosimann können Tore schiessen. Ja, selbst die Checker-Linie mit den 1,90-Meter-Hünen Josh Primeau, Cédric Hüsler und Martin Ness war in den NLB-Playoffs stets gefährlich.
Von vier ausgeglichenen Linien kann der EHC Kloten nur träumen. Viel hängt dort von der Torproduktion der beiden Starstürmer Denis Hollenstein und Vincent Praplan ab, die Kloten beide Ende Saison verlassen werden. Problematisch für den EHC ist, dass keiner die Verantwortung übernimmt, wenn die beiden einen schlechten Tag einziehen, was seit dem Ende der Qualifikation oft genug vorgekommen ist. Lieber keinen Fehler begehen als etwas zu riskieren, scheint das Motto vieler Klotener zu sein. Man kann es ihnen angesichts der brenzligen Situation nicht verdenken. Aber so kann der drohende Abstieg nicht verhindert werden.
Rappi-Goalie Melvin Nyffeler ist definitiv der beste Swiss-League-Goalie. Seine Fangquote von 93,6 Prozent in der Qualifikation steigerte in den Playoffs noch auf 94,5. Viele Experten attestieren ihm das Talent und das Selbstvertrauen, um eine Liga höher zu den Besten gehören zu können. Schon als 18-Jähriger debütierte er für die ZSC Lions, bekam dort aber nie eine echte Chance, genauso wenig wie später in Fribourg und Kloten. So landete Nyffeler 2015 in Rapperswil, wo er sich kontinuierlich verbessert hat und schliesslich zum Topgoalie gereift ist. Ohne ihn wäre der Weg für Rappi zum Cupsieg und der B-Meistertitel ungleich schwerer geworden.
Wie Nyffeler fiel auch Kloten-Goalie Luca Boltshauser, der einen Teil seiner Juniorenzeit bei Färjestad absolvierte, einst bei den ZSC Lions durch und wechselte zum Kantonsrivalen. Dort musste er sich zunähst zwei Jahre lang mit der Ersatzrolle hinter Martin Gerber begnügen, erst auf diese Saison wurde er die Nummer eins. In der Qualifikation war er mit einer Fangquote von 91,8 Prozent noch eine Stütze, in der Platzierungsrunde und den Playouts brachen er und seine Fangquote (84,3 Prozent) aber ein.
In den letzten beiden Playout-Spielen gegen Ambri fehlte Boltshauser wegen einer Magendarm-Grippe und wurde durch Kevin Poulin vertreten, der allerdings auch nicht überzeugen konnte. Seine Postseason-Fangquote: 80,3 Prozent.
Seine Name steht wie kein anderer für die sportliche Wiedergeburt der Rapperswil-Jona Lakers: Jeff Tomlinson. Der 47-jährige Kanadier kam nach dem Abstieg 2015 an den Obersee, zuvor coachte er in der DEL die Düsseldorfer EG, die Nürnberg Ice Tigers sowie die Eisbären Berlin. Schon da war Tomlinson ein feinfühliger Trainerfuchs und auch in Rappi hat er aus dem eiligst zusammengewürfelten Haufen schnell eine Einheit geformt.
Die langfristige Planung – Aufstieg bis spätestens 2019 – kam ihm dabei entgegen. In den ersten beiden Jahren führte Tomlinson die Lakers in den B-Final, doch erst in diesem Jahr klappte es mit dem Titel. Dass er mit seinem Team nicht nur gegen nominell schwächere Gegner gewinnen kann, zeigte Tomlinson im Cup. Auf dem Weg zum ersten Titelgewinn der Vereinsgeschichte gewann der SCRJ mit Lugano, Zug und Davos gegen drei Topteams der National League.
Bei Kloten ist André Rötheli so etwas wie das Gegenstück zu Tomlinson, verfügt er doch über keinerlei Trainer-Erfahrung. Der einstige Nationalspieler amtete bei den Fliegern bis vor kurzem noch als Sportchef, steht nach der Entlassung von Kevin Schläpfer erst seit einer Woche als Headcoach an der Bande. Doch das spielt keine Rolle. Rötheli muss taktisch höchstens ein paar Anpassungen machen. Ansonsten geht es vor allem darum, die Stimmung im Team zu heben und den Spielern wieder Selbstvertrauen einzuhauchen.
Der Oltner zeigte sich im Vorfeld des ersten Spiels ziemlich angespannt. Rappi-Spion Vjeran Ivankovic, der am Dienstag das Kloten-Training besuchte, liess er gemäss «Blick» kurzerhand aus der Halle werfen.
Eigentlich ist es nicht ganz fair, aber der Oberklassige geniesst in der Liga-Qualifikation stets Heimrecht. Vier Heimsiege würden Koten also zum Liga-Erhalt reichen, während Rappi mindestens einmal auswärts gewinnen muss, um den Aufstieg realisieren zu können.
Doch das kann für den A-Klub auch zum Rohrkrepierer werden. Als die Lakers 2015 abstiegen, war die Stimmung am Obersee zwischen Fans und Spielern derart aufgeheizt, dass fast von einem Heimnachteil gesprochen werden musste. Einige Fans wollten gar die Kabine stürmen, die Spieler wirkten wie gelähmt.
In Kloten hielten sich die eingefleischten Fans bislang erstaunlich ruhig, unterstützten den Klub trotz der enttäuschenden Resultate und Leistungen vorbildlich. Doch was, wenn Rappi die erste Partie in der Swiss-Arena hoch gewinnt? Dann ist nicht nur der offizielle Heimvorteil weg, dann könnte auch die Stimmung in Kloten schnell umschlagen.
Die Euphorie in Rappi ist riesig! Die Lakers haben eine überragende Saison gespielt, nie zwei Partien in Folge verloren und sich dafür mit dem Cupsieg sowie dem Swiss-League-Titel belohnt. Die Fans stehen hinter ihrem SCRJ, wie das vor drei Jahren nach dem Abstieg keiner für möglich gehalten hat. Die Titelfeier nach dem gewonnenen B-Final fiel dennoch alles andere als überschwänglich aus. Denn alle wissen, dass der Weg noch nicht zu Ende ist. Die Siegermenalität ist da, das Selbstvertrauen nach dieser Saison sowieso. Noch vier Siege, dann ist das grosse Saisonziel erreicht.
Noch vier Siege. Das wird auch André Rötheli seinen Spielern ebenfalls einflössen. Vier Siege und die ganze miserable Saison kann auf einen Schlag gerettet werden. Doch das wird knifflig: Im Training ist es einfaches, die angeschlagene Stimmung mit ein paar lustigen Sprüchen oder Spielchen zu heben. Das Selbstvertrauen, das nötig ist, um seine Serie zu gewinnen, holt man sich aber nur durch Siege auf dem Eis. Viel wird bei Kloten vom Start in die Serie abhängen. Gelingt dieser nicht, ist man alsbald wieder mitten im Negativstrudel, dem nur schwer wieder zu entfliehen ist. Das haben die Lakers vor drei Jahren am eigenen Leib erfahren.