Die Schweizer Eishockey-Nati ist an einem Tiefpunkt angelangt. 0:3 (0:1, 0:1, 0:1) gegen ein solides Kanada und 2:3 (1:0, 1:1, 0:2) gegen ein spielerisch limitiertes Deutschland. Zum ersten Mal seit 2002 werden wir den Deutschland Cup auf dem letzten Platz beenden. Das Spiel heute (13.00 Uhr) gegen die Slowakei ist bedeutungslos.
Captain Eric Blum sprach nach der Niederlage gegen Deutschland von Fehlern, die auf internationalem Niveau nicht passieren dürfen. Nationaltrainer Patrick Fischer erwähnte «ärgerliche Konter.» Beide meinten damit zwei Scheibenverluste in der Vorwärtsbewegung («turnovers»), die zum zweiten und dritten Gegentreffer führten. Es sind Fehler, die auch in der NLA meistens bestraft werden. Fehler, die jedes System ruinieren. Fehler, die dann gemacht werden, wenn Konzentration und Disziplin ungenügend sind.
Der neutrale Beobachter stellt sich die Frage: Was ist da los? Der Wechsel der Assistenten – Tommy Albelin und Thierry Paterlini für Felix Hollenstein und Reto von Arx – sollte eine Verbesserung der «Special Teams», also des Spiels in Über- und Unterzahl bringen. Es ist noch schlimmer geworden. Bei fünf gegen fünf Feldspieler haben wir nur einen Treffer kassiert – aber drei im Boxplay, einen im Powerplay (also in Überzahl!) und einen ins leere Tor. Getroffen haben wir im Powerplay nicht.
Nachdem wir mit «Pausenplatz-Hockey» bei der letzten WM in Moskau nur Rang 11 erreicht haben, ist nun viel von Taktik die Rede. Von einer Rückkehr zur defensiven Realität. Sie wird personifiziert durch die Anstellung des schwedischen Assistenten Tommy Albelin. Wer auf Taktik fixiert ist, hat in diesen beiden ersten Partien unter dem Duo Patrick Fischer (nominell Cheftrainer) und Tommy Albelin (nominell Assistent, in Wirklichkeit Cheftrainer) durchaus Fortschritte gesehen. Das Spiel der Schweizer ist besser organisiert. Der Optimist sagt: Die Handschrift von Tommy Albelin ist zu sehen.
Aber am Ende des Tages ist entscheidend, mit welcher Einstellung die Spieler eine Taktik umsetzen. Ob sie es leidenschaftlich, mutig, diszipliniert und voller Elan tun. Oder zweifelnd, unsicher, undiszipliniert und uninspiriert.
Der Deutschland Cup ist «nur» ein Vorbereitungsturnier. Niemand wird im Mai 2017 noch nach den Resultaten fragen. Aber wenn die Einstellung jetzt nicht stimmt, wird sie auch im nächsten Frühjahr nicht stimmen. Im November wird gesät, was blühen soll im nächsten Frühjahr. Siegen ist auch die Summe vieler Kleinigkeiten, auf die ein Trainer achtet und die er zu guten Gewohnheiten seiner Jungs macht. Die Schweizer haben hier am Deutschland Cup beunruhigend viele schlechte Gewohnheiten offenbart: Beispielsweise Disziplinlosigkeiten in Zweikämpfen und Konzentrationsfehler. Ein erfahrener Erfolgstrainer sagte auf der Tribune sogar: «Ein disziplinloser Haufen.»
Patrick Fischers Stärken waren seit seinem Amtsantritt im letzten Dezember sein Charisma. Also seine Fähigkeit, einen Raum mit seiner Präsenz zu füllen und mit Energie aufzuladen. Mut, Hoffnung, Optimismus, Begeisterung, ja Leidenschaft zu wecken. Damit ist er bis zu einem gewissen Grade dazu in der Lage, fehlende Erfahrung als Trainer zu kompensieren. Er hat vor seiner Ernennung als Nationalcoach als Trainer nie irgendetwas gewonnen.
Sage mir, ob Patrick Fischer eine starke Ausstrahlung hat und ich sage Dir, ob er als Nationaltrainer eine Zukunft hat. Wir haben beim Deutschland Cup einen Patrick Fischer ohne Charisma erlebt. Einen «gewöhnlichen» Patrick Fischer. Ein «gewöhnlicher» Patrick Fischer hat an der nationalen Bande keine Zukunft.
Hockeytrainer strahlen stark auf ihre Mannschaft aus. Den Schweizern fehlten in diesen beiden Partien gegen Kanada und Deutschland die positiven Emotionen, der Mut, die Kreativität, die Lust. Wer Polemik mag, der sagt, dass der Einfluss, die Präsenz von Tommy Albelin das Charisma von Patrick Fischer mindern. Kann es funktionieren, wenn ein Chef, der von seinem Charisma lebt, einen Assistenten hat, der in jeder Beziehung eine Nummer grösser ist? Oder provoziert man so das Märchen über die neuen Kleider des Kaisers? Führt die Präsenz von Tommy Albelin dazu, dass die Spieler auf einmal erkennen, dass Kaiser Patrick Fischer ja gar keine Kleider hat?
Ist die Nationalmannschaft für unser Hockey wichtig? Oder ist sie so unwichtig, dass sie als «Versuchslabor» für Trainer-Experimente missbraucht werden darf? Diese Frage wird sich Verbandsgeneral Florian Kohler eher früher als später stellen müssen.